| # taz.de -- TAZ-Serie Schillerkiez: Zukunft der Kids: "Kinderarmut ist hier rec… | |
| > Viele Kinder kommen kaum aus dem Viertel raus - nicht mal ins Schwimmbad | |
| > oder den Zoo, berichtet Birgit Lange, Leiterin des Kinderzentrums "Am | |
| > Tower". | |
| Bild: Gäbe es mehr Angebote mit Tieren im Schillerkiez, dann müsste man auch … | |
| taz: Frau Lange, wie lässt sich das typische Schillerkiezkind beschreiben? | |
| Birgit Lange: Zuerst mal ist es ein ganz normales Kind, mit ganz normalen | |
| Grundbedürfnissen nach Schutz, Unterstützung und Förderung wie jedes andere | |
| Kind auch. Aber viele Jungen und Mädchen haben hier sicherlich gemeinsame | |
| Problemlagen, die anderswo nicht so geballt vorliegen. | |
| Zum Beispiel? | |
| Kinderarmut ist im Schillerkiez recht weit verbreitet. Dazu können | |
| Schwierigkeiten wie alleinerziehende Elternteile, Erkrankungen oder | |
| Verhaltensauffälligkeiten kommen. Diese Kinder finden bei uns einen | |
| geschützten Raum. Und die Eltern finden einen Ort, wo sie mal Luft holen | |
| können. | |
| 52 Prozent der Schillerkiezler haben einen Migrationshintergrund. Wie | |
| funktioniert das junge interkulturelle Miteinander? | |
| Wir haben hier vor allem arabische, türkische, albanische und jugoslawische | |
| Familien. Die Kinder sind bei diesem Zusammenspiel meist erfahrener als | |
| ihre Eltern, die oft noch mit der Sprachbarriere zu kämpfen haben. Die hier | |
| geborenen Kinder müssen dagegen von klein auf in ihren Kitagruppen und | |
| Schulklassen mit vielen Ethnien kooperieren. | |
| Ist Jugendgewalt ein Problem im Schillerkiez? | |
| Bei uns im Kinderzentrum noch nicht. Da kommen auch die hiesigen | |
| Familienbekanntschaften ins Spiel. Wenn sich ein Kind nicht benimmt, könnte | |
| das Gesprächsthema werden in der Community und auf seine Eltern | |
| zurückfallen. Das übt eine soziale Kontrolle aus. | |
| Womit verbringen die Kinder im Schillerkiez ihre Freizeit? | |
| Auch das ist so verschieden, wie Kinder eben sind. Viele kommen zu uns zum | |
| Tower, einige als Stammbesucher, andere nur zu bestimmten Angeboten. | |
| Parallel gibts noch andere Einrichtungen: die Warthe 60 mit einem | |
| gewaltpräventiven Fokus, der Jugendclub Yo!22, das Mädchencafé Schilleria. | |
| Manche Kinder lassen aber auch das links liegen. Die suchen und finden im | |
| Schillerkiez Räume ohne Kontrolle von Erwachsenen. | |
| Wo hängen die Kinder denn ab? | |
| Das können die Spielflächen an der Schillerpromenade sein oder auch | |
| Hinterhöfe, etwa in der Silberstein- und Siegfriedstraße. | |
| Ist die Angebotsstruktur für Kinder im Schillerkiez ausreichend? | |
| Ich denke, es kann nie genug sein. Alles, was wir nicht anbieten, schmälert | |
| die Förderungschancen der Kinder, von denen viele eine besondere Förderung | |
| benötigen, die ihre Eltern oft nicht leisten können. | |
| Wo haperts denn? | |
| Ich fände es zum Beispiel toll, unser Gelände in Richtung Naturkunde | |
| auszubauen, mit noch mehr Pflanzen, vor allem aber Tieren. Die fehlen hier | |
| im Schillerkiez gänzlich. Ganz wichtig wäre auch, den Kindern Möglichkeiten | |
| zu bieten, den Sozialraum zu verlassen. Viele Kinder kommen ja nicht mal | |
| ins Schwimmbad oder in den Zoo. Da bräuchten wir mehr Kapazitäten für | |
| Ausflüge und Kinderreisen. | |
| Wohin würden Sie gerne mit den Kindern verreisen? | |
| Brandenburg, Mecklenburgische Seenplatte, Ostsee - egal. Hauptsache, mal | |
| raus. Das muss ja nicht weit weg sein. Auch um den Familien zu zeigen, was | |
| auch mit wenig Geld möglich ist. | |
| Wie nehmen die Kleinen das Tempelhofer Feld an? | |
| Wir nutzen das Feld besonders zum Inlineskaten und allem, was rollt. Auch | |
| für unseren Towerlauf und die Drachenwerkstatt war das Areal super. | |
| Allgemein ist mein Eindruck aber, dass die Kinder dort eher mit ihren | |
| Eltern hingehen, zum Grillen etwa. Es gibt ja an sich auch keine | |
| Spielgeräte. | |
| Seit der Eröffnung des Feldes ziehen immer mehr Besserverdienende in den | |
| Schillerkiez. Macht sich das in Ihrer Arbeit bemerkbar? | |
| So richtig noch nicht. Ab und an verlaufen sich junge Eltern, die ich hier | |
| noch nicht gesehen habe, zu uns aufs Gelände. Eltern, die unseren | |
| Wasserspielplatz nutzen und ihre Kinder in die nahe gelegenen Kinderläden | |
| schicken. | |
| Fehlen diese betuchteren Eltern etwa, weil sie wegziehen, sobald ihre | |
| Kinder in die Schule kommen? | |
| Ich würde allen Kindern wünschen, dass diese jungen Eltern nicht gleich | |
| wieder wegziehen. Wohlgemerkt sind auch ausländische Eltern weggezogen, die | |
| für ihre Kinder einen höheren Bildungsanspruch haben. Übrig geblieben sind | |
| dann hier oft die, die sich woanders die Mieten nicht leisten können. Diese | |
| Segregation wieder zu durchmischen, fände ich wünschenswert. | |
| Wird es dann künftig auch im Tower so was wie Kinderyoga und | |
| Chinesischfrühkurse geben? | |
| Wir werden uns neuem Klientel jedenfalls nicht verschließen. Unsere | |
| Angebote entsprechen ja immer der Bedürfnislage der Besucherinnen und | |
| Besucher. Und wenn die sich ändert, ist es an uns, flexibel darauf zu | |
| reagieren und uns neue Angebote zu überlegen. Wir sind für alle offen. | |
| 20 Apr 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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