# taz.de -- Reaktoren des AKW Fukushima: So dicht wie Siebe | |
> Das Grundwasser und das Meer am AKW Fukushima sind wieder stärker | |
> verseucht. Und die Reparaturtrupps kriegen die Reaktorgebäude nicht | |
> trocken. | |
Bild: Ein ferngesteuerter Roboter misst Temperatur, Radioaktivität und Wassers… | |
BERLIN taz | Die Reparaturmannschaften in Fukushima kommen einfach nicht | |
voran. Nach tagelangem Abpumpen hochradioaktiver Brühe aus einem Tunnel | |
neben dem Reaktorgebäude war dort zum Wochenende der Wasserstand so hoch | |
wie zuvor. | |
Die positive Deutung dieser Nachricht ist, dass Wasser aus den daneben | |
liegenden Reaktor- und Turbinengebäuden nachläuft und so ganz langsam das | |
Level dort sinkt und die Reparaturarbeiten beginnen können - oder zumindest | |
Bestandsaufnahmen dessen, was eigentlich zu tun ist. Derzeit ist das | |
Strahlenniveau in dem fuß- bis knietief stehenden Wasser zu hoch, als dass | |
die Teams dort hineinkönnten. | |
Es gibt jedoch keine Meldung, dass der Wasserpegel in den Gebäuden sinkt. | |
In Reaktor 2 war der Wasserstand am Freitagnachmittag sogar steigend, | |
obwohl 660 Tonnen vom Boden in ein höher liegendes Betonbecken gepumpt | |
wurden. Die negative Deutung des konstanten Wasserstandes ist deshalb, dass | |
die Betreiber abermals keine Ahnung haben, von woher das hochradioaktive | |
Wasser wohin sickert. | |
Um die heißen Reaktorbehälter zu kühlen, muss nach wie vor Wasser | |
hineingepumpt werden. Bei den Abklingbecken kommt nach wie vor die | |
Betonpumpe des deutschen Herstellers Putzmeister mit ihrem langen Hubarm | |
zum Einsatz. Der Nachschub an Sickerwasser ist also leider gesichert. Laut | |
dem Reaktorbetreiber Tepco sind "mindestens 50.000 Tonnen kontaminiertes | |
Wasser in der Anlage" - das wären 50 Millionen Liter oder etwa zwei große | |
50-Meter-Schwimmbecken voll. | |
## Neuer Tsunami-Rekord | |
Tepco plant, bis Ende Mai für gut die Hälfte dieser Wassermenge | |
provisorische Tanks auf dem Gelände zu errichten. Die Dosis im verstrahlten | |
Wasser steigt indes wieder. Im Vergleich zur Vorwoche lagen die Werte von | |
Jod-131 und Cäsium-134 am Freitag bei zusammen maximal 620.000 Becquerel | |
pro Liter. Das war ein 6- bis 38-mal so hohes Strahlenniveau wie bei den | |
eine Woche zuvor veröffentlichten Proben aus den Reaktoren 1 und 2. | |
Die strahlenden Teilchen finden sich auch in Entwässerungsrohren im | |
Untergrund der Reaktoren. Also auf Grundwasserniveau. Diese | |
"Subdrain-Rohre" sind mit dem Reaktor 2 verbunden. Dessen kontaminiertes | |
Wasser könnte in die unterirdischen Rohre lecken, sagt Tepco. | |
Die Diesel-Notstromgeneratoren sollen immerhin seit Freitag nicht mehr an | |
der Küste platziert sein, sondern auf "höherem Grund". Da es laufend | |
Nachbeben gibt, soll so eine größere Sicherheit vor Tsunamis gegeben sein. | |
Die Generatoren hatten das katastrophale Erdbeben vom 11. März laut dem | |
Betreiber zunächst überstanden, erst der Tsunami setzte alles außer | |
Gefecht. | |
Das Beben vom 11. März hat unterdessen den bisherigen Wellenrekord aus dem | |
Jahre 1896 gebrochen. Bei der noch andauernden Vermessung von Schwemmgut | |
oben auf den Steilküsten der betroffenen Präfekturen hat ein Team der | |
Tokioter Universität um Akio Okayasu einen neuen Höchststand für die | |
Tsunamiwelle festgestellt: 38,9 Meter schlug der Wellenkamm in Bezirk | |
Aneyoshi der Stadt Miyako die Küste hoch. In der dortigen Präfektur Iwate | |
war auch vor 115 Jahren die damalige Rekordhöhe von 38,2 Metern gemessen | |
worden. Professor Okayasu verwies allerdings darauf, dass die Bewohner | |
Miyakos größtenteils mit geringen Schäden davonkamen. Ihre Vorfahren waren | |
nach der Katastrophe von 1896 weiter nach oben gezogen. | |
## Steigende Strahlung | |
Die Präfektur Fukushima hat Messwerte zur Strahlenbelastung veröffentlicht. | |
Sie reichen von 0,08 bis 5,26 Mikrosievert pro Stunde. Das bedeutet, die | |
für Menschen relevante Strahlendosis reicht von der einfachen | |
Hintergrundstrahlung bis zum über 120fachen dieses Niveaus in der Gemeinde | |
Iitate. In der Stadt Fukushima mit ihren knapp 300.000 Einwohnern ist die | |
Strahlendosis 40-fach erhöht. | |
Das Meerwasser der Küste vor Fukushima ist auch in 16 Kilometer Entfernung | |
von den Reaktoren noch mit 1.000 Becquerel Jod-131 belastet, weit über dem | |
Grenzwert. Direkt am Kühlwassereinlauf der Reaktoren sind es 260.000 | |
Becquerel pro Liter allein durch das Isotop Jod-131, der 6.500-fache | |
Grenzwert. Dazu kommt noch 1.400-mal mehr als erlaubt durch Cäsium-137. | |
Tendenz bei beiden wieder steigend. Immerhin soll ein großer Teil der | |
Isotope in der Bucht bleiben, weil inzwischen schwimmende Barrieren | |
errichtet wurden. | |
Den Arbeitern vor Ort hilft das alles nichts. Laut den Messwerten, die der | |
japanische Atomindustrieverband JAIF bekannt gibt, nehmen ihre Körper etwa | |
an der Südseite des Verwaltungsgebäudes auf dem Gelände 530 Mikrosievert | |
pro Stunde auf, Stand Freitagnachmittag. Das entspricht innerhalb einer | |
Zwölf-Stunden-Schicht fast 7 Millisievert, in etwa die unter normalen | |
Umständen erlaubte Jahresdosis. | |
17 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Reiner Metzger | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
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