# taz.de -- Krise im Euro-Raum: "Deutschland ist der FC Bayern der EU" | |
> Alexander Graf Lambsdorff, Vize-Chef der Liberalen im EU-Parlament, | |
> spricht sich für eine Ausweitung des EU-Rettungsschirms aus. Anders als | |
> die meisten FDP-Kollegen. | |
Bild: "Wir werden wegen unserer Leistungen respektiert, aber populär sind wir … | |
taz: Herr Lambsdorff, wie geht die deutsche Regierung in der Euro-Krise | |
vor? | |
Alexander Graf Lambsdorff: Die Krise brach auf, als es im Euro-Währungsraum | |
kein Verfahren dafür gab, mit einem solchen Schuldenproblem umzugehen. Am | |
Anfang war die Regierung natürlich von der Situation Griechenlands | |
überrascht, und sie war verständlicherweise verärgert über die Tatsache, | |
dass die griechische Vorgängerregierung mit falschen Zahlen operiert hatte. | |
Dieser Ärger ging dann allerdings in eine Lähmung der deutschen Politik | |
über. Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble setzten vor allem die | |
Linie: Die Griechen müssen sparen, also selbst mit dem Problem klarkommen. | |
Merkel sagt, Hilfe müsse an Bedingungen geknüpft sein. Was ist daran | |
falsch? | |
Eine 'Schuld und Sühne'-Rhetorik kommt innenpolitisch gut an. Schließlich | |
gibt es in der Bevölkerung einen großen Widerwillen dagegen, immer mehr | |
Geld für andere Staaten bereitzustellen, was ich auch gut verstehe. Das | |
Problem ist nur: Man kann nicht auf eine solche Rethorik setzen und in | |
letzter Sekunde dann doch Hilfe bewilligen, das verwirrt die Bürger. Und es | |
führt zu Irritationen der anderen EU-Staaten. | |
Wie sehen die Irritationen in Nachbarstaaten aus? | |
Unsere europäischen Partner fragen sich, was Deutschland eigentlich will. | |
Für sie war nicht vorhersehbar, wie Deutschland sich verhalten würde. Die | |
belgische Zeitung Le Soir titelte neulich "Die Deutschland-Krise" - nicht | |
mehr: "Die Griechenland-Krise". Ich habe den Eindruck, es wurde in Berlin | |
zu wenig wahrgenommen, wie substanziell dieser Schaden ist. Deutschland ist | |
so eine Art FC Bayern München der EU ... | |
Wie bitte? | |
Wir werden wegen unserer Leistungen respektiert, aber populär sind wir | |
deshalb nicht, jedenfalls nicht bei allen. Und politisch wird Deutschlands | |
Kurs schon wegen unserer Größe von den anderen immer besonders genau | |
betrachtet. Da ist eine unklare Linie nicht hilfreich. Verunsicherung über | |
den deutschen Kurs bei unseren Nachbarn ist immer gefährlich, da brechen | |
schnell historische Dinge wieder auf, zu Unrecht, klar, aber so ist es nun | |
einmal. Die Bundesregierung hätte ihren Kurs besser begründen müssen. | |
Beim neuen Hilfspaket hat Merkel mit Sarkozy den Kompromiss maßgeblich | |
vorbereitet. Wie wirkt sich das aus? | |
Der Krisengipfel hat die Lage entspannt und die deutsche Isolation beendet. | |
Man kann sagen, Deutschland wurde durch die Initiative der anderen | |
gerettet. Andererseits wurde es so auch möglich, auch deutsche Positionen | |
durchzubringen. Es wurden endlich Kompromisse geschlossen, die über den Tag | |
hinausweisen. | |
Reicht das beschlossene Paket? Oder braucht Griechenland perspektivisch | |
neue Hilfe? | |
Ich hoffe, dass das Paket reicht. Es bannt die Gefahr des | |
unkontrollierbaren Staatsbankrotts, es verschafft dem Land Luft, um aus der | |
Krise herauszukommen. Dabei waren die Verlängerung der Laufzeiten der | |
Anleihen und die Senkung der Zinsen sehr wichtige Schritte. Zudem führt die | |
Beteiligung der Banken - übrigens eine Position der FDP - dazu, dass nicht | |
die Steuerzahler die ganze Last tragen. | |
Der Rettungsschirm EFSF darf jetzt gefährdeten Ländern schon vorab helfen. | |
Eine sinnvolle Umwidmung? | |
Der EFSF wurde endlich mit weitergehenden Rechten ausgestattet. Vorher war | |
er ein Instrument, das Löcher stopfen konnte, wenn sie da waren. Künftig | |
kann er präventiv verhindern, dass Löcher enstehen. Seine Neuausrichtung | |
ist ein Schritt hin zu einem Europäischen Währungsfonds. Einen solchen | |
halte ich für sehr sinnvoll. | |
Sie loben die Ausweitung des EFSF? | |
Dagegen hat die FDP in Deutschland gekämpft. In der Tat hatten wir in der | |
Partei eine lebhafte Diskussion. Es gab Stimmen, die gegen die Ausweitung | |
waren, es gab aber auch Befürworter eines präventiven Elements ... | |
FDP-Chef Rösler hat noch vor einer Woche gesagt, der EFSF dürfe nicht | |
Gläubiger werden, indem er Anleihen kauft. | |
Als Partei der Marktwirtschaft wollen wir in jeder Situation vermeiden, | |
dass ein Staat sich unverantwortlich benimmt, weil er weiß, dass er ohnehin | |
gerettet wird. Die Vermeidung dieses so genannten "moral hazard" ist | |
legitim, deshalb ist richtig, dass der EFSF stark kontrolliert wird. | |
Außerdem gehört es zum Wesen von Verhandlungen, dass man erst Positionen | |
aufbaut, und dann Kompromisse schließt. Das hat Nicolas Sarkozy auch nicht | |
anders gemacht. | |
Bleiben die nationalen Parlamente in der Euro-Krise zu sehr außen vor? Ihr | |
Parteifreund, der Bundestagsabgeordnete Schäffler, befürchtet eine | |
"Kastrierung des Bundestags". | |
In der Tat gibt es im Bundestag fraktionsübergreifend die Befürchtung, die | |
deutsche Regierung mache haushaltswirksame Zusagen für die nächsten Jahre, | |
bei denen das Haushaltsrecht des Parlaments ausgehebelt wird. Diese | |
Mahnungen sind absolut richtig, dieses Recht dürfen sich die Abgeordneten | |
auf keinen Fall nehmen lassen. | |
Was muss passieren? | |
Finanzminister Wolfgang Schäuble täte gut daran, auf diese Kritik | |
einzugehen. Und die Gesetzesverfahren so zu strukturieren, dass der | |
Bundestag umfassend beteiligt wird. | |
25 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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