# taz.de -- WM-Fieber in der Frauenfußball-Hauptstadt: Frauen, Fußball, Frank… | |
> Am Donnerstag ist das erste WM-Spiel in Frankfurt. Ob auf der Fanmeile | |
> oder in der Eintracht-Kneipe – die Stadt ist schon im WM-Fieber. | |
Bild: Die Fanmeile beim Eröffnungsspiel in Frankfurt | |
FRANKFURT taz | Mehr Platz ist wirklich nicht am Mainufer. Dicht gedrängt | |
stehen die Menschen, um einen Blick auf die Leinwände zu erhaschen. Die | |
ersten ziehen bereits frustriert ab, um anderswo zu gucken. | |
Ganz vorne nur Pixel, hinten Baum im Blick. Glücklich, wer früh genug hier | |
war und nun eine gute Sicht hat. Anders als bei der WM 2006 gibt es nur am | |
Sachsenhäuser Ufer eine Fanmeile, und die Leinwände sind auch diesmal nicht | |
mitten im Main aufgebaut. | |
Nein, nein, den Ansturm unterschätzt habe man nicht, versichert Thomas | |
Waldherr. Zufrieden blickt er vom Pressezentrum auf das Gedränge. Er ist | |
bei der Stadtverwaltung für die PR-Arbeit der WM zuständig. Seine | |
Botschaft: Frankfurt ist die Hauptstadt des Frauenfußballs. Die Stadt der | |
wichtigste Spielort der WM, das Finale und ein Halbfinale werden hier | |
stattfinden. | |
Doch Waldherr weiß noch mehr zu erzählen: „Lotte Specht hat hier in den | |
zwanziger Jahren den ersten Damen-Fußballclub Deutschlands gegründet, | |
Steffi Jones ist von hier und Nia Künzel. Und natürlich haben wir mit dem | |
1. FFC das erfolgreichste deutsche Frauenteam überhaupt“, sagt er. Immerhin | |
mehr als zehn Millionen Euro lässt sich die Stadt das kosten – „Das Herz | |
des Frauenfußballs“, wie die Imagekampagne heißt, soll danach noch höher | |
schlagen. | |
Marcel Fröhls sind Zahlen gleich. „Frauen, Männer, egal. Hauptsache | |
Deutschland!“, sagt er. Deutschlands Symbol ist die schwarz-rot-goldene | |
Fahne, und davon hat er die größte. Fünf mal drei Meter misst sie. Davor | |
kickt sein Freund Martin Bergemann mit einem Ball herum, ein wenig | |
desorientiert ist er schon, das Bier aus dem Bollerwagen ist immerhin schon | |
ausgetrunken. Den Ball muss er auch gleich wieder abgeben, denn der | |
Kameramann hat genug Bilder von ihm in Aktion gemacht. Die Fotos kommen | |
später auf die Webseite der Stadt. Damit auch wirklich jeder erfährt, dass | |
man hier in Frankfurt fußballspielende Frauen zu schätzen weiß. | |
## „Viel fairer und ehrlicher“ | |
Zum deutschen Auftaktspiel, das in Berlin stattfindet, sind 15.000 Menschen | |
gekommen. Sie wollen die Frankfurter Stars sehen, die nun für Deutschland | |
spielen: Kerstin Garefrekes, Birgit Prinz, Nadine Angerer. Nirgends, so | |
finden hier viele, ist die WM für Deutschland so sehr ein Heimspiel wie in | |
dieser Stadt. | |
So denken auch Uwe und Brigitte Poch. Sie stehen mit ihren | |
schwarz-rot-goldenen Mützen, Trikots und Gesichtsfarben in der Menge. Auch | |
als im Spiel nicht das Geringste los ist, machen sie mit ihren Rasseln so | |
viel Lärm, als könnten sie allein die deutsche Mannschaft in Bewegung | |
bringen. Die gelangweilte Bemerkung ihres Nebenmanns („Die stellen sich an | |
wie die Männer“) quittieren die Mittvierziger mit einem verächtlichen Blick | |
– und einer Erhöhung der Drehzahl ihrer Rasseln. | |
Selbstverständlich hat das Ehepaar seit Langem Karten für alle vier | |
WM-Spiele in der Stadt. Selbst würden sie zwar nicht spielen, erzählt | |
Brigitte Poch, aber Frauenfußball sein „doch einfach toll“. „Viel fairer | |
und ehrlicher“, schreit Uwe Poch ihr zu. In diesem Moment fällt das 1:0. | |
Ausgerechnet Kerstin Garefrekes, ihre Kerstin Garefrekes hat getroffen, und | |
für die Pochs gibt es kein Halten mehr. Johlend fallen sie sich in die | |
Arme. | |
