# taz.de -- Personenraten beim FC Büderich: Wer schaut hier eigentlich wem zu? | |
> Die Nationalmannschaft bringt internationales Flair in die tiefste | |
> deutsche Provinz – und wird dafür mit der hemmungslosen Hingabe von mehr | |
> als 2.000 Fans belohnt. | |
Bild: „Drunter und drüber in Büderich“: Auch Simone Laudehr scheint sich … | |
MEERBUSCH taz | Ein etwas älterer Herr ist fassungslos. „Es geht ja drunter | |
und drüber in Büderich“, sagt er. Ein anderer ähnlichen Semesters befindet, | |
so viel sei hier schon lange nicht mehr los gewesen. Die nahende Ankunft | |
des deutschen Nationalteams versetzt den Ort, der zur Gemeinde Meerbusch | |
zählt, in helle Aufregung. Ein Menschenstrom nimmt Kurs auf die Anlage des | |
FC Büderich 02. Vorbei an einer Pferdekoppel zielstrebig in Richtung des | |
Klubhauses, wo Schilder mit der Aufschrift „Public Entrance“ den weiteren | |
Weg weisen. Internationaler Flair auf der Sportanlage des Bezirksligisten. | |
Es wäre der ausdrückliche Wunsch der Nationalspielerinnen gewesen, das hier | |
sowieso angesetzte Training öffentlich abzuhalten, betont man beim | |
Deutschen Fußball-Bund (DFB). Das Team wolle „Danke“ für die großartige | |
Unterstützung sagen. Eigentlich ist die Gemeinde Meerbusch nicht unbedingt | |
ein prädestinierter Ort, um Volksnähe zu zeigen. Prozentual gemessen leben | |
hier die zweitmeisten Einkommensmillionäre in Nordrhein-Westfalen. Aber es | |
war ja „ein spontaner Entschluss“, wie der DFB verkündete. | |
Ingo Budde, der graubärtige Geschäftsstellenleiter des FC Büderich 02, der | |
nervös an einer Kippe zieht, kann es mit einem Blick auf den Computer | |
präzisieren: „Um 21.52 Uhr am Vorabend haben wir aus Düsseldorf die Mail | |
mit dieser Information bekommen.“ In der Landeshauptstadt auf der anderen | |
Rheinseite logiert derzeit das Team von Silvia Neid. Sofort habe man noch | |
am späten Abend 20 Leute für die Organisation dieses größten Tages in der | |
Vereinsgeschichte engagiert. „Das ist eine große Ehre für unseren Verein. | |
Schließlich gibt es uns ja erst seit neun Jahren und andere Klubs hier in | |
der Umgebung gibt es schon seit hundert Jahren.“ | |
## „Die wollten gar nicht in die Kabine“ | |
Budde ist der Mann für die Schlüssel. Von hektischen Helfern werden immer | |
wieder neue eingefordert. Der Schlüssel für den Materialraum, für Kabine | |
zwei, für Kabine drei. „Die Brasilianerinnen, die hier auch trainiert | |
haben“, erzählt Budde, „die wollten gar nicht in die Kabine. Die haben sich | |
auf der Tribüne umgezogen.“ An diesem Tag ist die Tribüne jedoch | |
proppenvoll und die Menschenmasse weitet sich stetig in den Kurvenbereich | |
aus. | |
Auf 2.000 Zuschauer wird später die Anzahl der begeisterten | |
Trainingsbesucher geschätzt. Was sie zu sehen bekommen, ist recht | |
schmucklos. Stereotype Passübungen über wechselnd einzunehmende feste | |
Positionen. Die Dauerläuferin Melanie Behringer, die aufgrund ihrer | |
Bänderdehnung nicht an den Ball darf und eine Runde nach der anderen um den | |
Platz dreht. Dann immerhin noch ein Trainingsspielchen auf einem klein | |
abgesteckten Spielfeld mit großen Toren. Unzählige Treffer fallen. Das | |
Publikum beklatscht brav jeden einzelnen. Frauenfußball gibt es hier | |
ansonsten nie zu sehen. „Wir haben einfach keine Plätze mehr dafür, wir | |
sind völlig ausgebucht“, erklärt Ingo Budde. | |
Es ist eine puristische Atmosphäre. Höchst konzentriert absolvieren die | |
Spielerinnen ihr Programm. Sie haben wohl die Anweisung erhalten, den | |
Blickkontakt mit der Tribüne zu meiden. Das Büdericher Publikum hört | |
vornehmlich das dumpfe Geräusch getretener Lederbälle. Kein unterhaltender | |
Moderator am Mikrofon, keine Musik, nichts. | |
## Keine Nummern auf den Hemden | |
Langeweile kommt aber dennoch nicht auf. Im Publikum ist man mit | |
Personenraten beschäftigt. Schließlich haben die Nationalspielerinnen | |
dieses Mal keine Nummern auf ihren Hemden. Die letzten offenen Fragen | |
können bestimmt bei der Autogrammstunde nach dem Training geklärt werden. | |
Die Wertschätzung von Frauenfußball, das spürt man selbst im kleinen | |
Büderich, stößt in neue Dimensionen vor. Man mag noch nicht so ganz | |
vertraut sein mit den Frauen, denen man jetzt ganz fest die Daumen drückt, | |
aber der eigenen Leidenschaft tut das keinen Abbruch. | |
Die in den WM-Stadien obligatorische Welle wird auch hier in der Peripherie | |
von Düsseldorf geprobt. Von der Kurve bis zur Haupttribüne und wieder | |
zurück. Doris Fitschen, die Managerin der Nationalmannschaft, und das im | |
DFB für Frauenfußball verantwortliche Präsidiumsmitglied Hannelore | |
Ratzeburg sind begeistert. Jeden Moment dieser WM wollen sie genießen, | |
haben beide schon mehrfach bekundet. Da durften sie natürlich in Büderich | |
nicht fehlen. Sie wenden sich dem Publikum zu und klatschen. Immer wieder | |
blicken sie auf die Tribüne. Wer schaut hier eigentlich wem zu? | |
3 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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