| # taz.de -- Nigerias Nationalmannschaft: Lesben raus! | |
| > Die nigerianische Trainerin bezeichnet weibliche Homosexualität als | |
| > „dreckige Lebensweise“. Diese Meinung teilen die meisten ihrer | |
| > Landsleute. | |
| Bild: Lesben unerwünscht: Marktszene in Nigerias Hauptstadt Lagos | |
| ABUJA taz | Toyosi Alogba spurtet über den asphaltierten Sportplatz in | |
| Ikeja, einem quirligen Stadtteil der Megacity Lagos. Zweimal pro Woche | |
| trifft sich die hochgewachsene Nigerianerin dort zum Kicken. Wenige Tage | |
| vor der WM steht Torschusstraining auf dem Programm. Toyosi Alogba peilt | |
| den Ball an, läuft los und trifft. Sie grinst, denn sie hat es bewiesen: | |
| „Frauen können Fußball spielen“, sagt sie anschließend noch ein wenig au… | |
| Atem. Doch dann kreischt die junge Frau mit den langen, dünnen Zöpfchen | |
| fast ein wenig. „Und ich will den ganzen Männern zeigen: Sie liegen falsch. | |
| Wir sind doch keine Lesben!“, ruft sie über den ganzen Platz. | |
| Viele nigerianische Kickerinnen haben Angst vor dem Stempel „Lesbe“, der | |
| seit einigen Jahren durch die Fußballwelt geistert. Das Vorurteil hat | |
| andere abgelöst, die sich seit Ende der 1980er Jahre um die neu entdeckte | |
| Sportart gerankt haben: Fußballerinnen können keine Kinder bekommen. | |
| Fußballerinnen sind unweiblich. Fußballerinnen wollen bloß ihre Körper zur | |
| Schau stellen. Als es zu viele Gegenbeispiele gab, musste ein neuer Vorwurf | |
| her. Und dieser schmerzt enorm – vor allem junge Spielerinnen, die am | |
| Anfang ihrer Karriere stehen. | |
| Angefeuert hat ihn nun ausgerechnet Eucharia Uche, die Nationaltrainerin | |
| der „Super Falcons“, wie das Frauenteam fast liebevoll genannt wird. Es | |
| gilt als stärkstes auf dem ganzen Kontinent und seit kurzem auch als jenes, | |
| in dem Frauen keine Frauen lieben dürfen. Dafür hat Eucharia Uche angeblich | |
| höchstpersönlich gesorgt: „Lesbische Liebe gehört in unserer Mannschaft der | |
| Vergangenheit an“, wird sie von der nigerianischen Tageszeitung Daily Sun | |
| zitiert, die Uches Geschimpfe über gleichgeschlechtliche Liebe genüsslich | |
| auswalzt. | |
| Diese sei eine gefährliche, hässliche Entwicklung, besonders schlimm seien | |
| die Auswüchse während der internationalen Wettbewerbe gewesen, bei denen | |
| Nigeria die Ehre des eigenen Landes und des ganzen Kontinents retten soll. | |
| In dem darauf folgenden Interview mit der New York Times unterstrich Uche | |
| ihre Haltung: „Ich kann diese dreckige Lebensweise nicht tolerieren.“ | |
| ## „Dann würde ich meinen Job verlieren“ | |
| Die Fußballwelt im einwohnerstärksten Land Afrikas klatscht Beifall. Die | |
| Super-Falken dürfen keine Lesben sein, finden viele Trainer. Seitdem die | |
| Aussagen von Eucharia Uche allerdings in anderen Teilen der Welt für Wirbel | |
| sorgen, mag niemand mehr mit eigenem Namen gegen Homosexuelle wettern. „Ich | |
| weiß nicht, ob es noch lesbische Spielerinnen im Team gibt“, sagt Joy | |
| Nnenna Etim, die bei der Weltmeisterschaft 1999 in den USA selbst zum | |
| Trainerstab gehörte, vorsichtig. „Problematisch ist es, wenn ausgerechnet | |
| die Lesben zu den besten Spielerinnen zählen.“ Ihr Tipp an die amtierende | |
| Trainerin lautet deshalb: „Sie muss den Spielerinnen erklären, dass es eine | |
| Sünde und gegen den Willen Gottes ist. Und sie soll für sie beten, damit | |
| sie damit aufhören.“ | |
| Michael Adebayo, der eigentlich anders heißt, kennt die Vorwürfe nur allzu | |
| gut. Der 30-Jährige aus Lagos nennt sich Aktivist und organisiert für die | |
| Schwulenszene seiner Heimatstadt Partys. „Gerade für eine junge Spielerin | |
| wäre es die Katastrophe und das Ende ihrer Karriere“, schätzt er, „und die | |
| Polizei steht sogar vor der Tür. Nicht auszudenken.“ Adebayo weiß aus | |
| eigener Erfahrung, wie groß die Sorge ist, öffentlich als Schwuler | |
| bezeichnet zu werden. „Dann würde ich meinen Job verlieren, meine Familie | |
| würde mich verstoßen.“ Daher passieren viele Treffen heimlich. | |
| Veranstaltungsorte von Partys kündigt er erst in letzter Minute an und | |
| ändert sie sogar spontan wieder. So will er sichergehen, dass die Polizei | |
| ihm nicht auf die Schliche kommt. „Die nigerianische Gesellschaft ist | |
| einfach sehr homophob. Die Aussagen Uches sind Ausdruck davon.“ | |
| Der Hass auf Homosexuelle zieht sich durch alle Schichten und Kreise. | |
| Besonders gern wettern einflussreiche religiöse Führer, wie der | |
| anglikanische Erzbischof Nicolas Okoh, der meint: „Schwule sind Pädophile.“ | |
| Wütend gemacht hat Nigeria auch die Resolution der Vereinten Nationen, die | |
| die Diskriminierung von Homosexuellen verurteilt hat. Aus Sicht des | |
| einwohnerstärksten Land Afrikas macht sich die UN damit lächerlich. „90 | |
| Prozent aller Afrikaner finden den Vorschlag falsch“, sagte ein Vertreter | |
| Nigerias. | |
| Das spiegelt sich auch in der Verfassung des Landes. In den zwölf | |
| muslimisch geprägten Bundesstaaten im Norden gilt seit Anfang 2000 die | |
| islamische Gesetzgebung, die Scharia. Homosexualität wird dort theoretisch | |
| mit dem Tod durch Steinigung bestraft. Vollzogen worden ist das allerdings | |
| noch nie. In den übrigen Landesteilen droht eine Gefängnisstrafe von bis zu | |
| 14 Jahren. Um das zu ändern, hat sich das Netzwerk „All Out“ gegründet. P… | |
| Internet fordert es die Gleichberechtigung von Homo- und Heterosexuellen. | |
| Seit ein paar Tagen ziert die Homepage nun das Bild von Eucharia Uche. Sie | |
| soll, so wünscht es sich „All Out“, vom Weltfußballverband Fifa endlich | |
| selbst die rote Karte bekommen. | |
| 30 Jun 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Gänsler | |
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