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# taz.de -- Situation an den Börsen: Rohstoffe wenig gefragt
> Die Anleger haben Angst vor einer Wirtschaftsflaute, darum lassen sie die
> Preise für Weizen bis Nickel in den Keller rauschen. Den Produzenten
> bereitet das Probleme.
Bild: Alarm an der Londoner Metallbörse: Mit den Preisen für Nickel, Zinn und…
BERLIN taz | Wohl dem Landwirt, der jetzt ein großes Lager hat. 191 Euro
kostete die Tonne Weizen an der Pariser Börse am Dienstag – im Mai waren es
noch 250 Euro pro Tonne.
Auch an der Frankfurter Börse ging es für Baumwolle, Mais, Sojabohnen oder
Hafer abwärts. "Wer gezwungen ist, sein Getreide sofort zu verkaufen, hat
ein Problem", sagt David Hachfeld von der Entwicklungsorganisation Oxfam.
Große Betriebe könnten meist zumindest einen Teil der Ernte lagern und auf
höhere Preise warten. Im Gegensatz zu Familienbetrieben: "Für die
Kleinbauern sind die Preisrückgänge bedrohlich", so Hachfeld, "weil meist
ihr ganzes Kapital in ihren Feldern steckt." Über Lagerkapazitäten
verfügten sie in der Regel auch nicht, und für Dünger oder Saatgut bekommen
sie keine Kredite.
Die Entwicklung zeige, dass die häufig kritisierte Rohstoffspekulation
keine Einbahnstraße sei, heißt es aus dem Raiffeisenverband. Die
Agrarmärkte würden nun von der allgemeinen Verunsicherung in die Tiefe
gezogen. Das Problem liege in den starken Schwankungen, sagt Hachfeld, weil
die Bauern nicht schnell auf sie reagieren könnten. "Der Weizen steht nun
mal auf den Feldern."
Bei den Verbrauchern kommen die niedrigen Preise erst mal nicht an, schätzt
Guido Seedler vom Deutschen Raiffeisenverband. Die Lebensmittel in den
Regalen der deutschen Supermärkte seien so hoch veredelt, dass die
Rohstoffe an ihren Preisen nur einen geringen Teil ausmachten. Bei einem
Brötchen betrage der Anteil des Weizens am Preis zum Beispiel nur wenige
Cent.
## "Angst vor einem Konjunktureinbruch"
Nicht nur die Agrarmärkte gerieten am Dienstag unter Druck: Auch die Preise
für Blei, Zink und Nickel gaben deutlich nach, teilweise um 10 Prozent.
"Die Preise spiegeln die Angst der Anleger vor einem Konjunktureinbruch
wieder", sagt Peter Buchholz, Leiter des Arbeitsbereichs Rohstoffwirtschaft
der Deutschen Rohstoffagentur (DRA). Es hänge jetzt davon ab, ob die
Politik die Märkte mit Lösungen für die Schuldenkrisen in Europa und den
USA beruhigen könne. An den Fundamentaldaten habe sich schließlich nichts
geändert, gibt Buchholz zu bedenken.
Die Rohstoffmärkte werden seit Jahren von den sogenannten Bric-Staaten -
Brasilien, Russland, Indien und China - bestimmt, denn dort besteht die
höchste Nachfrage nach Metallen, Öl und Holz. So verbraucht allein China
rund 45 Prozent des weltweit angebotenen Aluminiums. Solange dort weiter
Häuser und Bahnstrecken gebaut sowie Autos und Maschinen gekauft würden,
würden auch die Preise für Kupfer und Co hoch bleiben.
Der Rohstoffexperte der Commerzbank in Frankfurt sieht das anders: "Das in
den letzten Jahren so oft wiederholte Mantra ,Das ist nur eine kurzfristige
Korrektur, weil sich die Fundamentaldaten nicht geändert haben' könnte sich
diesmal als falsch erweisen", prognostiziert Eugen Weinberg. Im Gegensatz
zu früheren Korrekturen hätten sich die Rahmenbedingungen verschlechtert.
Der Analyst hat dabei China im Blick, das die Märkte mit einer hohen
Inflationsrate schockte. Bei den Unternehmen kämen kurzfristige Turbulenzen
an den Rohstoffmärkten nicht an, sagt Wilko Specht vom Bundesverband der
Deutschen Industrie. Dort hofft man eine Beruhigung der Börsen. "Eine
Flucht in den vermeintlich sicheren Rohstoffhafen ist für Unternehmen so
ungünstig, wie es ein Kursrutsch infolge einer schwächeren Konjunktur
wäre", hieß es aus dem BDI.
In den Ländern, in denen die Metalle gefördert werden, wirken sich fallende
Preise auf die Steuereinnahmen aus. Ländern wie Peru oder Sambia, die von
einem hohen Kupferpreis abhängen, können das zu spüren bekommen. Allerdings
müssten die Preise dafür längerfristig niedrig bleiben. Auch nach dem
großen Einbruch während der Finanzkrise 2008 hatten sie sich relativ
schnell wieder erholt, weil die Wirtschaft rasch angezogen war, sagt die
Rohstoffexpertin Heidi Feldt. Ein sicherer Hafen sind derzeit einzig Gold
und Platin: Der Goldpreis kletterte am Dienstag auf den höchsten Stand
aller Zeiten.
9 Aug 2011
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
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