# taz.de -- Chinesische Delegation in Deutschland: Geschäfte mit Schwerhörigen | |
> Chinas Ministerpräsident ist erfolgreich in Deutschland unterwegs. Es | |
> werden Milliardenverträge unterzeichnet. Nur beim Thema Menschenrechte | |
> gibt es eine Panne. | |
Bild: Menschen … was? Die Technik setzte aus, als das Thema Menschenrechte zu… | |
BERLIN taz | Es ist eine Panne mit Symbolkraft: Als die Bundeskanzlerin bei | |
der Pressekonferenz mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao | |
nach der Unterzeichnung milliardenschwerer Wirtschaftsverträge berichten | |
will, wie sie über Menschenrechte gesprochen hat, versagt offenbar Wens | |
Kopfhörer. | |
Der 68-Jährige fummelt an dem Gerät herum, aus dem die Übersetzung kommen | |
soll. Angela Merkel hält inne. Wen hantiert weiter an dem Gerät, dann | |
scheint er zu verstehen. Wieder spricht die Kanzlerin über Menschenrechte. | |
Wieder fummelt Wen an dem Gerät, das bis zu diesem Thema reibungslos | |
funktioniert hatte. Schließlich bekommt er ein neues Gerät. | |
Die Kanzlerin erzählt im dritten Anlauf, dass sich die Bundesregierung über | |
die Freilassung des Künstlers Ai Weiwei und des Bürgerrechtlers Hu Jia | |
gefreut habe. Aber jetzt erwarte sie im Falle von Ai Weiwei auch ein | |
transparentes Verfahren. Wen Jiabao hört sich alles regungslos an, bis das | |
nächste Thema an die Reihe kommt. | |
Während in den letzten Monaten die Repression in China zugenommen hat, | |
gehen beide Regierungen mit dem strittigen Thema Menschenrechte inzwischen | |
sehr routiniert um. Die deutschen Vertreter sprechen das Thema an, weil es | |
eine kritische Öffentlichkeit von ihnen erwartet. Die Chinesen haben das | |
inzwischen verstanden, verhalten sich aber am liebsten wie Schwerhörige. | |
## China wird Partnerland der Hannover-Messe | |
Dafür freuen sich die chinesische Delegation und die deutschen | |
Wirtschaftsvertreter über die Verträge im Gesamtumfang von 10,6 Milliarden | |
Euro, wie Wen erklärt, darunter der Verkauf von 88 Airbus-Jets, den Bau | |
zweier Autofabriken von VW und eines Chemiekomplexes von BASF. Des Weiteren | |
wurde vereinbart, dass China 2012 Partnerland der Hannover-Messe wird und | |
Deutschland in Shenyang, der Hauptstadt der wichtigen Nordostregion, ein | |
weiteres Konsulat eröffnet. | |
In einer gemeinsamen Erklärung wird als Ziel definiert, bis 2015 das | |
bilaterale Handelsvolumen von derzeit 130 Milliarden Euro auf 200 | |
Milliarden anzuheben. Wen hält gar eine Verdoppelung für möglich, fordert | |
aber gleichzeitig, China als Marktwirtschaft anzuerkennen. Das macht es für | |
EU-Staaten schwieriger, Antidumpingverfahren gegen China vor der | |
Welthandelsorganisation einzuleiten. | |
Mit verschiedenen wirtschaftlichen Drohungen im Vorfeld des Besuches hat | |
China aber selbst demonstriert, dass es eben noch keine Marktwirtschaft | |
ist, sondern Wirtschaftsaufträge gern als Druckmittel einsetzt und immer | |
wieder nach politischen Kriterien vergibt. Als Erfolg dürfte die deutsche | |
Seite werten, dass sie in der gemeinsamen Erklärung ein Bekenntnis zur | |
Rechtsstaatlichkeit wie zur Wahrung der Menschenrechte durchgesetzt hat und | |
eine Fortsetzung und Intensivierung des bilateralen Rechtsstaatsdialogs | |
vereinbart wurde. | |
Am Ende der Pressekonferenz stand ein Reporter der TV-Satiresendung Extra 3 | |
auf, um Wen eine Katze made in China mit Winkarm zu schenken, in dem ein | |
Knüppel steckte. "Milliarden für die Wirtschaft, Knüppel für die | |
Menschenrechte!", rief der Journalist. Wen schien auch ohne Kopfhörer zu | |
verstehen, drehte sich um und ging mit Merkel hinaus. | |
28 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
## TAGS | |
China | |
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