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# taz.de -- Chinesische Delegation in Europa: Power-Point für Kommunisten
> In 2.700 Parteischulen und 2.000 Verwaltungsakademien schwört die
> Kommunistische Partei Chinas ihre Kader ein. Ein Besuch in der
> "Exekutiven Führungsakademie".
Bild: Hier wird man ein guter Kommunist: Zentrale Parteischule in Peking.
Sie alle sind Berufspolitiker mit Hochschulabschluss: Premierminister Wen
Jiabao zum Beispiel ist Geologe, Außenminister Yang Jiechi studierte in
Schanghai Sprachen, in England Wirtschaft und Geschichte. Handelsminister
Chen Deming besitzt ein Diplom in Landwirtschaftsmaschinenbau. Das
unterscheidet sie nicht von den deutschen Amtskollegen, auf die sie heute
bei den deutsch-chinesischen Konsultationen in Berlin treffen werden.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen zum Beispiel ist Ärztin, Kanzlerin
Angela Merkel bekanntlich Physikerin.
Was die Besucher aus China von ihren Kollegen unterscheidet, ist das
gezielte und langfristige Training, das die Kommunistische Partei Chinas
ihren Spitzenpolitkern angedeihen lässt. Für ihre politische Ausbildung
sorgt ein dichtes Netz von rund 2.700 Parteischulen und 2.000
Verwaltungsakademien, die jeder führende Kader Chinas regelmäßig besuchen
muss.
Eine von diesen 2.700 Parteischulen liegt in den Jinggangshan-Bergen in der
südchinesischen Provinz Jiangxi: Die "Exekutive Führungsakademie" war vor
sechs Jahren an einem Ort errichtet worden, der heute zu den Pilgerstätten
der KP gehört: In diese Region armer Landleute, von Geheimgesellschaften
und streitenden Clans, hatte sich Mao Tse-tung in den zwanziger Jahren mit
einer kleinen bäuerlichen Rebellentruppe vor der nationalistischen
Regierungsarmee zurückgezogen. Von hier aus wollte er den Klassenkampf in
die Städte tragen - was ihm schließlich nach der Gründung der Volksrepublik
China im Oktober 1949 gelang.
"Revolutionsgeschichte" steht auf dem Programm einer Parteigruppe, die aus
der nordöstlichen Provinz Jilin an der Grenze zu Nordkorea angereist ist.
Es sind Abteilungsleiter und höhere KP-Kader der Justiz und Polizei der
Stadt Changchun, die sich eine Woche lang auf den Geist der
"Jinggangshan-Berge", aber auch auf "Selbstdisziplin" und den "Sozialismus
chinesischer Prägung" einschwören lassen.
## Politische Moral auffrischen
Er wolle seine politische Moral auffrischen, berichtet Teilnehmer Ren
Zhihe. In eine schwarze Trainingshose und ein weißes Poloshirt mit
Adidas-Streifen gekleidet, lauscht er dem Power-Point-Vortrag des Dozenten.
Er fühlt sich allerdings sichtlich unwohl, als er von den Journalisten
gefragt wird, was denn "die größten Probleme" seien, denen er in seinem
Alltag als Parteisekretär in seiner Heimat gegenüberstehe. "Wir machen alle
Anstrengungen, die Situation gut zu regeln", antwortet er ausweichend.
In einem mit hellem Holzfurnier ausgekleideten großen Konferenzsaal
beschreibt der Vizepräsident des Instituts, Zhou Jintang, das Modell seiner
Schule, die im Jahr 2005 neu eröffnet wurde und mit schicken Appartements
für die Kursteilnehmer einem Topkonferenzzentrum in nichts nachsteht. Zu
den wichtigsten Inhalten zählt er neben Parteigeschichte, Parteiaufbau und
nationaler Situation auch Unterricht in praktischen Fächern wie
Personalführung und Management. In den sechs Jahren ihrer Existenz hat die
Schule 561 Kurse veranstaltet, an denen KP-Funktionäre, Manager von
Staatsbetrieben, Verwaltungskader und Offiziere der Armee aus allen Teilen
des Landes teilnahmen. "Dies ist eine gute Möglichkeit für sie, Kontakte zu
knüpfen", sagt Zhou.
Finanziert wird die Schule allein von der KP, geleitet wird sie von einem
Vorstand, in dem 30 Parteisekretäre verschiedener Institutionen sitzen,
darunter auch Vertreter von Staatsunternehmen wie der China Telecom. "Wir
arbeiten daran, dass die Firmen uns finanziell mehr unterstützen", sagt
Zhou.
## Höchst begehrter Aufenthalt
Wer weiter aufsteigt, muss schließlich zur Zentralen Parteischule in
Peking, in der Funktionäre aus KP und Regierung - vielfach vereinigen sie
beide Titel unter einem Hut - vom Rang des Vizeministers an aufwärts
regelmäßig die neue Parteilinie studieren. Ein Aufenthalt hier ist sogar
unter chinesischen Privatunternehmern höchst begehrt, da er Kontakte zu den
wichtigsten Entscheidungsträgern Chinas im ganzen Land ermöglicht.
"Wir gehen mit der Zeit - das ist das Geheimnis unseres Erfolgs", erklärt
Vizepräsident Zhou aus Jinggangshan die erstaunliche Langlebigkeit der
Kommunistischen Partei Chinas, die seit 62 Jahren über die Volksrepublik
regiert und am 1. Juli ihren 90. Gründungstag feiert.
Die Parteischulen sind allerdings nur ein Baustein der Organisation mit
über 80 Millionen KP-Mitgliedern. Es ist ein System, das bis in die letzten
Ecken des Staates reicht:
Ganz unten, an der Basis, empfangen rund 780.000 Dorfparteikomitees ihre
Anweisungen von oben. Um sicherzustellen, dass Vorschriften, Parolen,
Regularien schnell an den Rändern des Landes ankommen, stattete die Partei
ihre Dorfgenossen mit Internet- und Handy-Anschlüssen aus. Stets sind die
Chefs der örtlichen Parteigruppen mächtiger als die Bürgermeister, häufig
vereinigen sie beide Positionen.
Der aktuelle chinesische Regierungsbesuch in Europa fällt in eine Zeit
scharfer interner Debatten in China über die Zukunft des Landes, das
mittlerweile nach den Statistiken zweitstärkste Wirtschaftsmacht der Welt
geworden ist und nun mit den Folgen im In- und Ausland fertig werden muss.
Die Partei bereitet sich auf einen Kraftakt vor: Im Herbst 2012 wird die
Führungsriege der KP ausgewechselt. Bis dahin werden alle Posten in den 31
Provinzen und Metropolen ebenfalls neu besetzt. Der Kampf um Einfluss und
Pfründen hat längst begonnen.
So ist auch die zögernde Antwort des Parteisekretärs aus dem
nordchinesischen Changchun nicht verwunderlich: In solchen Zeiten sagt man
lieber nichts über "Probleme" an seinem Arbeitsplatz, um sich und seine
Kollegen nicht in schlechtem Licht erscheinen zu lassen.
Nicht mehr Klassenkampf, sondern "kleiner Wohlstand für alle" ist das Ziel
der KP, sagt Parteischulen-Vizechef Zhou Jintang. China sei auf dem Weg,
sich in ein "modernes und zivilisiertes Land" zu verwandeln. Zhou: "Bis
Mitte dieses Jahrhunderts werden wir diesen Traum wahr machen."
27 Jun 2011
## AUTOREN
Jutta Lietsch
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