# taz.de -- Der Demjanjuk-Prozess: Das Vernichtungslager Sobibor | |
> Das Lager Sobibor in Polen gehörte zu Heinrich Himmlers | |
> Vernichtungsprogramm "Aktion Reinhardt". In Sobibor wurden etwa 250.000 | |
> Juden ermordet. | |
Bild: Gedenkstätte des Vernichtungslagers Sobibor. | |
BERLIN taz | Das Vernichtungslager Sobibor im Osten des deutsch besetzten | |
Polen war eines von drei Lagern, die ab 1942 von den Nazis im Rahmen der | |
"Aktion Reinhardt" betrieben wurden. Hinter dem Codenamen verbarg sich die | |
Vernichtung der polnischen Juden - angeordnet von SS-Chef Heinrich Himmler. | |
Sechs Kilometer vom Dorf Sobibor entfernt entstand Ende 1941 direkt an | |
einer Bahnstrecke und nahe einem Wald das Lager, dessen einziger Zweck der | |
sofortige Mord an Juden war. | |
"Sobibor war wie eine Fabrik", sagte der 83-jährige Überlebende Thomas | |
Blatt, der als einer von wenigen Dutzend Menschen überlebte, der taz. | |
Die Opfer mussten sich nach dem Aussteigen aus den Zügen ausziehen. Ihre | |
Wertsachen wurden eingesammelt. Dann trieben ausländische "Hilfswillige" | |
die Männer, Frauen und Kinder direkt in die sechs als Duschräume getarnten | |
Vergasungskammern. | |
Alle wurden durch die Abgase eines fest installierten | |
Achtzylinder-Benzinmotors getötet. Danach zerrten die "Hilfswilligen" die | |
Leichen aus den Kammern und warfen sie in Massengräber. Später wurden die | |
Opfer verbrannt, um keine Spuren zu hinterlassen. | |
Nur selten sortierte die SS einige wenige Juden vor der Vernichtung aus. | |
Unter ihnen befand sich der damals 15-jährige Thomas Blatt; seine Familie | |
wurde jedoch ermordet. "Arbeitsjuden" wie Blatt mussten bei der Sortierung | |
der Hinterlassenschaften der Ermordeten helfen. Sie waren es auch, die am | |
14. Oktober 1943 einen Aufstand wagten und dabei mehrere SS-Männer und | |
"Hilfswillige" töteten. | |
Über 100 Juden entkamen in die Wälder, doch die meisten von ihnen wurden | |
von den Nazis kurz darauf gefasst und ermordet. Thomas Blatt gelang es, | |
sich in der Nähe eines Dorfes zu verbergen. Er überlebte, aber Sobibor | |
verfolgt ihn bis heute: "Wenn ich einen Menschen treffe, muss ich immer | |
daran denken, wie sich dieser wohl in Sobibor verhalten hätte", sagt er. | |
Jules Schelvis, selbst Überlebender und Nebenkläger im Demjanjuk-Prozess, | |
hat in jahrzehntelanger Arbeit errechnet, dass zwischen 236.000 und 257.000 | |
Juden in Sobibor ermordet worden sind. Sie kamen nicht nur aus Polen, | |
sondern auch aus den Niederlanden, der Tschechoslowakei, aus Frankreich, | |
der Sowjetunion und aus Deutschland. | |
Die Transportlisten aus dem holländischen Ausgangslager Westerbork haben | |
sich erhalten. Aus diesen Zahlen und dem Zeitraum, in dem Demjanjuk in | |
Sobibor nach Auffassung der Staatsanwaltschaft eingesetzt war, ergibt sich | |
die Ziffer von 27.900. Wegen Beihilfe zum Mord an diesen 27.900 Menschen | |
ist Demjanjuk angeklagt - in Wahrheit dürfte die Zahl wesentlich höher | |
sein. | |
Nur etwa 20 bis 30 SS-Männer taten in Sobibor Dienst. Viele von ihnen waren | |
zuvor bei der Ermordung von Behinderten in Deutschland - der Aktion T4 - | |
eingesetzt. Zu den SS-Leuten gesellten sich über 100 "hilfswillige" | |
Ausländer, meist Ukrainer wie Demjanjuk. "Die Ukrainer waren noch brutaler | |
als die Deutschen", erinnert sich Blatt. | |
Nach dem Aufstand gaben die Nazis das Lager auf und verwischten ihre | |
Spuren. 23 Jahre später, im Jahre 1966, standen in Hagen die deutschen | |
Täter vor Gericht. | |
SS-Oberscharführer Karl Frenzel erhielt eine lebenslange Haftstrafe, andere | |
Angeklagte wurden zu Zuchthausstrafen zwischen zwei und acht Jahren | |
verurteilt. Fünf der Angeklagten wurden freigesprochen, weil diese in einer | |
"vermeintlichen Nötigungsnotlage" gehandelt hätten, argumentierte das | |
Gericht. | |
John Demjanjuk spielte in dem Prozess keine Rolle. | |
11 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
Klaus Hillenbrand | |
## TAGS | |
Holocaust | |
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