Außer Fassung ist auch Erika Iffert. Aber aus anderen Gründen: Der Ansturm | |
in ihrer Kneipe, die nur ein paar hundert Meter von der Fanmeile entfernt | |
ist, hat sie überwältigt. „Das habe ich nicht erwartet“, ruft sie in den | |
Lärm hinein und guckt entgeistert nach draußen, wo sich die Leute um den | |
Röhrenfernseher unter der Markise drängen. | |
Ungläubig schüttelt sie ihren roten Lockenkopf. Nicht, dass Fans ihr fremd | |
wären: „Mogks Bierstubb“ ist eine bekannte Kneipe von Eintracht-Fans. Aber | |
Frauenfußball als Publikumsrenner? „Sogar die Bierbank haben eigenhändig | |
rausgetragen und die da sitzen in der Einfahrt“, sagt die Wirtin. | |
Gemeint sind die Schwestern Nadine und Isabel Seiboth mit ihren | |
Freundinnen. In der Einfahrt haben sie gerade ihre Picknickdecke | |
ausgebreitet, als das zweite Tor fällt. Nadine Seiboth prostet ihrer | |
Schwester zu – sie strahlt und ruft: „Lass uns auch ein Fußballteam | |
gründen!“ | |
## Auch der Stadtteilverein feiert | |
Ihre Begeisterung wirkt ansteckend, die anderen fünf Frauen sind sofort | |
einverstanden, obwohl wenige von ihnen zuvor je ein Frauenfußballspiel | |
gesehen haben. „Ich wollte schon so lange spielen, aber ich hab mich | |
irgendwie nie getraut“, sagt Nadine Seiboth. Das wird sich jetzt ändern, | |
denn ihre Freundin Steffi Eschenbrenner plant schon weiter: „Wir spielen | |
dann sonntags im Park und Martin fragen wir als Trainer an!“ Das wird „eine | |
schöne Schoppenmannschaft“, freuen sie sich. | |
Falls Martin nicht trainieren oder trinken will, wären die Frauen auch beim | |
TSG 51 willkommen. Einmal quer durch die Stadt, in Eschersheim, feiert der | |
kleine Stadtteilverein das Eröffnungsspiel im rustikalen Vereinsheim. Ein | |
paar Tische sind zur zweiten Halbzeit noch frei. „Es ist viel weniger los | |
als bei der Männer-WM „, sagt Bettina Feige. Sie grinst und fügt hinzu: | |
„Weil die Mädels alle in Berlin sind.“ Auch ihre Tochter ist dort. Der | |
Exodus ist allerdings nur temporär, in den letzten Jahren gibt es einen | |
„absoluten Zulauf“ bei den Mädchenteams, sagt Bettina Feige stolz. | |
„Und die Damen sind gerade aufgestiegen.“ An den Wänden hängt eine | |
großformatige Karikatur einer Fußballspielerin. Das soll nicht darüber | |
hinwegtäuschen, dass man es hier ernst meint mit den Frauen: Schon seit | |
1970 können die hier trainieren. | |
Die Frankfurter Frauenfußball-Tradition, zu der neben dem 1. FFC auch die | |
in den neunziger Jahren sehr erfolgreiche, inzwischen aufgelöste | |
Frauenabteilung des FSV Frankfurt gehört, lässt Mark Holz unbeeindruckt. | |
Ihm ist das noch alles viel zu brav. Das Spiel ist vorbei und er schlendert | |
über den Holbeinsteg in Richtung Bahnhofsviertel. „Die können einfach nicht | |
aus sich herauskommen“, beschwert er sich über die weiblichen Fans auf der | |
Fanmeile. Seine Bekannte Ulrike Heidrich hingegen ist zuversichtlich: „Das | |
fängt langsam an“, sagt sie: „In den K.-o.-Runden werden auch die Frauen | |
ausfallend.“ Sie kennt das von den Spielen vom 1. FFC. | |
„Das gilt auch für die Türken“, ergänzt Nazim Alemdar. Der fehlende | |
Autokorso nach dem Sieg heiße gar nichts. „Wenn es später im Turnier um was | |
geht, dann werden die türkischen Frauen nicht zu halten sein.“ Die seien | |
viel versessener aufs Feiern als ihre Männer, weiß der Betreiber eines | |
Spätkaufs. Damit die auch wirklich bald das Turnier für sich entdecken, | |
hilft Alemdar nach: Vor seinem Laden in der Münchener Straße hat er als | |
Einziger schon jetzt schwarz-rot-goldene Fanartikel ausliegen. | |
29 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Lena Kampf | |
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