# taz.de -- Europäische Zentralbank interveniert: Das Schlimmste verhindert | |
> Die EZB kauft Staatsanleihen aus Italien und Spanien – und trägt ihren | |
> Teil bei, dass der befürchtete Schwarze Montag ausbleibt. Trotzdem geben | |
> die Kurse deutlich nach. | |
Bild: Genauso geschichtsträchtig wie Griechenland, aber nicht so hoffnungslos … | |
BERLIN taz | Es ist eine weitere Zäsur in der Geschichte der Europäischen | |
Zentralbank (EZB). Sie begann am Montag damit, italienische und spanische | |
Staatsanleihen aufzukaufen. Und es funktionierte: An den europäischen | |
Börsen und auf den Finanzmärkten beruhigte sich die Lage, weil die | |
Investoren den Eindruck gewannen, dass die EZB eine Eurokrise mit allen | |
Mitteln verhindert. Ein schwarzer Montag blieb aus. | |
Vor allem der Druck auf Spanien und Italien ließ nach. Am Freitag hatten | |
die Zinsen für ihre zehnjährigen Staatsanleihen noch bei etwa 6 Prozent | |
gelegen - am Montag waren es nur noch 5,2 bis 5,5 Prozent. Diese Differenz | |
mag marginal wirken, doch für die hoch verschuldeten Länder geht es dabei | |
um Milliarden. Noch immer ist gut in Erinnerung, dass Portugal unter den | |
EU-Rettungsschirm flüchten musste, als die Finanzmärkte Zinsen von 7 | |
Prozent verlangten. | |
Die EZB leitete ihre neue Strategie am Sonntagabend ein, als sich die Chefs | |
der 17 Euro-Notenbanken zu einer Telefonkonferenz zusammenschalteten. In | |
der anschließenden kurzen Erklärung hieß es gleich im ersten Satz: "Die EZB | |
begrüßt die Ankündigungen der Regierungen von Italien und Spanien." Gemeint | |
waren damit die geplanten Sparpakete der beiden Länder. Dieses explizite | |
Wohlwollen war für die Finanzmärkte das klare Signal, dass die Bank | |
italienische und spanische Staatsanleihen aufkaufen würde. | |
Für die EZB war diese Rettungsmaßnahme nicht besonders teuer. Wie Händler | |
schätzen, hat die Notenbank 2 bis 5 Milliarden Euro investiert. Offizielle | |
Statistiken gibt es nicht. Vor allem aber scheint die Ankündigung einer | |
Intervention genügt zu haben, um die gewünschte psychologische Wirkung zu | |
entfalten und die hektischen Investoren zu beruhigen. Zumindest etwas. | |
## Nicht pleite so wie Griechenland | |
Dieser psychologische Trick funktionierte, weil Italien und Spanien nicht | |
wirklich pleite sind. Beide Länder können ihre Schulden bedienen, solange | |
die Zinsen nicht durch panisch agierende Investoren in abstruse Höhen | |
getrieben werden. Allerdings bleibt ein Restrisiko: Die Wirtschaft in | |
Spanien und in Italien stagniert. Zudem wirkt die Regierung Berlusconi | |
nicht wie das Musterbeispiel politischer Rationalität. | |
Trotzdem ist momentan nicht zu erwarten, dass die EZB Verluste verbucht, | |
wenn sie italienische oder spanische Staatsanleihen aufkauft. Italien und | |
Spanien lassen sich nicht mit Portugal oder Griechenland vergleichen, die | |
tatsächlich völlig überschuldet sind und ihre Kredite nicht zurückzahlen | |
können - egal wie niedrig die Zinsen sind. | |
Die EZB hat ihre Kaufaktion allerdings befristet. Sie springt nur ein, bis | |
die EU-Behörde EFSF (der Rettungsschirm) auf den Finanzmärkten aktiv werden | |
kann. Die EU-Regierungschefs hatten am 21. Juli beschlossen, dass der | |
Rettungsschirm künftig die Staatsanleihen bedrängter Länder erwerben kann. | |
Allerdings müssen die Parlamente der 17 Euroländer noch zustimmen. Damit | |
ist jedoch frühestens im September zu rechnen, schon weil viele Abgeordnete | |
im Urlaub sind. | |
Die Bundesregierung unterstützt den Kurs der Notenbank, wie | |
Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) betonte. "Diese Möglichkeit hat | |
die EZB schon länger", sagte er der taz. "Die EZB geht nicht über die | |
jüngsten Beschlüsse des EU-Rats hinaus." Implizit rief Rösler auch seinen | |
euroskeptischen Parteikollegen Frank Schäffler zur Ordnung. Der hatte am | |
Montag eine Sondersitzung des Bundestags gefordert. | |
## Auch die Banken versorgt | |
Zur Beruhigung der Märkte trug auch bei, dass sich die EZB nicht nur um die | |
Finanznöte der angeschlagenen Eurostaaten kümmert, sondern auch deren | |
Banken mit Geld versorgt. Denn der Interbankenmarkt ist weitgehend | |
eingefroren: Viele Kreditinstitute sind nicht bereit, ihr Geld an Banken in | |
Spanien, Italien oder auch Frankreich zu verleihen. Ohne Liquiditätszufuhr | |
wären aber viele Banken sofort pleite, weil sie die Kreditgeschäfte mit | |
ihren Kunden nicht mehr refinanzieren könnten. | |
Die EZB hat daher bereits vorige Woche ein besonderes Programm beschlossen: | |
An diesem Mittwoch können sich alle Banken in den Euroländern für sechs | |
Monate unbegrenzt Geld leihen, wofür der durchschnittliche Leitzins fällig | |
wird. Zudem soll es weitere Liquiditätshilfen mit kürzerer Laufzeit geben. | |
Trotzdem blieben die Märkte nervös – und die in Frankfurt, New York, London | |
und Paris gelisteten Aktien verloren gegen Nachmittag wieder deutlicher. | |
Der Dax hatte am Ende wieder mehr als fünf Prozent verloren (siehe Kasten). | |
8 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
U. Herrmann | |
M. Kreutzfeldt | |
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