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# taz.de -- Politischer Streit um Ehec: Bahr weist Kritik zurück
> Die Krankenhäuser beklagen hohe Kosten wegen der Ehec-Epidemie und
> fordern mehr Geld. Europa mahnt Deutschland zur Kooperation, China
> verschärft Einreisekontrollen für Deutsche.
Bild: Der Mann mit der Maske: Bundesgesundheitsminister Bahr.
BERLIN/PEKING dapd/afp/dpa/taz | Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr
(FDP) hat die Forderung der Opposition nach einer Bündelung der Kompetenzen
im Umgang mit dem EHEC-Erreger zurückgewiesen. "Das ist typisch deutsch. Es
wird sofort wieder nach einer neuen Behörde und einer neuen Struktur
gerufen", sagte er am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin. Es sei nicht
entscheidend, welche Behörde welchem Ministerium unterstehe. Viel mehr
müsse in Zukunft besser miteinander kommuniziert werden, betonte er.
Dies funktioniere etwa bei den Krankenhäusern bestens, sagte Bahr. Diese
tauschten sich direkt über freie Kapazitäten aus, um eine bestmögliche
Versorgung zu gewährleisten. Dagegen seien bei der Information der
Öffentlichkeit Fehler passiert. Es sei zu viel spekuliert worden, was zu
einer Verunsicherung in der Bevölkerung geführt habe, kritisierte er.
Der Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) forderte
Finanzhilfen für die Hochleistungskrankenhäuser. VUD-Geschäftsführer
Rüdiger Strehl forderte von Daniel Bahr, tätig zu werden, "damit die Kassen
sich nicht hinter den gesetzlichen Regelungen verschanzen können". Der
Vizepräsident der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), Andreas
Tecklenburg, sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Wir Krankenhäuser mit
Maximalversorgung können nicht das gesellschaftliche Risiko für Epidemien
und Seuchen tragen." Die niedersächsische Gesundheitsministerin Aygül Özkan
(CDU) forderte ebenfalls, dass die Kliniken nicht auf ihren Kosten sitzen
bleiben dürften.
Die Kosten für die Behandlung der Ehec-Patienten seien noch nicht
abzusehen, sagte der Klinik-Manager. Pfleger und Ärzte auf den betroffenen
Stationen arbeiteten rund um die Uhr, andere Operationen müssten verschoben
werden. "Drei Viertel einer Intensivstation ist durch Ehec blockiert",
sagte Tecklenburg. Die Medizinische Hochschule Hannover versorgt derzeit
knapp 50 Ehec-Patienten, darunter zwölf Kinder, die überwiegend unter der
schweren Form HUS leiden.
## Bei zu vielen Patienten tragen die Kassen nur noch 35 Prozent
Sämtliche Ehec-Fälle müssten außerhalb des vereinbarten Budgets zum vollen
Preis abgerechnet werden. Die Krankenhäuser handeln mit den Krankenkassen
Budgets für eine bestimmte Anzahl von Patienten aus. Wird diese vereinbarte
Patientenzahl überschritten, tragen die Kassen nur noch 35 Prozent der
Kosten.
Gesundheitsminister Daniel Bahr wies auch darauf hin, dass in 80 Prozent
aller EHEC-Ausbrüche die Quelle nie gefunden werde. Die Suche dauere an,
Verbraucher sollten sich zur Sicherheit aber weiter an die Warnungen des
Robert-Koch-Instituts, bestimmtes Gemüse nicht zu essen, halten. "Ich kann
noch keine Entwarnung geben", sagte er. Obwohl die Zahl der neu gemeldeten
Erkrankungen rückläufig sei, müsse weiter auch mit Todesfällen gerechnet
werden, sagte er.
