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# taz.de -- Nach dem Griechenland-Gipfel: Merkels Europa-Zickzack
> Beim Griechenland-Beschluss musste die Kanzlerin erneut Positionen
> räumen. Es ist nichts Neues, dass die Bundesregierung ihre Meinung
> ändert.
Bild: Merkel konnte in Brüssel zwar nicht alles durchsetzen, ist aber trotzdem…
BERLIN taz | Ob man sie absichtlich zwischen den beiden Sorgenkindern
platziert habe, um sie zu disziplinieren? Gerade hat Kanzlerin Angela
Merkel (CDU) erzählt, dass sie beim Mittagessen in Brüssel neben den
Regierungschefs von Griechenland und Portugal saß. Jetzt schüttelt sie kurz
den Kopf und grinst. Nein, die Sitzordnung werde ihres Wissens bunt
gemischt, sagt Merkel. Im Übrigen: "Irland saß weit weg."
Wenigstens nimmt es die Kanzlerin noch mit Humor, dass bei der Eurokrise
jedes Detail eine Nachricht zu sein scheint. Am Freitag stellte sie sich in
Berlin in ihrer Bilanzpressekonferenz den Fragen der Journalisten, sie kam
frisch vom Euro-Krisengipfel in Brüssel. "Bedeutende Ergebnisse" habe
[1][das Treffen der Staats- und Regierungschefs] am Donnerstagabend
gebracht, lobte Merkel die Beschlüsse. "Es ist eine historische Aufgabe,
den Euro zu schützen." Ohne ihn sei Europa nicht denkbar.
Merkel blieb jedoch bei ihrer vorsichtigen Linie. Hatte sie schon vor dem
[2][Gipfel] vor allzu großen Erwartungen gewarnt, dimmte sie auch jetzt
Hoffnungen auf ein Ende der Krise herunter. Nötig sei in Europa ein Prozess
vieler, beherrschter und kontrollierter Schritte. Merkel wandte sich erneut
gegen Lösungen wie einen harten Schuldenschnitt für Griechenland oder
Eurobonds, also gemeinsame Staatsanleihen aller EU-Länder. "Menschlich kann
ich die Sehnsucht nach einem Paukenschlag verstehen, aber politisch ist sie
fahrlässig", sagte Merkel.
Mit der Einigung der Regierungschefs vom Donnerstag ist jetzt klar, dass es
über eine Verlängerung von Staatsanleihen und Zinssenkungen zu einer
sanften Umschuldung Griechenlands kommt. Einen solchen Plan hatte vor allem
Finanzminister Wolfgang Schäuble bevorzugt. Mit ihm hatte Merkel zudem auf
die freiwillige Beteiligung der Banken gesetzt, eine Idee, die sie
durchsetzen konnten. Gleichzeitig darf der EU-Rettungsschirm künftig
Staatsanleihen verschuldeter Staaten aufkaufen, auch die anderer
gefährdeter Länder wie Spanien oder Italien.
## Merkels stete Kurswechsel
Gerade gegen diese Umwidmung hatte sich Merkel bis zuletzt gewehrt. Es ist
jedoch nicht neu, dass die deutsche Regierung Positionen revidieren muss.
Merkels Krisenmanagement nahm in den vergangenen Jahren einen Zickzackkurs.
Als sich Anfang 2009 längst abzeichnete, dass Griechenland seinen
Schuldenberg aus eigener Kraft nicht würde bewältigen können, sagte Merkel,
das Land müsse sich "zunächst selbst helfen". Wenig später musste Merkel
die Griechenlandhilfen durchs Parlament peitschen, die EU bewilligte Anfang
Mai das erste Hilfspaket, wenig später den EFSF-Rettungsschirm.
So ging es weiter. Die deutsche Regierung besteht im April 2010 auf höheren
Zinsen für die Hilfskredite und muss später nachgeben. Im Februar dieses
Jahres bügelt Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) eine Aufstockung des
Rettungsschirms als unnötig ab, im März beschließen die EU-Staaten, dass er
die vollen 440 Milliarden ausleihen darf. Merkel sieht solche Kurswechsel
nüchtern: Man könne angesichts der wechselnden Umstände nicht
"Handlungsmöglichkeiten ein für allemal festlegen", sagt sie. Entscheidend
ist, Hilfen immer mit "Konditionalität" zu verbinden. Heißt übersetzt: Die
EU muss verschuldete Länder erst zum Sparen zwingen, dann notfalls Geld
überweisen.
Was [3][Merkel gestern lieber verschwieg]: Die Neuausrichtung des
Rettungsschirms, der jetzt auch andere gefährdete Länder mit Hilfen
abfedern darf, ist ein Schritt hin zu einer gemeinsamen Schuldenhaftung
aller Staaten - eine [4][Transfer-Union] gilt jedoch vielen innerhalb der
Koalition als Schreckgespenst. Vorsorglich warnte Merkel deshalb ausgiebig
vor einer solchen Transfer-Gemeinschaft. Einen automatischen
Finanzausgleich dürfe es nicht geben. Als Modell für eine weitere
Angleichung politischer Strategien der Staaten nannte die Kanzlerin
stattdessen Vereinbarungen der Regierungen. "Dieser Prozess wird sich
intensivieren."
22 Jul 2011
## LINKS
[1] /Milliardenhilfe-fuer-Griechenland/!74952/
[2] /Ergebnisse-des-Griechenland-Gipfels/!74989/
[3] /Kommentar-Merkels-Europapolitik/!74998/
[4] /Debatte-EU-Schuldenkrise/!74694/
## AUTOREN
Ulrich Schulte
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