| # taz.de -- Korruption in Österreich: Küss die Hand, rechtlich alles sauber | |
| > „Mehr privat, weniger Staat“ - nach diesem Motto eines österreichischen | |
| > Ex-Kanzlers schanzen sich konservative Politiker Millionen zu. | |
| Bild: Gar nicht privat: Kanzler Wolfgang Schüssel mit Ehefrau (r.) 2005 auf de… | |
| WIEN taz | Zuletzt geriet der Abgeordnete Herbert Scheibner (BZÖ, Bündnis | |
| Zukunft Österreich) ins Visier der Ermittler. Als Verteidigungsminister der | |
| FPÖ hatte er 2002 bei der größten Rüstungsbeschaffung der Zweiten Republik | |
| in letzter Sekunde für die Eurofighter - die teuerste Variante - optiert. | |
| Jetzt wurde bekannt, dass er vom Herstellerkonzern EADS in den vergangenen | |
| Jahren regelmäßig Zahlungen bekommen hat. Für Geschäftsanbahnung in einem | |
| arabischen Staat, betont Scheibner, der im parlamentarischen | |
| Verteidigungsausschuss sitzt und zugibt, „dass die Optik nicht die beste“ | |
| sei. Rechtlich aber sei alles einwandfrei. | |
| Es vergeht keine Woche in Österreich, ohne dass ein neuer | |
| Korruptionsskandal ans Licht käme. Erklärungsbedarf hat auch der ehemalige | |
| Generaldirektor der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), Martin Huber, | |
| dessen Frau an einem dubiosen Immobiliendeal beteiligt war. | |
| Ein Gebäude der teilstaatlichen Telekom, deren Chef damals auch im | |
| ÖBB-Aufsichtsrat saß und mit Hubers befreundet war, wurde für 5,5 Millionen | |
| Euro angekauft und wenig mehr als ein Jahr später zum doppelten Preis an | |
| eine ÖBB-nahe Gesellschaft weiterverkauft. Geschädigt: die Republik. | |
| Begünstigt: Leute aus dem staatsnahen Bereich. | |
| Dieses Muster zieht sich durch alle Skandale, die jetzt nach und nach | |
| aufgedeckt werden. Alle haben gemeinsam, dass sie sich während der von | |
| Wolfgang Schüssel, ÖVP, geleiteten Koalition mit der FPÖ bzw. deren | |
| Abspaltung BZÖ, ereigneten. | |
| Für nicht weniger als fünf Minister der Schüssel-Kabinette interessieren | |
| sich die Ermittlungsbehörden. Schüssels Wahlspruch „Mehr Privat, weniger | |
| Staat“ wurde in dieser Zeit so gedeutet, dass Staatsvermögen in private | |
| Taschen von Regierungsmitgliedern und deren Günstlingen umzuleiten war. | |
| ## Sehr knapp überboten | |
| Paradefall ist die Privatisierung der Bundesimmobilengesellschaft (Buwog), | |
| die an ein Konsortium ging, das als Bestbieter gerade 1 Million über dem | |
| besten Mitbieter lag. Bei einer Summe von 960 Millionen Euro ist das | |
| auffällig knapp. Doch die Sache wäre nie näher untersucht worden, wenn | |
| nicht die weltweite Finanzkrise die Constantia, eine kleine Privatbank, in | |
| den Konkurs getrieben hätte. | |
| Die Constantia war am Immofinanz-Konsortium beteiligt, das 2004 den | |
| Zuschlag für den Buwog-Verkauf bekommen hatte. Über deren Bücher wurde man | |
| dann auf die Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberger aufmerksam, | |
| die von Immofinanz fast 10 Millionen Euro Provision kassierten. | |
| Die beiden Lobbyisten kamen im Schlepptau des damaligen Finanzministers | |
| Karl-Heinz Grasser zu fetten Aufträgen. Ihre Namen tauchen bei fast jedem | |
| dubiosen Deal auf. Zuletzt wurde bekannt, dass Hochegger von der ÖBB 2005 - | |
| unter Martin Huber - einen Beratervertrag bekam, der ihm Exklusivität und | |
| fette Honorare zusicherte. | |
