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# taz.de -- Taktik der deutschen Fußballerinnen: „Viele orientieren sich an …
> Die Assistenztrainerin des deutschen Nationalteams beobachtet die Gegner
> und entwickelt die Taktik. Ulrike Ballweg im Gespräch über Spielertypen
> und Spielsysteme.
Bild: Dieser Arm gibt das System vor. Assistenztrainerin Ulrike Ballweg und Lir…
taz: Frau Ballweg, lassen Sie uns über Taktik sprechen.
Ulrike Ballweg: Sehr gerne.
Das ist derzeit kein großes Thema, oder?
Das ist so, da darf man sich nichts vormachen. Bei einem so großen Event
ist es eher unüblich, viel über Taktik zu diskutieren.
Kanada hat im Eröffnungsspiel überraschend offensiv agiert, aber Nigeria
wird sich gegen Deutschland sicher hinten reinstellen. Sie haben im Vorfeld
versprochen, dass die deutsche Mannschaft einen „technisch hochklassigen,
temporeichen Offensivfußball“ spielen wird. Wie soll das gehen?
Wir gehen immer davon aus, dass die Gegnerinnen uns keinen Raum geben
wollen, um Tempo aufzunehmen und ins Rollen zu kommen. Wir rechnen damit,
dass die gegnerischen Teams tief stehen und die Räume eng machen werden und
deshalb muss man sich diese Freiräume eben durch noch mehr Laufwege
erarbeiten. Darauf sind wir physisch vorbereitet, wir können neunzig oder
auch 120 Minuten hohes Tempo gehen. Und wir haben den Spielerinnen die
taktischen Möglichkeiten an die Hand gegeben, sich auch gegen tief stehende
Abwehrreihen durchzukombinieren.
Hat sich in an diesem Punkt der Frauenfußball in den vergangenen Jahren am
stärksten verändert? Immer mehr Mannschaften können gut gegen den Ball
arbeiten und sehr organisiert und kompakt stehen.
Ja, das ist in der Breite sehr viel besser geworden. Die Entwicklung im
athletischen Bereich war in den vergangenen zehn Jahren phänomenal. Wenn
ich als spielerisch unterlegene Mannschaft bestehen will, kann ich nicht
durch Forechecking und frühes Stören den Gegnerinnen die Räume hinter der
Kette öffnen. Da muss vor allem das Zentrum gut besetzt sein und das
Abwehrdrittel gut stehen, um aus dieser Kompaktheit schnell nach vorne zu
spielen. Das ist ein probates Mittel, gegen stärkere Mannschaften zu
agieren.
Das ist mit extrem viel Laufarbeit verbunden. Wie haben sich da die Zahlen
verändert in den vergangenen zehn Jahren?
Vor zehn Jahren war es noch nicht möglich, die exakten Laufstrecken zu
ermitteln. Die aktuellen Daten sind vergleichbar mit den Werten der Männer.
Also bis zu 15 Kilometer im Spiel?
Ja, zwischen 12 und 15 Kilometern, das variiert je nach Position.
Das würde bedeuten, dass das Spiel ohne Ball und vor allem das Spiel gegen
den Ball im Spitzenbereich schon nahezu auf dem Niveau der Männer ist?
Ja, das kann man sagen. Das liegt daran, dass mittlerweile viele
Nationalteams unter Vollprofibedingungen trainieren können. Wenn man
achtmal die Woche trainieren kann, steht man physisch natürlich besser da
als mit vier Einheiten.
Besteht die Gefahr, dass der Frauenfußball – gerade auf höchstem Niveau –
an seinen eigenen Fortschritten erstickt?
Finde ich nicht. Spiele wie Brasilien gegen Deutschland oder USA gegen
England, das sind hoch attraktive Spiele.
Bei manchem Spitzenspiel, zuletzt in den Finals des DFB-Pokals oder der
Champions League, konnte man den Eindruck gewinnen, dass sich die
Mannschaften gegenseitig so perfekt neutralisierten, dass kaum mehr ein
Offensivspiel zustande kam. Droht eine bleierne Zeit wie im Männerfußball
der 90er Jahre?
Die Gefahr sehe ich nicht, dass die Spiele langweiliger werden. Weil gerade
die Spitzenmannschaften gleichzeitig Strategien entwickeln, um das
aufzubrechen. Wir haben uns athletisch, technisch und taktisch
weiterentwickelt. Außerdem gibt es im Frauenfußball ganz viele Typen, eine
Marta, eine Abby Wambach oder eine Kelly Smith, eine Birgit Prinz oder eine
Kim Kulig: Die können alle einem Spiel ihren Stempel aufdrücken, ein Spiel
entscheiden, diese Neutralisierung aufheben.
Marta ist wahrscheinlich die beste Fußballerin aller Zeiten.
Ja.
Ist Marta im Zeitalter der flachen Hierarchien ein Auslaufmodell?
