# taz.de -- Entschädigungen wegen Ehec: Bauern bekommen EU-Gelder | |
> Die EU-Agrarminister haben für die Bauern eine Entschädigung von | |
> mindestens 150 Millionen Euro beschlossen. Die Grünen fordern eine | |
> "Aktuelle Stunde" und zentrale Strukturen. | |
Bild: Auch in der Plenardebatte im Europaparlament präsent: Spanische Gurken. | |
HAMBURG afp/taz | Angesichts der weiterhin erfolglosen Suche nach der | |
Quelle der EHEC-Epidemie wächst die Kritik am Krisenmanagement der | |
Behörden. | |
Vertreter der Opposition in Deutschland wie auch von EU-Partnern warfen der | |
Bundesregierung am Dienstag vor, nicht angemessen auf die Krise reagiert zu | |
haben. Derweil vermeldete das Land Niedersachen zwei weitere Todesopfer der | |
Epidemie, ihre Gesamtzahl in Deutschland stieg damit auf 24. Zunehmend | |
erlangt die Infektionswelle auch politische Relevanz. Ilse Aigners Sprecher | |
bezeichnete die Kritik als "Oppositionsgeplänkel". | |
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach monierte im NDR, die Arbeit der | |
verschiedenen Institutionen scheine nicht ausreichend koordiniert zu | |
werden. Die Grünen beantragten für Freitag eine Aktuelle Stunde des | |
Bundestags. Ihre Fraktionschefin Renate Künast sagte: "Das | |
Ehec-Krisenmanagement dieser Regierung ist miserabel, es findet schlecht | |
oder gar nicht statt." Der Vorsitzende des | |
Bundestags-Verbraucherschutzausschusses, Hans-Michael Goldmann (FDP), regte | |
im SWR eine Fusion aller mit den Themen Seuchen- und Krankheitsbekämpfung, | |
Verbraucherschutz sowie Lebensmittelsicherheit befassten Bundesbehörden an. | |
## Künast fordert Zentralisierung des Krisenmanagements | |
Weiter sagte Renate Künast, der wirtschaftliche Schaden für Bauern und | |
Händler sei groß. Mit dem Kampf gegen den Erreger sind Hunderte Ämter und | |
Einrichtungen in Deutschland beschäftigt. Jede Behörde habe ihre | |
Berechtigung, meint Künast. Sie forderte aber: "Der Bund muss die | |
Organisation in die Hand nehmen." | |
Die verbraucherpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Karin Binder, | |
klagte: "Von überall her kommen Informationen: aus Hamburg, aus | |
Niedersachsen, vom Robert-Koch-Institut, vom Bundesinstitut für | |
Risikobewertung. Sie haben keine einheitliche Linie", sagte sie der taz. | |
Niedersachsen hatte vor Sprossen als möglichem Keimüberträger gewarnt, das | |
Bundesinstitut nicht. Auch beim Dioxin-Skandal Anfang des Jahres und bei | |
dem mit Bakterien belastetem Discounter-Käse 2010 habe es ein | |
"Bund-Länder-Chaos" gegeben. "Gelernt wurde daraus offenbar nicht." | |
Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) habe sich nie darum bemüht, dass | |
der Bund bei solchen überregionalen Problemen die Ursachensuche und die | |
Öffentlichkeitsarbeit koordinieren darf. | |
## "Oppositionsgeplänkel" | |
Aigners Sprecher Holger Eichele wies das als "Oppositionsgeplänkel" zurück. | |
"Das ist jetzt nicht die Zeit für Föderalismusdebatten." Bund und Länder | |
arbeiteten Hand in Hand und rund um die Uhr. Am Mittwoch wollen die | |
deutschen Verbraucher- und Gesundheitsminister in Berlin über die Krise | |
beraten. | |
Bei der Suche nach der Ursache der Ehec-Welle tappten die Behörden weiter | |
im Dunkeln. Der Verdacht, Sprossen aus einem Gartenbetrieb in Niedersachsen | |
könnten für die Epidemie verantwortlich sein, ließ sich weiterhin nicht | |
erhärten. Auch an Sprossen, die von der Firma aus Bienenbüttel kurz vor | |
