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# taz.de -- Japanische Atompolitik nach der Katastrophe: Nachhaltiger nuklearer…
> Die japanische Regierung will das AKW Hamaoka abschalten. In Fukushima
> läuft Reaktor 3 heiß. Und der Meeresboden ist 38.000-mal stärker
> verstrahlt als zuvor.
Bild: Surfurlaub trotz Atomunfall: "Goldene Woche" in der Provinz Chiba, 250 Ki…
BERLIN taz | Die Woche 9 nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima endete am
Freitag mit einem Paukenschlag: Der japanische Ministerpräsident Naoto Kan
forderte den Stromkonzern Chubu Electric Power auf, das AKW Hamaoka 170
Kilometer südwestlich von Tokio vollständig stillzulegen. Die Gefahr einer
weiteren Atomkatastrophe bei einem erwarteten schweren Erdbeben in der
Region um Hamaoka sei zu groß, zitiert die Nachrichtenagentur Kyodo die
Regierung.
Damit erfüllt die Regierung eine alte Forderung der Atomkritiker. Die
hatten Hamaoka schon seit vielen Jahren kritisiert, weil genau in dieser
dicht besiedelten Region um die Millionenstädte Nagoya und Osaka drei
Erdplatten aufeinanderstoßen und ein schweres Beben der Stärke 8,5 oder
mehr erwartet wird. Chubu selbst hatte bereits beschlossen, die Blöcke 1
und 2 des Kraftwerks herunterzufahren. Die Regierung will nun auch in
Hamaoko 3, 4 und 5 den Stecker ziehen.
Denn die Behörden haben schon genug mit Fukushima zu tun. Trotz aller
Gewöhnung an den täglichen Atomhorror kommen aus dem havarierten AKW immer
wieder schlechte Nachrichten. Am Freitag wurde bekannt, dass die Temperatur
am Reaktor 3 wieder unplanmäßig hoch auf 143 Grad Celsius geklettert ist.
Nach Informationen des TV-Senders NHK begannen die Rettungsmannschaften
damit, mehr Kühlwasser in den Kern zu pumpen.
## 7.400 Tonnen Wasser
Das Gleiche tun sie bei Reaktor 1: Dort wird das gesamte Containment, die
Hülle rund um den Reaktordruckbehälter, mit insgesamt 7.400 Tonnen Wasser
geflutet, um zu kühlen und den Druck zu verringern. In dem Gebäude
herrschen immer noch bis zu 93 Millisievert Strahlung – ein Arbeiter bekäme
dort nach etwa zweieinhalb Stunden so viel Strahlung ab, dass er den
Grenzwert für den gesamten Arbeitseinsatz von 250 Millisievert erreichen
würde.
Die Flutung des Reaktors verringert die Probleme mit der Strahlung, aber
sie könnte das andere Problem von Fukushima noch vergrößern. Denn je mehr
Wasser in die Reaktoren fließt, desto mehr kontaminiertes Wasser muss
hinterher entsorgt werden. Bisher floss dieses Wasser oft ins Meer. Und am
Freitag gab AKW-Betreiber Tepco bekannt, man habe im Meeresgrund der Bucht
vor dem AKW wieder einmal extrem hohe Werte von Radioaktivität gemessen. In
20 bis 30 Meter Tiefe ergaben die Proben 90.000 Becquerel (Bq) Cäsium-134
pro Kilo Boden, 87.000 Bq Cäsium-137 und 52.000 Bq Jod. Die Werte liegen
nach Angaben von NHK 38.000-mal höher als bei der letzten Messung an
gleicher Stelle.
## Cäsium aus Fukushima an der Westküste der USA
Zum Vergleich: Der japanische Grenzwert für Fische liegt für Cäsium bei 500
Bq pro Kilo. Und dass die radioaktiven Teilchen nicht einfach verschwinden,
belegt die internationale Atomenergiebehörde IAEA. Die errechnete, dass das
Cäsium aus Fukushima in ein bis zwei Jahren auch an der Westküste der USA
und Kanada landen könnte – allerdings "in ungefährlichen Dosen".
Wie viel Radioaktivität für wen gefährlich ist, wird in Japan zunehmend
heftig diskutiert. In der Stadt Fukushima hat sich Anfang Mai ein "Netzwerk
zum Schutz der Kinder vor Strahlung" aus Eltern und Umweltgruppen gebildet,
die gegen zu lasche nukleare Grenzwerte protestieren. Das
Bildungsministerium hatte sie für Kinder bei 20 Millisievert im Jahr
festgesetzt, das ist in Deutschland der Grenzwert für einen AKW-Arbeiter.
Auf einem Treffen am Donnerstag mit den Behörden forderten die Eltern,
dieser Grenzwert müsse zurückgezogen werden. Vorher hatte nach Angaben des
"Netzwerks" die Atomsicherheitsbehörde NSC erklärt, der Grenzwert von 20
Millisievert werde von der NSC nicht unterstützt oder für sicher gehalten.
6 May 2011
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
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