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# taz.de -- Havariertes AKW Fukushima: Tepco jetzt mit Plan
> Bis Jahresende will Betreiber Tepco den Austritt von Radioaktivität im
> AKW-Fukushima unterbinden. Das Geld für die ersten Entschädigungen
> scheint gesichert zu sein.
Bild: Hoher Besuch in Minamisoma, 20 km entfernt vom AKW-Fukushima: Yukio Edano…
TOKIO taz | Der AKW-Betreiber Tepco hat erstmals einen Zeitplan zur
Bewältigung der Krise vorgelegt: Demnach sollen in den kommenden drei
Monaten die Notfallarbeiten beendet sein. Im Lauf der folgenden drei bis
sechs Monaten sollen die Stabilisierungsmaßnahmen greifen und die
havarierten Reaktoren in Fukushima wieder unter Kontrolle sein. In der
ersten Phase soll der Austritt von radioaktiven Substanzen verringert und
in der zweiten ganz gestoppt werden. Dann, also Anfang 2012, soll auch ein
Teil der evakuierten Anwohner in ihre Häuser zurückkehren.
"Bislang hat Tepco immer nur reagiert. Nun können wir die Kontrolle in
geplanten Schritten zurückgewinnen", lobte der Handelsminister Banri
Kaieda. Dagegen warnte der Nuklearexperte Koji Okamoto von der Universität
Tokio vor zu viel Optimismus. Nachbeben, Taifune oder technische Probleme
könnten die Reparaturen verzögern.
Auf die bislang geplante Wiederinbetriebnahme der vorhandenen Kühlsysteme
will Tepco nun verzichten. Deren Funktionsfähigkeit ist offenbar zu
ungewiss und die Radioaktivität im Inneren der Gebäude für Reparaturen zu
hoch. Stattdessen will Tepco in den nächsten drei Monaten außerhalb der
Reaktoren Anlagen für neue Kühlkreisläufe aufbauen. Dafür wurden neue
Wärmetauscher sowie Filter für radioaktive Stoffe bestellt. Parallel will
Tepco das Loch im Sicherheitsbehälter von Reaktor 2 stopfen. Am Sonntag
maßen ferngesteuerte US-Roboter mit Hilfe ihrer beweglichen Arme erstmals
die radioaktive Strahlung und die Sauerstoffkonzentration im Reaktorgebäude
3 und machten Fotos.
Während der zweiten Phase will Tepco die Temperatur der Brennstäbe durch
die neuen Kühlsysteme auf 100 Grad absenken und zu einem "Cold Shutdown"
der drei Reaktoren zu kommen. Die Gebäude werden abgedeckt und mit
Abluftfiltern versehen. Dadurch soll die Radioaktivität in der Umgebung
sinken. Auf mittlere Sicht will Tepco auch das kontaminierte Wasser, das
man derzeit aus den Turbinengebäuden abpumpt, reinigen. "Wirkliche
Sicherheit wird es jedoch erst geben, wenn die Brennstäbe aus den Reaktoren
entfernt sind", gab Minister Kaieda zu. Er habe Tepco angewiesen, kein
verstrahltes Wasser mehr in den Pazifik einzuleiten.
Betreiber und Regierung machten den 70.000 evakuierten Anwohnern sogar
Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre Wohnorte. In den Sperrzonen werde man
die Zahl der Strahlenmesspunkte erhöhen, sagte Tepco-Chef Tsunehisa
Katsumata. Danach werde man Boden und Gebäude dekontaminieren. An die
Schulen in der Präfektur Fukushima werden 1.700 Dosimeter verteilt.
"Natürlich wird es für einige Menschen unmöglich sein, in ihre Häuser
zurückzukehren", schränkte Minister Kaieda ein.
## Neue Evakuierungen geplant
Am Wochenende musste die Regierung allerdings noch um Verständnis für neue
Evakuierungen werben. Vize-Kabinettschef Tetsuro Fukuyama entschuldigte
sich bei den Bewohnern der Städte Iitate und Kawamata dafür, dass sie
binnen eines Monats ihre Häuser verlassen müssen. In vier Siedlungen
außerhalb der 20-Kilometer-Zone sei die Gefahr einer Jahresdosis von über
20 Millisievert zu hoch, betonte Fukuyama. Sie würden in Behelfshäusern
oder angemieteten Unterkünften untergebracht.
Der Stromkonzern will den bisher evakuierten 48.000 Haushalten Ende
nächster Woche einen ersten Entschädigungsabschlag bezahlen. Jeder Haushalt
erhält 1 Million Yen (8.300 Euro), allein wohnende Personen 6.200 Euro.
Einige Betroffene protestierten. Das Geld sei nur ein kleiner Schritt,
meinte die 48-jährige Akemi Osumi, die mit drei Kindern in einer
Notunterkunft nahe Tokio lebt. Eine Million Yen reichten nicht sehr weit,
außerdem richte sich die Zahlung nicht nach der Größe der Familie. Um die
Entschädigungen zu finanzieren, will Tepco Managergehälter kürzen, Stellen
abbauen und vielleicht auch Beteiligungen verkaufen.
Analysten von JPMorgan schätzen die Entschädigungen für Evakuierte,
Fischer, Landwirte und Firmen auf knapp 17 Milliarden Euro. So muss der
deutsche Pharmakonzern Boehringer seine Fabrik für Energiegetränke in Namie
in zehn Kilometer Entfernung von den Atommeilern womöglich aufgeben.
Merrill Lynch geht sogar von bis zu 90 Milliarden Euro aus. Am Ende dürfte
vermutlich die Regierung in die Bresche springen, etwa durch einen
staatlich gedeckten Versicherungsfonds.
17 Apr 2011
## AUTOREN
Martin Fritz
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