## Treffen der Gesundheits- und Verbraucherminister
In Berlin wollen heute die Gesundheits- und Verbraucherminister von Bund
und Ländern über Strategien zur Eindämmung des gefährlichen Darmkeims
beraten. Zu der Sonderkonferenz wird auch EU-Kommissar Dalli erwartet. Laut
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) soll auch über Koordination und
Kooperation der zuständigen Stellen gesprochen werden. Kritik am Vorgehen
der Behörden wies er aber zurück.
Der Bundestag berät am Freitag auf Antrag der Grünen in einer Aktuellen
Stunde über das EHEC-Krisenmanagement. Wie eine Sprecherin der
Grünen-Bundestagsfraktion am Dienstag mitteilte, wurde die Debatte für
16.00 Uhr angesetzt. Vor einer Sitzung der Grünen-Fraktion übte deren
Vorsitzende Renate Künast scharfe Kritik an der Bundesregierung wegen des
bisherigen Umgangs mit der Krise. "Das EHEC-Krisenmanagement dieser
Regierung ist miserabel, es findet schlecht oder gar nicht statt", sagte
sie.
## Künast übt harsche Kritik am Krisenmanagement
Die Verbraucher würden verunsichert, die Wissenschaft werde allein
gelassen, kritisierte Künast. Die Bundesregierung habe bisher keine
Anlaufstelle für Verbraucher eingerichtet. "Das wäre aber der normale
Service", sagte Künast, die früher Verbraucherschutzministerin war.
"Ordentliches Management würde heißen, dass sowohl für die Gesundheit der
Menschen als auch für die Kontrolle von Lebensmitteln, Transportmitteln und
Gerätschaften ein systematischer Kontrollplan aufgelegt wird." Zudem hätte
"längst Personal aufgestockt und ein gemeinsamer Arbeitsplan aufgestellt
werden müssen". Ähnliches forderten auch die Verbraucherpolitikerin Ulrike
Höfken (Grüne) und der Sprecher der Verbraucherzentralen, Gerd Billen.
Der Chef des Robert Koch-Instituts, Reinhard Burger, wies den Vorwurf
zurück, das Institut sei mit zu wenig Personal im Einsatz gewesen, räumte
aber ein, bisweilen nicht schnell genug gewesen zu sein. "Wir hätten
manches noch rascher transparenter machen sollen. Aber die Ereignisse
überschlagen sich, alle Mitarbeiter sind extrem gefordert und man kann
nicht alles gleichzeitig machen", sagte er der Passauer Neuen Presse.
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Heinz
Lanfermann, warf insbesondere der Grünen-Fraktionschefin Renate Künast
Parolen "unter Stammtischniveau" vor. Künast hatte der Regierung miserables
Agieren gegen Ehec vorgehalten. "Frau Künast wirkt wie jemand, der neben
dem Heuhaufen steht, in dem andere etwas suchen, und dann kluge Sprüche von
sich gibt", sagte Lanfermann. Er verwies auf die Schwierigkeiten bei der
Suche nach dem EHEC-Erreger. Er habe bislang noch keine konkrete Vorwürfe
gegen das Krisenmanagement gehört, bei denen nachvollziehbar gewesen wäre,
dass tatsächlich etwas falsch gelaufen sei.
## Das Ausland blickt auf Ehec-Deutschland
EU-Gesundheitskommissar John Dalli forderte die deutschen Behörden zu einer
engen Zusammenarbeit mit ausländischen Experten auf. "Wir müssen auf die
Erfahrung und die Expertise in ganz Europa und sogar außerhalb Europas
setzen", sagte Dalli der WELT.
Unterdes hat China gründlichere Gesundheitskontrollen für Reisende aus
Deutschland angeordnet. Um ein Übergreifen der Darmerkrankungen auf China
zu verhindern, wurden die Behörden angewiesen, bei der Einreise auf die
Körpertemperatur und den Gesundheitszustand aus Deutschland kommender
Personen zu achten. Reisende, die an Übelkeit, Erbrechen, Durchfall oder
Fieber leiden, wurden aufgefordert, sich bei den Behörden zu melden.
8 Jun 2011
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