# taz.de -- Sendeplatz der Frauen-WM: Darf's ein wenig mehr sein? | |
> Die Weltmeisterschaft läuft versteckt im Vorabendprogramm. So lässt sich | |
> kein Event kreieren. Drei Erfahrungsberichte. | |
Bild: In Frankfurt ist Stimmung. Bei Ihnen auch? | |
## Man vergällt mir diese WM! | |
Ja, ich schaue Fußball. Oft, gerne und auch wenn es langweilig ist. Und | |
nicht erst seit der Heim-Weltmeisterschaft 2006. Angefangen hat es mit | |
Rainer Bonhof und seinen Einwürfen. Also schon ziemlich lange. Und ich bin | |
eine Turnier-Seherin. | |
Die Möglichkeit, völlig fremden Teams von Anfang bis Ende zuzuschauen und | |
mitzufiebern, ist einfach unwiderstehlich. Um so größer ist jetzt mein | |
Frust. Seit einer Woche wird wieder im Land gespielt und ich darf meiner | |
Passion nicht folgen – trotz Live-Übertragung im TV und im Netz. Aber nicht | |
das Wo, sondern das Wann ist entscheidend. | |
Um 14 Uhr und um 18 Uhr wird übertragen, mal abgesehen von ein paar | |
Ausnahmen. Was für ein Quatsch. Wer auch immer dann zuschauen kann, ich | |
jedenfalls nicht. Höchstens mal ein Häppchen, aber das ist gerade für | |
Frauenfußball völlig unzureichend. Die Besonderheit dieses Sports lässt | |
sich doch erst entdecken, wenn man dem Treiben eine Weile folgen kann. | |
Das Spiel hat einen anderen Rhythmus, nicht die körperliche Härte, sondern | |
die Eleganz der Spielzüge machen die Attraktivität aus. Und den Unterschied | |
zwischen Frau und Mann auf dem Platz. Die frühen Spielzeiten gehen aufs | |
Konto der Fifa. Sie ist schuld, mal wieder. Und den Öffentlich-Rechtlichen | |
war es wohl sehr recht, dass sie in der Primetime keinen Frauenfußball | |
zeigen mussten. | |
Somit vergibt dieser mächtige Männerverein Fifa die große Chance, | |
Frauenfußball in Europa nach vorne zu bringen, und vergällt mir den Spaß am | |
Turnier. Zwischen Dienstende, Einkauf, Kinder, Haushalt, Abendessen bleibt | |
einfach zu wenig Platz für Marta und ihre Freundinnen. | |
Das kleine nationale Zugeständnis, die Deutschen spielen um 20.45 Uhr, | |
tröstet ein echte Turnier-Seherin wenig. | |
FRAUKE SCHIRMBECK ist taz-Chefin vom Dienst und Event-Guckerin. | |
## Bloß gut, dass nichts los ist! | |
Oh, wie ist das schön, dass bei der Frauenfußball-WM gerade nicht so ein | |
großer Trubel herrscht. Nicht alles künstlich voller Schwarz-Rot-Gold, | |
nicht so viel Kommerz- und Werbetheater. Das Land steht weder kopf noch | |
still, sondern es gibt einfach nur schöne Spiele, und die meisten Menschen | |
bleiben ganz entspannt dabei. Der Sport ist Sport und steht als solcher im | |
Mittelpunkt und ist eben kein Anlass für eine Massenhysterie. | |
Wenn ich mit meiner Tochter zum Public Viewing im Biergarten auf dem | |
ehemaligen Flughafen Tempelhof oder vor den Kiosk mit Großleinwand in der | |
Nachbarschaft gehe, ist dort immer noch ein Platz frei. Wir müssen nicht | |
wie im letzten Jahr schon eineinhalb Stunden vorher um jeden Zentimeter | |
Sitzplatz kämpfen. Auch die Stimmung ist jetzt ganz relaxed und nicht so | |
künstlich aufgeladen. | |
Fällt ein Tor, müssen wir nicht zwangsläufig mit aufspringen, weil wir | |
sonst nichts mehr sehen können, sondern können ruhig sitzen bleiben. Meine | |
sechsjährige Tochter hat sonst die Tore nie sehen können, weil die Leute | |
vor uns immer viel größer waren als sie. Trotzdem gibt es auch jetzt | |
