# taz.de -- Frauenfußball bei Berlins Türkiyemspor: Auf dem Prinzessinnenplatz | |
> Das Frauenteam von Berlins Türkiyemspor ist so bunt wie seine Heimat | |
> Kreuzberg. Zu Besuch beim Freundschaftsspiel gegen die Nationalmannschaft | |
> Jordaniens. | |
Bild: „Wir sind die Coolsten!“: Anisa (l.), Zeynep und Karla von Türkiyems… | |
BERLIN taz | 15 Mädchen zwischen 17 und 19 Jahren sitzen in Kabine 7 des | |
Lasker-Sportplatzes in Treptow. „Wir wissen nie, wie viele Mädchen kommen. | |
Aber heute sind fast alle da, und jetzt haben wir sogar ein Trikot zu | |
wenig“, sagt Giovanna, Betreuerin des Frauenteams von Türkiyemspor. Fast | |
alle Mädchen tragen Make-up zum Pferdeschwanz und zuppeln an ihren | |
Strümpfen. Einige sitzen, die Arme um die Knie geschlungen, auf dem Boden, | |
andere breitbeinig auf der Bank. | |
An diesem Tag spielt das erste Frauenteam des Vereins nicht gegen | |
irgendeine Bezirksmannschaft, sondern gegen das jordanische Nationalteam. | |
Dieses hatte im Vorfeld der WM den vom Auswärtigen Amt in Bahrain | |
ausgerichteten Arabia Cup gewonnen und damit eine Woche Trainingslager in | |
Deutschland mit anschließendem Freundschaftsspiel gegen den Kreuzberger | |
Verein Türkiyemspor. Er ist der bekannteste von Migranten 1978 gegründete | |
Fußballverein in Deutschland und Berlins drittgrößter. Seit 2004 wurden | |
vier Mädchen- und ein Frauenteam aufgebaut. Derzeit spielen dort etwa 80 | |
Mädchen Fußball. | |
„Simay, hast du Lust drauf?“, rufen die Mädchen in der Kabine mehrmals im | |
Chor. Simay sitzt in der hintersten Ecke und guckt lustlos in die Runde. | |
„So ist die immer“, sagt Zeynep, die vor lauter Aufregung kaum ruhig auf | |
der Bank sitzen kann. Ersatztrainer Nico spricht zu den Mädchen: „Das Spiel | |
soll vor allem Spaß machen. Aber es geht auch um Ernst. Wir vertreten hier | |
den Verein und einen ganzen Bezirk.“ | |
Anisa, Jessy und Zeynep können es kaum abwarten, auf die Jordanierinnen zu | |
treffen. Doch erst mal müssen sie zum Aufwärmtraining. Die Mittagshitze | |
brennt und die meisten legen sich – statt Liegestützen zu machen – einfach | |
auf den Rasen und witzeln: „Ich bin zu dick dafür.“ | |
## „Wir müssen härter spielen“ | |
Auf der Betontribüne des Platzes haben sich inzwischen etwa 30 Zuschauer | |
eingefunden. „Für unsere Verhältnisse ist es ganz schön voll heute“, | |
lächelt Jutta, die Mutter von Toya, die nicht mitspielen kann, weil sie | |
einen Arbeitsvertrag unterschreiben muss. Zurück in der Kabine, gibt der | |
Trainer die Aufstellung bekannt: „Wir spielen heute 4-2-3-1.“ – „Hä? D… | |
haben wir noch nie gespielt, das musst du uns erklären“, beschwert sich | |
Zeynep. | |
Aber zum Erklären reicht die Zeit nicht. Das Spiel beginnt. Schon nach den | |
ersten Minuten ist klar, dass die Jordanierinnen haushoch überlegen sind. | |
Doch die Türkiyem-Mädchen geben 90 Minuten lang alles, was sie geben | |
können. Wird eine jordanische Spielerin gefoult, schreit Torfrau Jessy: | |
„Entschuldige dich bei ihr, ja?“ Als Anisa ausgewechselt wird, ist sie | |
sauer: „Die spielen immer über links. Dabei war ich rechts die ganze Zeit | |
frei.“ Und Fidelia knurrt: „Wir müssen härter spielen.“ | |
Fidelia stammt aus Togo und hat dort mit den Jungs auf der Straße gekickt. | |
Das Team von Türkiyem ist, so abgedroschen es klingen mag, so bunt wie | |
Kreuzberg. Anisas Eltern sind Deutsche, Mandanas Iraner, Zeynep, Gamze und | |
Sinem haben türkische Eltern, spanische und polnische Mütter gibt es auch. | |
„Die Rolle der Eltern ist sehr wichtig“, betont Giovanna. „Es gibt immer | |
noch Spielerinnen, die heimlich zum Training kommen. Aber es gibt auch | |
Spielerinnen, die uns sagen, dass sie beim Zahnarzt sind, und den Eltern, | |
dass sie trainieren gehen.“ | |
## Frauen-WM gucken sie nicht | |
Zeyneps Vater ist einer von den härteren Fällen. „Er hatte immer was | |
dagegen, dass ich spiele, und hat sich nur ein Mal ein Spiel angeguckt. Die | |
Hälfte der Zeit hat er telefoniert“, erzählt Zeynep. Auf die Frage, ob sie | |
für das deutsche Nationalteam spielen würde, antwortet sie prompt: „Ich | |
würde nicht Nein sagen. Aber hier kommt ja sowieso keiner vorbei.“ | |
Das stimmt nicht so ganz. „Wenn wir ein Talent sehen, dann versuchen wir | |
den Spielerinnen alles zu ermöglichen“, versichert Giovanna. Die kurze | |
Geschichte des Mädchenfußballs bei Türkiyemspor hat schon mehrere Talente | |
hervorgebracht, eine davon ist Hülya Kaya, die in die türkischen U-17- und | |
U-19-Nationalteams berufen wurde. | |
Für die meisten Türkiyemspor-Spielerinnen ist Fußball aber nur ein Hobby. | |
So auch für Asya und Seda, die auf der Tribüne sitzen und ihre Kolleginnen | |
anfeuern. Die Frauen-WM gucken sie nicht: „Nur Männerfußball“. Wenn man s… | |
fragte, würde Asya für das türkische Nationalteam spielen: „Das ist meine | |
Herkunft.“ Seda hingegen für das deutsche: „Hier bin ich zu Hause und füh… | |
mich wohl.“ | |
Türkiyemspor versteht sich nicht als türkischer Verein. Jeder, der Lust | |
hat, Fußball zu spielen, ist willkommen. Murat Dogan, Trainer der Frauen, | |
und die Betreuerin Giovanna kümmern sich rührend um ihre Schützlinge. Das | |
Wort „Integration“, erzählt Giovanna, mögen sie nicht. „Wir wollen die | |
Leute einfach zusammenzubringen.“ Und das ist ihnen auch gelungen. Nach dem | |
Spiel gegen Jordanien verabreden sich die meisten Mädchen zum Essen in | |
Kreuzberg. „So etwas hätte es vor einem Jahr noch nicht gegeben. Die Gruppe | |
ist erst nach einer gemeinsamen Reise nach Israel zusammengewachsen“, | |
erzählt Giovanna. | |
Das Spiel gegen Jordanien endet übrigens 1:9. Das Tor für Türkiyemspor hat | |
ausgerechnet Simay geschossen. Alle jubeln, nur Simay nicht. „Das ist | |
normal. So ist sie immer“, lacht Anisa. | |
13 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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