# taz.de -- Schäubles Steuerabkommen mit der Schweiz: Geld oder Gerechtigkeit | |
> Schäuble will Steuersündern gegen einmalige Zahlungen Straffreiheit und | |
> Anonymität versprechen. Die Opposition ist sauer – eine Blockade im | |
> Bundesrat ist aber unsicher. | |
Bild: Als er noch Innenminister war, interessierte sich Schäuble nicht so sehr… | |
BERLIN taz | Seit die ersten Details über das zwischen Deutschland und der | |
Schweiz geplante Steuerabkommen durchgesickert sind, ist die Empörung der | |
Opposition groß. Was Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) plane, | |
sei eine "Amnestie durch die Hintertür", eine "Belohnung von | |
Steuerbetrügern", kritisiert die finanzpolitische Sprecherin der SPD im | |
Bundestag, Nicolette Kressl. | |
"Dieses Abkommen würde jede Form der Vermögensbesteuerung von Finanzkapital | |
künftig unmöglich machen", warnt der Grünen-Finanzexperte und | |
EU-Abgeordnete Sven Giegold. | |
Der Gegenstand, gegen den sich die Kritik richtet, ist offiziell noch | |
geheim: Unter strenger Vertraulichkeit verhandelt das | |
Bundesfinanzministerium derzeit mit der Schweiz über den Umgang mit | |
deutschen Steuerflüchtlingen. Kürzlich wurden dennoch zentrale Punkte | |
bekannt: Auch in Zukunft sollen die Steuerflüchtigen demnach im Regelfall | |
anonym bleiben dürfen. Und nicht nur das: Gegen eine einmalige Nachzahlung | |
in Höhe von 20 bis 30 Prozent der Anlagesumme soll die Steuerflucht | |
nachträglich legalisiert werden. Für die Zukunft ist dann eine | |
Abgeltungsteuer von 26 Prozent auf die Erträge fällig - die gleiche Summe, | |
die derzeit auch in Deutschland gezahlt wird. | |
## Die Opposition kann das Abkommen verhindern | |
Durch diese Regelung, so argumentieren die Kritiker, würden Menschen, die | |
ihr Kapital bis heute in der Schweiz verstecken, deutlich besser gestellt | |
als ehrliche Anleger oder jene, die sich - etwa unter dem Eindruck der | |
vermehrt aufgetauchten CDs mit Daten von Steuerflüchtlingen – wenigstens | |
selbst angezeigt hatten. Nun ist die Opposition in der glücklichen Lage, | |
dass sie das Abkommen nicht nur kritisieren kann - sie kann es verhindern. | |
Denn nachdem der Text von Deutschland und der Schweiz unterzeichnet ist – | |
nach Auskunft des Finanzministeriums spätestens Ende des Jahres –, muss er | |
in Form eines Vertragsgesetzes von Bundestag und Bundesrat verabschiedet | |
werden. Und im Bundesrat haben Union und FDP derzeit keine Mehrheit. | |
Ob die Länderkammer das umstrittene Vorhaben stoppt, ist dennoch völlig | |
offen. Eindeutig positionierte sich auf taz-Anfrage nur das Land | |
Brandenburg, in dem die Linkspartei den Finanzminister stellt. "Wir lehnen | |
einen solchen Deal ab", sagte Staatssekretärin Daniela Trochowski. Wenn es | |
bei Amnestie und Steuerrabatt bleibe, werde Brandenburg dem Vertrag nicht | |
zustimmen. Die SPD will sich hingegen noch nicht festlegen, obwohl die | |
inhaltliche Kritik in vielen ihrer Länderfinanzministerien geteilt wird. | |
"Wir kennen den genauen Stand der Verhandlungen nicht", sagte Carsten Kühl, | |
Finanzminister in Rheinland Pfalz und Koordinator für die Finanzpolitik der | |
Länder, der taz. "Das schränkt unsere Urteilsfähigkeit ein." | |
## Problem Anonymität | |
Das, was bisher bekannt ist, beurteilt Kühl weniger kritisch als seine | |
Parteifreundin Kressl aus dem Bundestag: Die diskutierten Steuersätze seien | |
"keine schreiende Ungerechtigkeit". Das größte Problem sieht Kühl darin, | |
dass die Steuerflüchtigen weiterhin anonym bleiben sollen. "Dadurch ist | |
Schwarzgeld weiterhin nicht identifizierbar und kann auch in andere Länder | |
verlagert werden." Dass die SPD das Abkommen an dieser Frage scheitern | |
lassen werde, darauf mag sich Kühl dennoch nicht festlegen: "Zu einer | |
absoluten Bedingung für unsere Zustimmung machen wir den Verzicht auf diese | |
Regel derzeit nicht." Zunächst müsse man den genauen Vertragstext kennen. | |
Bis dahin könnte es allerdings zu spät sein: Nach der sogenannten | |
Paraphierung, also wenn Deutschland und die Schweiz den Vertrag erst einmal | |
fertig formuliert haben, sind Änderungen nach Auskunft des | |
Bundesfinanzministeriums nicht mehr möglich: Die Länder können nur ablehnen | |
oder abnicken. | |
Ein Grund für die Zurückhaltung könnte das finanzielle Eigeninteresse der | |
Länder sein: Von den rückwirkenden einmaligen Zahlungen, die auf das | |
Schwarzgeld anfielen - das Bundesfinanzministerium hofft laut Spiegel auf | |
10 Milliarden Euro –, würden die Länder analog zur Einkommensteuer 42,5 | |
Prozent abbekommen. "Ein ordentlicher Betrag", räumt der | |
rheinland-pfälzische Minister Kühl ein. Grünen-Finanzpolitiker Giegold | |
kritisiert diese Haltung scharf: "Die Länder werden sich entscheiden | |
müssen, was mehr zählt - schnelles Geld oder Moral und nachhaltige | |
Steuereinkommen." | |
29 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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