gelegentlich Szenenapplaus aus dem Publikum und dazu mehr oder weniger | |
fachkundige Kommentare. | |
Zugegeben: Meine Tochter vermisst den Trubel vom letzten Jahr, und sie | |
vermisst auch als eine der Wenigen das nervige Getröte der Vuvuzelas. Im | |
Übrigen werden wir uns wohl daran gewöhnen müssen, dass es bei der Flut der | |
Sportgroßereignisse mit Olympia, Männer-WM und -EM, Handball-WM und | |
Frauen-Championat nicht jedes Mal so ein großes Theater möglich ist. Früher | |
war nur alle paar Jahre ein Ausnahmezustand, und jetzt soll er jeden Sommer | |
sein? Zumindest mir ist das zu viel. Und offenbar auch vielen anderen. | |
SVEN HANSEN ist Asien-Experte der taz und sein Lieblingssport ist Segeln. | |
## Das Fernsehen ist doch ratlos! | |
Von einer Dienstreise am Mittwochabend wieder zurück. Den Rest der | |
„Kulturzeit“ gesehen. Aber dieses TV-Journal für die feuilletonistisch und | |
zeitgeistig interessierten Menschen hat nichts, wirklich gar nichts zum | |
Thema Frauenfußball zu sagen. Nix zu Lesben, zu Frauen und Bällen, zu | |
Leidenschaft, Blutgrätschen und Kulturkritik. | |
Das ist umso bedauerlicher, als mein Informationsbedürfnis auch nach der | |
„Tagesschau“ nicht gestillt ist. Okay, dortselbst gab es vorm Wetter und | |
nach der Griechenlandkrise zumindest die Resultate der zwei Tagespartien. | |
Aber dann? Nichts. Kein WM-Schwerpunkt, nicht mal abendliche | |
Zusammenfassungen. Kein Sonderstudio mit ExpertInnen, kein Waldi, auch | |
keine Anne Will, die man doch hätte ausleihen können für diese WM: Will | |
kommt doch aus dem Sportjournalismus. | |
Im ZDF endet gerade die Partie Australien gegen Brasilien. Auch dort kartet | |
keiner mit Info-Formaten nach. Weshalb aber werden die guten bis | |
exzellenten Nachmittags- und Vorabendquoten nicht in den Abend hinein | |
verlängert? Wieso hat man (und frau) sich nicht getraut, den Tag bis in den | |
späten Abend hinein mit Fußball zu füllen? | |
Die öffentlich-rechtlichen Abende fühlen sich an, als existierte diese WM | |
nur als Nebenereignis: Das aber ist eine sträfliche Verkennung des | |
Interesses. Offenbar hat das Publikum ein heftiges Interesse, sobald es um | |
Sportliches geht. Also um das live-hafte Dabeisein, wenn es um Sieg oder | |
Niederlage, um Qualifikation oder Scheitern geht. Das funktioniert selbst | |
bei Disziplinen wie olympisches Curling: ARD und ZDF wissen, dass dieses | |
Eiswischen einen hohen Identifikationsfaktor aufweist, weil es nicht ums | |
Wischen und Wienern geht, sondern um Zählbares, also um Sport. | |
Diese Frauen-WM wird von ARD und ZDF stiefväterlicher behandelt, als es | |
nötig wäre. In Wahrheit könnten sie tatsächlich frühsommermärchenhafte | |
Quoten auch in den späten Stunden des Tages erzielen. Oder fehlte es an | |
Kompetenz, an Frauen und Männern, die die Themen ausgraben, die neben dem | |
Informatorischen von Belang sind? Etwa: Spielerinnenporträts (und nicht | |
allein die Deutschen); oder der Frage nachzugehen, ob ein Team, das im | |
Sinne der sexual diversity aufgestellt ist, bessere Leistungen bringt als | |
Nigeria? | |
Das Fernsehen ist ratlos. Präsentiert doch endlich die WM als WM – nicht | |
als Vorabend-WMchen! | |
JAN FEDDERSEN ist „Kapitän“ des taz-WM-Teams und Primetime-Junkie. | |
2 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
F. Schirmbeck | |
J. Feddersen | |
S. Hansen | |
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