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# taz.de -- 90 Jahre Kommunistische Partei Chinas: Gott feiert Geburtstag
> "Wenn Mao bei uns ist, schmeckt jedes Essen gut." Die Volksrepublik
> feiert seine KP, der "Rote Tourismus" in China boomt. Für kritische
> Stimmen bleibt da wenig Platz.
Bild: Verkleidet als Soldatin der Volksbefreiungsarmee: Touristin posiert vor e…
JINGGANGSHAN/NANCHANG/YANAN taz | "Von Nord nach Süd nimmt die Revolution
Formen an - Bauernaufstände überall" ertönt es aus den Lautsprechern des
Freiluft-Theaters. "Wenn Mao Zedong bei uns ist, schmeckt jedes Essen gut",
jubelt ein Chor. Rote Fahnen wehen, Kanonendonner grollt, Verwundete sinken
danieder, die Rebellenarmee marschiert. Rauch wabert zwischen
Laser-Blitzen, blutrot steigen Hammer und Sichel zum nächtlichen Himmel
auf.
"Jinggangshan" heißt die Schau und so heißt auch die Bergregion in der
südchinesischen Provinz Jiangxi. Rund 600 Laien stellen allabendlich die
Geschichte der Bauernarmee der Kommunistischen Partei Chinas nach, die in
den zwanziger Jahren von hier aufbrach, um 1949 in Peking anzukommen. Kurz
vor dem neunzigsten Geburtstag der KP sind besonders viele Zuschauer dabei.
Aus ganz China pilgern Betriebsgruppen, Parteizellen und Veteranen zu den
"heiligen Stätten der Revolution".
Die Partei nutzt das Fest, um an ruhmreiche Zeiten zu erinnern.
Propaganda-Chef Li Changchun rief dazu auf, die Gesellschaft zur "Liebe zur
Partei, Liebe zur Nation und Liebe zum Sozialismus" zu erziehen. Die Medien
wies er an, "eine dichte Atmosphäre der Feierlichkeit und Leidenschaft, der
Freude und des Friedens, der Einheit und des Fortschritts, der Entwicklung
entsprechend wissenschaftlicher Erkenntnisse" zu verbreiten.
In den Schulen proben junge Pioniere "rote Lieder", Studenten preisen die
Errungenschaften der KP. Im Radio und im Fernsehen laufen "rote" Serien,
die an die heroischen Kämpfe gegen Kapitalisten, Feudalherren und die
japanischen Invasoren erinnern. In Kinos läuft der Film "Glorreicher
Parteiaufbau".
## Bauer spielt Rebellensoldaten
In Jinggangshan, einer armen Gegend zwischen grünen Hügeln und Reisfeldern,
freut sich Bauer Zhong Weihua darüber. Am Tage arbeitet er auf dem Feld, am
Abend schlüpft er in die Rolle eines Rebellensoldaten. "Das ist ein guter
Job", sagt der Mittdreißiger. Der "Rote Tourismus" verschafft ihm ein
Zubrot. Pro Aufführung erhält er umgerechnet 1,80 Euro, mit denen er die
rund 200 Euro aufbessert, die er monatlich mit Landarbeit und
Hilfstätigkeiten verdient. Und so wirft er sich abends in die blaugraue
Uniform mit Ballonmütze und rotem Stern und fährt mit dem Moped zum
Stadtrand, wo die Besucher aus den Bussen klettern.
Unter den "Roten Touristen" befindet sich an diesem Montag auch
ausländische Journalisten. Fünf Tage lang werden sie die "heiligen Stätten"
der Partei, der Armee und der Nation besuchen. Das Informationsbüro des
Außenministeriums hat die Fahrt organisiert. Sie soll, sagt dessen Leiter,
Liu Hang, den ausländischen Medien "ein positives Bild der KP" und einen
Eindruck davon vermitteln, "welche Kraft hinter dieser Partei steht".
