# taz.de -- Die Schuldenkrise und die Weltwirtschaft: "Berlusconi kommt zu spä… | |
> Je später das Schuldenproblem angegangen wird, umso teurer wird seine | |
> Lösung. Das sagt Konjunkturforscher Jörg Hinze und prophezeit: Die | |
> Verunsicherung bleibt. | |
Bild: Warten auf eine Lösung der Euro-Schuldenkrise: Börse in Mailand. | |
taz: Herr Hinze, trotz der Herabstufung der USA durch die Ratingagentur | |
Standard & Poors ist der schwarze Montag ausgeblieben. Bleibt die | |
Weltwirtschaft verschont? | |
Jörg Hinze: Ich will nicht unbedingt von einem schwarzen Montag reden. Aber | |
die negative Tendenz der vergangenen Woche hat sich deutlich fortgesetzt. | |
Und das überrascht insofern nicht, als weder in den USA noch in Europa die | |
Grundprobleme überzeugend angegangen werden. | |
Was hätte geschehen sollen? | |
Nehmen wir etwa Italiens Ministerpräsident Berlusconi. Er versprach, einen | |
ausgeglichenen Haushalt bis 2013 vorzulegen. Das geht in die richtige | |
Richtung. Allerdings hat er in den letzten Wochen auch behauptet, dass die | |
italienische Wirtschaft grundsolide sei - und das bei einem Defizit von 120 | |
Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Da werden die Märkte misstrauisch. Das | |
bedeutet, seine Ankündigung kommt zu spät. | |
Was heißt das? | |
Je später die Politiker das Schuldenproblem angehen, umso kostspieliger | |
wird es. Genau das befürchten auch die Märkte. Deswegen wird die | |
Verunsicherung auch in nächster Zeit groß bleiben. | |
Dennoch: Der große Zusammenbruch ist ausgeblieben. | |
Ich habe auch gar nicht damit gerechnet, dass es nun zum großen Ausverkauf | |
von US-Staatsanleihen kommen würde. Chinas Bestände an US-Anleihen liegen | |
bei 1,2 Billionen Dollar. Die können die Chinesen und auch andere Gläubiger | |
nicht eben so verkaufen und sie durch Anleihen von Euroländern mit hoher | |
Bonität ersetzen. So große Volumina sind gar nicht vorhanden. Zudem: Würden | |
China oder andere Länder mit hohen Dollarreserven ihre Anteile auf die | |
Märkte werfen, würde der Kurs dieser Papiere sofort kräftig fallen. Der | |
Wertverlust wäre immens. | |
Die Aufregung um die Herabwertung der USA ist also überzogen? | |
In gewissem Sinne ja. Je nach Ratingagentur gibt es zwischen 20 und 24 | |
Bonitätsstufen. Im Zuge der Finanzkrise ist der Schuldenstand der USA in | |
Relation zum Bruttoinlandsprodukt von 70 auf 100 Prozent gestiegen. Da ist | |
es nur folgerichtig, dass das Land nicht mehr die allerhöchste | |
Bonitätsstufe verdient, zumal die Politiker kein Konzept zur Konsolidierung | |
besitzen. | |
Sind die jüngsten Entwicklungen der Anfang vom Ende des Dollars als | |
Leitwährung? | |
Grundsätzlich hat der Dollar schon jetzt nicht mehr den unangefochtenen | |
Stellenwert. Das Problem ist nur: Was ist die Alternative? Im Moment | |
schwächeln Euro wie Dollar. Und eine dritte Währung, die den Dollar | |
ersetzen könnte, ist nicht in Sicht. | |
Was ist mit Chinas Yuan? | |
Es ist zu wünschen, dass das weltweite Währungssystem auf mehreren Beinen | |
steht. Nur kurzfristig ist damit nicht zu rechnen. Selbst wenn die | |
chinesische Führung den Yuan von heute auf morgen freigegeben würde, müsste | |
sich eine solche Währung erst mal international bewähren. Das aber dauert. | |
Zudem hat die chinesische Führung an einer Freigabe derzeit kein Interesse. | |
Eine kontrollierte Aufwertung: ja. Angesichts der derzeitigen | |
Währungsturbulenzen kann ich mir aber nicht vorstellen, dass die | |
chinesische Führung es riskieren wird, auch den Yuan hektisch hin und her | |
schwanken zu lassen. | |
9 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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