# taz.de -- Gedenken an NS-Verbrechen in Polen: Angehörige der Sobibor-Opfer e… | |
> Im früheren deutschen Vernichtungslager musste jetzt das kleine Museum | |
> geschlossen werden. Der Staat will die Gedenkstätte erst 2013 übernehmen. | |
Bild: Die frühere Bahnstation in Sobibor. | |
WARSCHAU taz | "Die Deutschen bauen sich ein schickes Holocaustmahnmal in | |
Berlin und denken, damit ist die Sache erledigt", empört sich Marek Bem, | |
langjähriger Leiter der Gedenkstätte Sobibor in Südostpolen. "Für die | |
Mordstätten in den Sümpfen Osteuropas interessiert sich kein deutscher | |
Politiker und kein Botschafter." | |
Vor wenigen Tagen musste Bem die Ausstellung "Vernichtungslager Sobibor" | |
schließen. Vier Mitarbeiter der Gedenkstätte mussten entlassen werden. Es | |
ist kein Geld mehr da. Zwar hatte das Kulturministerium in Polens | |
Hauptstadt Warschau versprochen, die Gedenkstätte zum 1. Mai zu übernehmen, | |
machte aber einen Rückzieher, als die Kreisverwaltung in Wlodawa die | |
Rechnung für Investitionen der letzten Jahre auf den Tisch legte. | |
"Wenn wir hier ein paar Monate lang keinen Handschlag tun, holt sich die | |
Natur das Gelände zurück", erklärt Bem. "Dann wird es hier nur noch Wald | |
und Sumpf geben." Als Zeuge des Massenmords an über 200.000 Juden würde | |
allein das rostzerfressene Schild "Sobibor" an der Bahnrampe bleiben. | |
Verschwinden würden die Mahnmale auf dem zehn Hektar großen Gelände, die | |
immer wieder mit Kies aufgeschütteten Wege durch den Sumpf, am Ende auch | |
das Blockhaus mit der ständigen Ausstellung. Schlimm sei dies insbesondere | |
für die wenigen Überlebenden und die Opferangehörigen. "Sie kommen hierher, | |
um der Toten zu gedenken." | |
In Wlodawa, erzählt Bem, lebten vor dem Krieg vor allem Juden. Die | |
Deutschen hätten nicht nur die Menschen in den KZs ermordet, sondern auch | |
die jüdische Kultur vernichtet. Das Regionalmuseum in Wlodawa zeige Leben | |
und Tod. Auf der einen Seite stünden die beiden großen Synagogen, die in | |
den letzten Jahren restauriert worden seien, auf der anderen Seite das | |
ehemalige deutsche Vernichtungslager Sobibor. "Es wäre besser, den gesamten | |
Komplex wieder in den staatlichen Museums- und Gedenkstätten-Verband | |
einzugliedern", ist Bem überzeugt. | |
## Abspaltung der Gedenkstätte | |
Geplant ist nun eine Abspaltung der Gedenkstätte vom Regionalmuseum in | |
Wlodawa. Die Gedenkstätte soll neu gestaltet werden. Dazu sind erheblich | |
mehr Mittel nötig, als sie der Kreis aufbringen könnte. Auch soll die | |
Öffnungszeit des Museums, bisher Mai bis Anfang Oktober, verlängert werden. | |
Piotr Zuchowski, der für die misslungene Transaktion verantwortliche | |
Landesdenkmalschützer im Warschauer Kulturministerium, ist für Journalisten | |
nicht zu sprechen, die Pressesprecherin verweist auf die Website. Dort | |
heisst es lakonisch: Der Staat beabsichtige, die Gedenkstätte Sobibor zum | |
1. Januar 2013 zu übernehmen. Bis dahin solle sie an die Gedenkstätte | |
Majdanek angegliedert werden. | |
Dariusz Pawlos, der Direktor der Stiftung für Deutsch-Polnische Aussöhnung, | |
hofft, dass sich die finanziellen Probleme bald lösen lassen. Er blickt in | |
die Zukunft. "Die Stiftung wird federführend bei der Neugestaltung der | |
Gedenkstätte sein. Erst neuere Forschungen haben gezeigt, wo die Asche der | |
Opfer in Sobibor liegt." So sei das große Mausoleum an einer Stelle | |
errichtet worden, wo keine Asche liege, umgekehrt würden die Wege in der | |
Gedenkstätte, die zu den Mahn- und Denkmalen führen, über tieferliegende | |
Ascheschichten führen. "Das darf so nicht sein. Wir müssen genau wissen, wo | |
die Gaskammern und Krematorien waren. Wir müssen wissen, wo die Ascheberge | |
liegen". | |
Die teuren Forschungen mit Bodenaufnahmen aus der Luft und archäologischen | |
Grabungen hätten bereits begonnen. Sie würden von Polen, Israel, den | |
Niederlanden und der Slowakei finanziert. Im Oktober 2013, zum 70. | |
Jahrestag des Aufstandes im KZ Sobibor und seiner anschließenden | |
Liquidierung im Oktober 1943, sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Dann | |
soll die Gedenkstätte neu eröffnet werden. | |
8 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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