Beginn der Ehec-Welle produziert und die jetzt von einem Erkrankten den | |
Behörden übergeben wurden, seien keine Spuren des Darmkeims gefunden | |
worden, sagte die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks | |
(SPD). | |
Wie dringend die Ehec-Bekämpfung ist, zeigt der erneute Anstieg der Ehec- | |
und HUS-Fälle. Ihre Zahl bezifferte das Robert-Koch-Institut bis | |
Montagnachmittag mit 2.325. Am Sonntag waren es noch 94 weniger. Immerhin | |
nehme die Fallzahl nicht mehr so stark zu wie bisher. | |
Auch international nahm die Kritik an Schärfe zu. Europas Gemüse-Bauern | |
seien in Schwierigkeiten geraten, weil Deutschland "mitunter leichtfertig" | |
Warnungen herausgegeben habe, sagte Belgiens Landwirtschaftsministerin | |
Sabine Laruelle in Luxemburg bei einem EU-Krisentreffen zum Thema EHEC. | |
Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) verteidigte in Luxemburg das | |
deutsche Vorgehen. "Es geht hier um Menschenleben", daher seien Warnungen | |
gerechtfertigt. | |
## 150 Millionen Euro von der EU versprochen | |
Die wegen der EHEC-Epidemie von Einkommensverlusten betroffenen Bauern in | |
der EU sollen mit mindestens 150 Millionen Euro entschädigt. Das sagte ein | |
EU-Diplomat am Rande des EU-Agrarministertreffens. Der Vorschlag der | |
EU-Kommission von insgesamt 150 Millionen Euro sei allerdings nicht | |
beschlossen worden - er sei zu niedrig. In Luxemburg waren die | |
Agrarminister der 27 EU-Staaten zusammengekommen, um über die Folgen der | |
EHEC-Krise und mögliche Entschädigungszahlungen zu beraten. Die genaue | |
Summe der Hilfen hänge von der Höhe der Verluste ab, fügte Ciolos hinzu. | |
Zur Berechnung werde ein Zeitraum vom Beginn der Krise Ende Mai bis Ende | |
Juni zugrunde gelegt. | |
Zahlreiche europäische Gemüse-Bauern haben wegen der Warnungen vor dem | |
Verzehr von rohen Gurken, Tomaten und Salaten schwere Einbußen hinnehmen | |
müssen. Besonders Spanien fordert Hilfen für seine Landwirte, da deutsche | |
Behörden in spanischen Gurkenlieferungen zeitweise den Ausgangspunkt des | |
lebensgefährlichen Darmkeims vermutet hatten. Bundesagrarministerin Ilse | |
Aigner (CSU) stellte in Luxemburg klar, es gehe um Entschädigungen "von | |
EU-Seite". Die EHEC-Krise sei "ein europäisches Problem", das daher auch | |
von den Vertretern aller 27 EU-Länder beraten werde. Es stelle sich nicht | |
die Frage, dass Deutschland direkt Entschädigungszahlungen leiste, sagte | |
ein EU-Diplomat. | |
## Spanien beziffert Verluste auf 225 Millionen – pro Woche | |
Spanien beziffert die Verluste seiner Landwirte auf rund 225 Millionen Euro | |
pro Woche und fordert eine hundertprozentige Entschädigung. Ansonsten | |
behalte sich die Regierung in Madrid vor, rechtlich für die Ansprüche der | |
spanischen Gemüsebauern zu kämpfen, hatte die spanische | |
Landwirtschaftsministerin Rosa Aguilar im Vorfeld des Treffens gedroht. | |
Überlegt wird mit den Beratungen vertrauten Quellen zufolge, einen Fonds | |
aus EU-Geldern einzurichten, um die betroffenen Bauern zu entschädigen. Die | |
Mittel könnten demnach an Erzeugerorganisationen ausgezahlt werden, die das | |
Geld dann weiterleiten - auch an Nichtmitglieder. Rund 65 Prozent der | |
Landwirte in der EU gehören solchen Organisationen nicht an. // Mitarbeit: | |
Hanna Gersmann | |
7 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
Jost Maurin | |
## TAGS | |
Landwirtschaft | |
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