Wie gelingt es der KP, nach über sechzig Jahren Alleinherrschaft immer noch
über 1,3 Milliarden Chinesen zu regieren und dabei nicht durch
oppositionelle Bewegungen gefährdet zu sein? Wie konnte es dazu kommen,
dass die KP ihr verarmtes Reich nach Jahrzehnten politischer Experimente
mit Millionen Toten und verheerender Planwirtschaft in ein
staatskapitalistisches Wirtschaftswunderland verwandelte? Heute ist die KP
die größte politische Organisation der Welt mit mehr als 80 Millionen
Mitgliedern, darunter Geschäftsleute und Multimillionäre. Die
Klassenkampforganisation Maos verwandelte sich in das Rückgrat der
ChinaGmbH.
## Nur die Besten werden aufgenommen
Auch der Journalisten-Begleiter und Diplomat Bi Haibo gehört dazu, schon
als 19jähriger trat er bei: "Wenn man in China etwas bewirken will, dann
geht man in die KP", sagt er. "Bedenken Sie: Viele Chinesen sehen es als
Lebenstraum an, Mitglied zu werden. Aber nur die Besten werden aufgenommen,
denn es müssen die Besten sein, die das Volk führen". Der Beweis dafür, das
die KP "auf der richtigen Seite der Geschichte" stehe, "liegt doch auf der
Hand," und weist auf die modernen Straßen, Hochhäuser und den Industriepark
an der Autobahn. "Alles hat die Partei aufgebaut."
Es ist eine Reise in ein paralleles Universum, in der die Geschichte als
unaufhaltsamer Fortschritt erscheint, in der Partei und Nation untrennbar
verbunden sind. "Ohne Kommunistische Partei kein neues China" heißt eines
der Lieder, die derzeit überall ertönen.
Kein Thema hingegen sind die Hungerjahre von 1959 bis 61 mit rund 40
Millionen Toten, die Zerstörungen der Kulturrevolution von 1966 bis 76 und
das Massaker nach den Tiananmen-Demonstrationen 1989. "Warum sollen wir das
zeigen?", frag ein Funktionär, "das würde das Publikum nur verwirren." "Auf
einer Geburtstagsfeier haben solche Dinge nichts zu suchen", sagt ein
anderer.
In dieser Welt existieren die Probleme der Gegenwart nur als
Nebenwiderspruch. Über die Unruhen in der Provinz Guangzhou und andernorts,
bei denen im Mai und Juni Tausende gegen Willkür, Polizeigewalt und
Landenteignungen protestierten, heißt es knapp: "Probleme gibt es in jedem
Land, die kriegen wir in den Griff." Auch Staatsgründer Mao erscheint in
frischem Glanz: Der "Vorsitzende", sagt Zhou Guan, Vizebürgermeister der
Fünf-Millionen-Stadt Nanchang, "hat mehr Verdienste für das chinesische
Volk errungen als jeder Kaiser aus den alten Dynastien."
## Großer Dichter mit kleinen Fehlern
"Ich verehre Mao, weil er das Land geeinigt hat und ein großer Dichter war.
Über seine Fehler kann ich nichts sagen, das steht einem einfachen Mann wie
mir nicht zu", sagt Professor Wang Min, Chef der Elektrofirma Lattice in
Nanchang. Für eine Touristin aus Peking ist "Mao ein großer Mann, weil er
in der ganzen Welt so berühmt ist." Der Händler, der in Jinggangshan
Mao-Statuen aus Gips und Messing verkauft, hält Mao für einen "Gott für
alle Chinesen, so wie es Jesus für Euch Ausländer ist". Nur vereinzelt
hören die "Roten Touristen" kritische Stimmen, wie die eines alten Lehrers,
der seine Rente mit dem Verkauf von Fähnchen und Mao-Tassen aufbessert:
"Mao hat uns nach 1949 viel Unglück gebracht, weil er nichts von Wirtschaft
verstand und nicht auf die hören wollte, die es taten."