Solche Spieler oder Spielerinnen, die den Unterschied ausmachen, sind immer
zeitgemäß. Es gibt Spielerpersönlichkeiten, die sind auf dem Platz anders.
Wenn es die nicht mehr gibt, dann haben wir einen Einheitsbrei. Wie man sie
positioniert, ist eine ganz andere Geschichte. Aber die Brasilianerinnen
haben mit Marta den Vorteil, wenn es eng wird, ihr den Ball geben zu
können, und diese Marta hat dann eine Idee, wie es weitergehen kann.
Heutzutage wird diese gegenseitige Neutralisierung vor allem mit
Kurzpassspiel auf engstem Raum aufgebrochen.
Ja, aber bei den Männern können das auch nur Spanien und der FC Barcelona
perfekt. Das ist natürlich auch bei uns das Ideal, das ist Fußball, da
träumt man von. Aber in der Praxis ist das bei uns auch nicht anders als
bei den Männern: Es gibt Mannschaften, die können das ganz gut, andere eben
nicht, weil sie nur vier oder fünf solche Spielerinnen haben, die meistens
im Offensivblock zu finden sind. Aber darauf muss ich als Trainerin meine
Taktik ausrichten: Wenn ich weiß, dass ich hinten ein paar habe, die nicht
die filigransten sind, müssen wir eine Strategie benutzen, die darauf
ausgerichtet ist, die Offensiven möglichst in Ballbesitz zu bringen, damit
sie diese Philosophie umsetzen können.
Welche Mannschaft wird bei dieser WM dem spanischen Ideal am nächsten
kommen?
Von den Spielerinnentypen, von den Möglichkeiten her, könnten die
Japanerinnen diesem Ansatz am ehesten entsprechen. Die haben ein Gefühl
dafür, sich in die Lücken zu bewegen, immer anspielbereit zu sein, mit
einem Kontakt weiterzuspielen und sofort wieder in die Lücken zu gehen. Die
haben dafür das Problem, dass sie weniger robust und durchsetzungsstark
sind als andere.
Sie sind im DFB-Team für die Gegneranalyse zuständig, Sie haben wohl den
besten Überblick darüber, welche taktischen Systeme wir bei der WM zu sehen
bekommen.
Viele orientieren sich mittlerweile an unserem 4-2-3-1. Das wird ganz oft
zu sehen sein, mit vielen verschiedenen Varianten: Die eine Mannschaft
interpretiert das eher als ein 4-1-4-1, die andere als 4-3-3, je nachdem
wie offensiv die beiden äußeren Mittelfeldspielerinnen agieren. Aber es
wird auch weiterhin ein 4-4-2 geben. Oder das klassische 4-3-3, das bei den
Skandinavierinnen sehr beliebt ist, aber die wechseln auch gern mal
innerhalb eines Spiels ihr System.
Das 4-3-3 kennen Sie gut, seit Sie in den Neunzigerjahren ein Praktikum bei
Ajax Amsterdam gemacht haben.
Ja, damit kenne ich mich aus.
Die Philosophie der Holländer ist, dass alle Mannschaften von der Jugend
bis zu den Erwachsenen dasselbe System spielen: 4-3-3. Lassen Sie deswegen
schon die Jugendmannschaften des DFB im 4-2-3-1 spielen?
Das ist schon 1996 eingeführt worden, als Tina Theune Nationaltrainerin
war.
Kann das dazu führen, dass die Spielerinnen unflexibel werden?
Nein, dieses System hat extrem viele Variationsmöglichkeiten. Das fängt an
bei den Positionswechseln in der Offensive oder wie die beiden Sechser
ausgerichtet sind. Es gibt Typen von Sechsern wie Kim Kulig, die sind
extrem offensiv, andere sind defensiver. Es gibt auf den Außenbahnen Typen
wie Kerstin Garefrekes, die sehr gut nach hinten arbeitet, aber dafür
vielleicht nicht die filigranste Technik haben wie eine Lira Bajramaj.
Durch die verschiedenen Spielerinnentypen können wir innerhalb des Systems
sehr variabel agieren und sind dadurch nicht leicht auszurechnen. Und die
Spielerinnen laufen ja auch nicht mit Scheuklappen durch die Gegend oder
haben nur Schema F im Kopf.
Bei den Männern gab es in der Vergangenheit immer wieder Vorwürfe aus der
Nationalmannschaft, dass in der Liga nicht modern genug gespielt würde. In
der Frauenfußball-Bundesliga spielen manche Mannschaften sogar noch mit
Libero.
Wir würden es sehr gerne sehen, dass in der Bundesliga alle Mannschaften
mit Viererkette, im Raum und mit dem 4-2-3-1 agieren. Aber wir können
keinem Trainer vorschreiben, welches System er spielen lässt. Aber
natürlich ist es wichtig, nicht nur gegnerorientiert zu arbeiten, sondern
ball- oder raumorientiert.
28 Jun 2011
## AUTOREN
Thomas Winkler
Thomas Winkler
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