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# taz.de -- Vorwurf der Verschleppung: Der Magdeburger Gurkenkrimi
> Erst nach Tagen untersuchte das Gesundheitsamt Magdeburg Lebensmittel aus
> dem Kühlschrank einer mit Ehec infizierten Familie. Und fand die
> befallene Gurke.
Bild: Tiefer Blick in die Gurke: Neue Erkenntnisse über Ehec – oder doch nic…
BERLIN taz | Die Behörden in Magdeburg haben bei der Suche nach dem
Ehec-Erreger der aktuellen Erkrankungswelle Zeit verloren. Obwohl ein Labor
dem örtlichen Gesundheitsamt bereits am 25. Mai die Infektion einer Familie
bestätigt hatte, nahm es erst fünf Tage später Proben von Lebensmitteln der
Kranken.
Darunter war auch der Gurkenrest aus einer Mülltonne, der positiv auf den
im Moment grassierenden Keim O104 getestet wurde. Das sagte Behördenleiter
Eike Hennig am Donnerstag der taz.
Zeit spielt eine große Rolle dabei, weitere Ansteckungen und möglicherweise
Todesfälle zu verhindern. Je früher die Behörden die Quelle des Keims
finden, desto schneller kann sie trockengelegt werden. Zwischen dem 12. und
22. Mai wurden laut Robert-Koch-Institut (RKI) täglich bis zu 138 weitere
Erkrankungen festgestellt. Bisher sind dem RKI 26 Menschen gemeldet worden,
die nachweislich an Ehec oder dem auch von diesem Bakterium ausgelösten
hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) starben.
## Statt Kühlschrank nur Supermarkt durchsucht
Doch manche Gesundheitsbehörden vor Ort schöpften zumindest anfangs nicht
alle Möglichkeiten aus, um dem Keim auf die Spur zu kommen. Zwar ließen die
Magdeburger nach eigenen Angaben am Tag des ersten Ehec-Befunds in ihrer
Stadt die betroffene Familie befragen. "Sie bejahten, dass sie Tomaten,
Blattsalat und Gurken gegessen hatten", erklärte Amtsleiter Hennig.
Aber die Ermittler besorgten sich Hennig zufolge zunächst keine Proben etwa
aus dem Kühlschrank der Familie. Stattdessen hätten sie am 26. Mai zwei
Supermärkte untersucht, in denen die Erkrankten eingekauft hatten. Erst am
30. Mai nahmen sich die Lebensmittelkontrolleure den Kühlschrank der
Familie vor - nachdem das Sozialministerium per Erlass in Ehec-Fällen dazu
aufgefordert hatte, wie Hennig berichtet.
Dennoch meint der Behördenchef: "In Magdeburg ist überhaupt nichts
verschleppt worden." Die Proben "häuslicher Lebensmittel" von Erkrankten
seien potenziell kontaminiert von den Infizierten - "durch Händekontakt".
"So eine Probe hätte uns nicht weitergebracht bei der Ursachensuche."
## "Erreger könnte auf Gurkenrest übergegangen sein"
Für diese Argumentation könnte sprechen, dass Experten den Fund auf dem
Gurkenrest als wenig hilfreich bewerten. "Mindestens genauso wahrscheinlich
wie eine Infektion der Familie durch die Gurke ist, dass der Erreger von
den Infizierten zum Beispiel über andere Lebensmittel oder Küchentücher in
den Mülleimer gelangte und dort auf das Gurkenstück überging", sagte Holger
Paech, Sprecher des Sozialministeriums von Sachsen-Anhalt.
Doch wenn die Familie den Keim auf die Gurken übertragen hat, warum waren
dann alle anderen Lebensmittelproben aus dem Haushalt Ehec-negativ? Darauf
weiß Hennig keine Antwort. Es sei eben sehr unklar, wie sich der Erreger
ausbreite.
## 160 mehr Erkrankte als am Vortag
Wie dringend die Ursachensuche ist, zeigt die Zahl der Erkrankten. Sie
steigt weiter. Laut RKI sind seit Anfang Mai 2.808 Menschen an HUS oder
Ehec erkrankt. Das sind 160 mehr, als die Behörde am Vortag gemeldet hatte.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt weiterhin davor, rohe Tomaten,
Gurken und Blattsalate zu essen. Niedersachsen rät zudem von Sprossen ab,
um Infektionen zu vermeiden. Wer sich an diese Empfehlungen hält, muss nach
Ansicht von Ernährungsexperten trotzdem keine zusätzlichen Vitaminpräparate
einnehmen. "Es gibt ja immer noch genügend Obst- und Gemüsesorten, die ohne
Bedenken verzehrt werden können", sagte Isabelle Keller, Sprecherin der
Deutschen Gesellschaft für Ernährung, der Nachrichtenagentur dpa.
9 Jun 2011
## AUTOREN
Jost Maurin
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