Im modernen Flügel des Museums des "Aufstands vom 1. August" in Nanchang
blinken LED-Monitore und Computergrafiken neben Vitrinen mit Fotos, Waffen,
Uniformen und lebensgroßen Skulpturen. Ab 1934 hatten sich Mao und seine
Soldaten auf dem "Langen Marsch" über 6.000 Kilometer nach Nordwesten
durchgeschlagen, bis sie 1935 in der kargen Lößlandschaft von Shaanxi
unweit des Gelben Flusses ankamen. Es war eine verlustreiche Flucht vor den
Regierungstruppen und der japanischen Armee.
Etwa 50.000 Rebellen starben oder blieben verletzt zurück. Die Überlebenden
hausten bis 1948 in den Höhlen von Yanan, von wo aus Mao und seine
Mitstreiter die Eroberung des ganzen Landes vorbereiteten. 1949 gründeten
die Kommunisten in Peking die Volksrepublik China. "Die ganze Nation war in
Blut getaucht", sagt die 23jährige Xiong Chaoyi, die nach ihrem Studium des
Logistik Propaganda-Soldatin und Museumsführerin geworden ist: "Aber die
kommunistischen Rebellen verloren nie ihren Mut."
## Rechtmäßige Aufstände
Auf die Frage, wie sich die in ihrem Museum so gepriesenen Aufstände der
Bauern, Studenten und Arbeiter von heutigen Protesten im Land
unterscheiden, schaut die Führerin hilfesuchend zur Vorgesetzten. Die sagt:
"Das ist nicht zu vergleichen. Damals waren es rechtmäßige Aufstände, die
sich gegen die alte Gesellschaft richteten. Heute ist das anders, heute ist
die KP an der Regierung."
Nur einmal wird es richtig eisig: Die Frage, warum die KP Landsleute wie
den Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, friedliche Bürgeranwälte oder
Künstler einsperrt und gegen eigene Gesetze verstößt. "Diese Leute bedrohen
die Stabilität", antwortet ein Funktionär. "Das können wir nicht dulden."
"Das Geheimnis unseres Erfolgs", sagt drei Tage später der
Vizebürgermeister von Yanan, Zhang Lixin, "besteht darin, dass die Partei
mit der Zeit Schritt hält." Und fügt nach kurzem Zögern an: "Und sie ist
eine Glaubensgemeinschaft."
Auch in seiner Stadt ist vor drei Jahren ein Museum eröffnet worden. Es hat
fünfzig Millionen Euro gekostet. Jetzt hat der Bürgermeister noch einmal
rund 650.000 Euro locker gemacht und einen Künstler aus Peking engagiert,
der eine große Geburtstagsschau inszenieren soll.
## "Ah, Vorsitzender Mao..."
Die "Roten Touristen" von der Parteizelle der Pharmazeuten in der Pekinger
Tsinghua-Universität und ihre Parteikollegen von der Polizei im
südchinesischen Foshan genießen den Ausflug auf Kosten der Partei. Gut
gelaunt stellen sich vor der früheren Mao-Höhle zum Foto auf und erneuern
ihren Parteischwur "ewiger Treue" mit erhobener Faust. Aus den
Buslautsprechern ertönen Rote Lieder: "Ah, Vorsitzender Mao, wir lieben
dich alle so sehr!" Diplomat Bi singt fröhlich mit. "Das tut gut", sagt er,
"diese Texte und Melodien vermitteln doch den Glauben an eine bessere
Zukunft."
"Das sind absurde Zeiten", sagt derweil in Peking Professor He Bing bei der
Abschlussfeier seiner Studenten an der Hochschule für Politik und Recht.
"Sie ermutigen Euch, revolutionäre Lieder zu singen, aber sie wollen nicht,
dass Ihr Revolution macht. Sie ermutigen Euch, den Film "Glorreicher
Parteiaufbau" anzuschauen, aber sie wollen nicht, dass Ihr eine Partei
gründet." Seine Rede verbreitet sich blitzschnell im Internet.
1 Jul 2011
## AUTOREN
Jutta Lietsch
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