# taz.de -- Proteste in Spanien: Sternmarsch zieht in Madrid ein | |
> Nach mehr als einem Monat auf der Straße trifft der "Marsch der Empörten" | |
> auf der Puerta del Sol ein. Ein Protest gegen die antisoziale Politik des | |
> Landes. | |
Bild: Die marschierenden Protestler sind nach Wochen in Madrid angekommen - und… | |
MADRID taz | 680 Kilometer, mehr als einen Monat auf der Landstraße - als | |
am Samstagabend die sieben Kolonnen des "Sternmarsches der Empörten" die | |
Puerta del Sol in Madrid erreichen, stehen Manuel aus Vigo die Tränen in | |
den Augen. "Wir haben es geschafft", sagt der 50-Jährige, bevor er seine | |
Kollegen aus dem nordwestspanischen Galicien umarmt. Brais, der | |
Schriftsteller, Sabrina die Medizinstudentin, Ainoa, die Lehrerin, die | |
diesen Sommer ihren Job verloren hat, gehören zu denen, die durchgehalten | |
haben. Braungebrannt, die T-Shirts von der Sonne ausgebleicht, ziehen sie | |
auf der Puerta del Sol ein. Unzählige Menschen erwarten sie. "Ihr seit die | |
Größten", rufen sie und applaudieren. | |
So mancher hat hingeschmissen, neue sind hinzugekommen. Es waren | |
schließlich 200 Menschen, die am Samstag aus dem Nordwesten in Madrid | |
ankamen. In allen sieben Kolonnen kamen insgesamt über 2.000 Marschierer | |
nach Madrid. Auf den letzten Kilometern schlossen sich ihnen Tausende von | |
Madrilenen an. 15.000 bis 20.000 Menschen versammelten sich schließlich an | |
der Puerta del Sol. | |
Es war ein harter, langer Weg: "Ich habe oft gezweifelt, aber irgendwer hat | |
immer wieder meine Moral aufgebaut", erzählt Manuel. Er ist einer von 5 | |
Millionen, die in Spanien keinen Job haben. Unter den jungen Menschen ist | |
die Arbeitslosenquote doppelt so hoch. Manuel bezieht keine Stütze mehr und | |
ist in die Obdachlosigkeit abgerutscht. Die Puerta del Sol im Herzen | |
Madrids ist ein doppeltes Symbol. Hier liegt der "Kilometer null" des | |
spanischen Fernstraßensystems, hier wurde das größte der Protestcamps | |
errichtet, als die "Empörten" am 15. Mai zum ersten Mal unter dem Motto | |
"Echte Demokratie jetzt!" auf die Straße gingen. 15-M heißt die Bewegung | |
deshalb. | |
Es geht um ein gerechteres Wahlsystem und vor allem gegen die antisoziale | |
Politik, mit der Spaniens Regierung die Finanzkrise bewältigen will. | |
Kürzungen beim Arbeitslosengeld, bei den Gehältern im öffentlichen Dienst, | |
der Rente, im Gesundheits- und Bildungssystem, Eingriffe in den | |
Kündigungsschutz. Gleichzeitig wurde die Vermögenssteuer abgeschafft, | |
wurden die Banken mit Milliardenbeträgen unterstützt. Die Schuldner, die | |
ihre Wohnungskredite nicht abbezahlen können, werden auf die Straße | |
gesetzt. 15.000 Familien ereilte dieses Schicksal im ersten Quartal 2011. | |
60 Zwangsräumungen wurden durch Aktionen der Bewegung 15-M verhindert. | |
"Das ist keine Krise, es ist das System!" und "Wir bezahlen eure Krise | |
nicht!" riefen Tausende von Menschen einmal mehr auf der Puerta del Sol. | |
"Sie repräsentieren uns nicht!", sagten sie zu Parteien und Parlament und | |
brachten ihrem totalen Vertrauensverlust zum Ausdruck. "Das ist erst der | |
Anfang", erklärt die 37-jährige Lehrerin Ainoa überglücklich. Während ihre | |
Kollegen auf Grünflächen ihre Zelte aufschlagen, wartet auf Ainoa ein | |
weiches Bett. Sie kommt aus Madrid und schloss sich vor mehr als zwei | |
Wochen den Galiciern an. Für Sonntagabend war eine Großdemonstration durch | |
Madrid geplant. Am 15. Oktober wird weltweit mobilisiert. "Auf nach | |
Brüssel", rufen sie auf dem Platz, trotz müder Beine. | |
24 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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