| ## Saniert haben sich Manager und Lobbyisten | |
| Huber war von der ÖVP eingesetzt worden, um die traditionelle | |
| sozialdemokratische Vorherrschaft in der Bahn zu brechen und den notorisch | |
| defizitären Betrieb zu sanieren. | |
| Saniert haben sich jedenfalls die Manager und die Lobbyisten. Angesichts | |
| der Millionenbeträge, die Hochegger von Ministerien und staatsnahen | |
| Unternehmen bekam, liegt der Verdacht nahe, dass es aus diesen Zahlungen, | |
| denen oft keine nachweisbare Leistung gegenüberstand, Rückflüsse in | |
| Parteikassen oder Privatschatullen von Politikern erwuchsen. | |
| Das soll ebenso Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses | |
| sein, wie die Umtriebe des ÖVP-nahen Waffenlobbyisten Alfons | |
| Mensdorff-Pouilly, der Politiker und Beamte, die für eine anstehende | |
| Rüstungsbeschaffung maßgeblich waren, auf private Jagdgesellschaften in | |
| sein schottisches Schloss einzuladen pflegte. Bei kleineren Aufträgen jagte | |
| man auf seinem Anwesen im Burgenland. | |
| ## Millionen für ein knappes Gutachten | |
| Aufklärungsbedarf gibt es auch rund um die Bank Hypo Alpe Adria in Kärnten, | |
| die auf Zuruf des damaligen Landeshauptmanns Jörg Haider ungedeckte Kredite | |
| vergab und knapp vor dem Kollaps gewinnbringend an die BayernLB verkauft | |
| werden konnte. | |
| Verdient haben dabei ein paar Investoren, bei denen Insiderwissen vermutet | |
| wird. Ein Provinzsteuerberater erhielt für ein knappes Gutachten sagenhafte | |
| 6 Millionen Euro. Man fragt sich, wer da mitnaschen durfte. | |
| Dass vor allem die Freiheitlichen besonders dreist zulangten, erstaunt den | |
| Politologen [1][Hubert Sickinger, der sich den Ruf als „Korruptologe“ | |
| erworben hat], nicht (Interview). Denn SPÖ und ÖVP, die die Republik seit | |
| dem Krieg regiert haben, können Exregierungsmitglieder mit | |
| Versorgungsposten abfinden. Die FPÖ-Leute hingegen mussten mit beiden | |
| Händen zulangen, wenn sie vorsorgen wollten. | |
| Auf Antrag der Grünen kam der Nationalrat Mitte September, eine Woche vor | |
| Ende der Sommerpause, zu einer Sondersitzung über den „schwarz-blauen | |
| Korruptionssumpf“ zusammen. | |
| ## Kanzler Schüssel fürchtete die Schmach | |
| Exkanzler Wolfgang Schüssel, der noch ein Abgeordnetenmandat der ÖVP hielt, | |
| wollte sich die Schmach der Abrechnung mit seiner Regierung nicht mehr | |
| antun und zog sich wenige Tage vorher aus dem Parlament und der aktiven | |
| Politik zurück. | |
| Vor allem Grasser, der nach dem Platzen der ersten Koalition 2002 zur ÖVP | |
| überlief, wurde von Schüssel bis zuletzt gedeckt, obwohl seit 2003 | |
| offensichtlich war, dass er kein Gespür für Unvereinbarkeiten hatte. Es ist | |
| auch die ÖVP, die bisher alle Versuche, die Parteienfinanzierung | |
| transparenter zu machen, erfolgreich sabotierte. | |
| Deswegen ist sie in den Umfragen deutlich hinter die FPÖ zurückgerutscht | |
| und kann heute nur mit 20 bis 23 Prozent Zuspruch rechnen. So starteten die | |
| schwarzen Spindoktoren letzte Woche einen Entlastungsangriff und wärmten | |
| eine Geschichte auf, wie Kanzler Werner Faymann, SPÖ, die Boulevardmedien | |
| mit Inseratenkampagnen zur Hebung des eigenen Images fütterte. | |
| 27 Sep 2011 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ralf Leonhard | |
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