# taz.de -- Kernschmelze in Fukushima weiter möglich: Es strahlt vor sich hin | |
> Reaktor 1 ist voller Wasser, er könnte bersten. Und weiterhin steigt | |
> weißer radioaktiver Rauch aus den anderen Reaktoren auf. Die Situation | |
> ist nicht unter Kontrolle. | |
Bild: Blick auf die Atomanlage in Fukushima. Sonderlich viel ist da nicht in Or… | |
BERLIN taz | Eine Mitarbeiterin des japanischen AKW-Betreibers Tepco hat in | |
Fukushima die dreifache Menge der monatlich erlaubten Strahlendosis | |
abbekommen, wie am Mittwoch bekannt wurde: 17,55 Millisievert. Schlimm, | |
allerdings geringer als die Dosis, die man bei einer Computertomografie | |
abbekommt. Wenn solche Ereignisse zu Nachrichten werden, erweckt Tepcos | |
Krisenmanagement vor allem den Eindruck: Es gibt wohl nichts Schlimmeres zu | |
vermelden. | |
Das ist weit gefehlt. Selbst die Internationale Atomenergieorganisation | |
bezeichnet die Situation nach wie vor als "sehr ernst", auch wenn einige | |
Systeme wieder funktionieren. Tepco hat Teile eines Reaktorbehälters mit | |
einem Roboter überprüft und "keinen bemerkenswerten Wasserausfluss" | |
gefunden. Genau hier liegt das Problem: Noch immer ist unklar, ob die | |
Reaktoren nun dicht sind oder nicht. | |
Momentan wird mit elektrischen Pumpen Wasser zu den teilweise geschmolzenen | |
Brennstäben der Reaktoren 1, 2 und 3 geleitet, über die regulären | |
Kühlwasseranschlüsse und Löschanschlüsse. Reaktor 2 und 3 gelten momentan | |
als stabil, das gibt zumindest Tepco bekannt. In Reaktor 1 steigt der Druck | |
nur langsam an. Für eine dauerhafte Kühlung muss allerdings der Wasserpegel | |
erhöht werden. Durch das Gewicht des Wassers könnte es aber neue Risse im | |
Reaktor geben. Das testet Tepco momentan, in dem der Wasserlevel erhöht und | |
wieder gesenkt wird. Immerhin machen die Reaktoren 5 und 6, während des | |
Bebens ohnehin heruntergefahren, keinerlei Probleme mehr. | |
## Brennstäbe in offen liegendem Abklingbecken | |
Doch nach wie vor steigt weißer radioaktiver Rauch aus den anderen | |
Reaktoren auf. Probleme macht auch ein Abklingbecken mit alten | |
Brennelementen, das offen liegt. "Dadurch werden weiter radioaktive Stoffe | |
freigesetzt", sagt der deutsche Nuklearexperte Wolfgang Renneberger der | |
taz. | |
Normalerweise würden Brennelemente drei bis vier Jahre in einem | |
Abklingbecken brauchen, ehe sie in Castoren gelagert werden könnten. | |
Allerdings sind die Brennelemente in den Reaktoren von Fukushima teilweise | |
geschmolzen. Dadurch könnten Sie länger Nachwärme erzeugen. | |
Immerhin teilte Tepco am Mittwoch mit, die Brennelemente seien in Reaktor | |
eins in geringerem Ausmaß beschädigt als befürchtet – zu 55 statt zu 70 | |
Prozent. Dafür erhöhten sie die Angaben für Reaktoren zwei und drei leicht | |
um je fünf Prozent. Sollten die provisorischen Kühlsysteme nochmals | |
ausfallen, wäre eine Kernschmelze weiterhin möglich, sagt Renneberger. | |
Selbst wenn die Situation stabilisiert wird, muss Tepco 70.000 Tonnen | |
verseuchtes Wasser entsorgen, das sich in den Turbinenhallen und | |
Wartungstunneln der Anlage befindet. Bis Juli sollen Firmen aus den USA und | |
Frankreich dafür eine Reinigungsanlage errichten, wie der japanische Sender | |
NHK am Mittwoch berichtete. Es ist Teil eines Plans, die Lage in sechs bis | |
neun Monaten vollständig unter Kontrolle zu haben. | |
27 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
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