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# taz.de -- Politologe über Korruption in Österreich: "Es fehlen Kontrolleure"
> in Österreich wurden Skandale einfach ausgesessen, sagt der Politologe
> Hubert Sickinger. Doch jetzt steht die politische Klasse unter enormem
> Druck.
Bild: Eine Hand wäscht die andere: Nicht nur in Österreichs Badezimmern gerne…
taz: Herr Sickinger, hat Sie das gewundert, was an Korruption in den letzen
Monaten alles an den Tag gekommen ist?
Hubert Sickinger: In dem Ausmaß schon. Es ist in den letzten zwei Jahren
ziemlich viel aufgeploppt.
Jahrelang hatte man den Eindruck, die Staatsanwaltschaft schaut weg, wenn
Politiker im Spiel sind. Ist sie aufgewacht, oder ist der öffentliche Druck
jetzt zu groß?
Eine Mischung aus beidem. Sie hat jetzt auch freiere Hand vom Ministerium
her. Früher war es so, dass in Fällen von größerem öffentlichem Interesse,
wenn Politiker oder Parteien beteiligt waren, Berichtspflicht herrschte. Im
Zuge einer Weisungskette konnte da von mehreren Stellen gebremst werden.
Wie sah diese Weisungskette aus?
Das ging von der Staatsanwaltschaft zum leitenden Staatsanwalt, von dort
zum Oberstaatsanwalt, von dort weiter in eine eigene Abteilung im
Justizministerium, von dort ins Ministerbüro und zurück. Jeder konnte
Weisungen geben oder Einsichtsbemerkungen schreiben.
Wenn man sich einen komplizierteren Akt anschaut, dauerte die Sache schon
einige Wochen oder sogar Monate, bis der Staatsanwalt grünes Licht bekommen
hat.
Das hat sich inzwischen geändert?
Seit 2007 gibt es ein Antikorruptionsgesetz, eine
Antikorruptionsstaatsanwaltschaft wurde geschaffen, und die
Strafbestimmungen wurden verschärft. Einen Teil hat man dann 2009 wieder
zurückgenommen.
Weil sich die Intendantin der Salzburger Festspiele beschwert hat.
Schließlich ist es üblich, dass Unternehmen großzügig Karten kaufen und
dann Politiker einladen …
So ist es. Als 2009 die ÖVP das Justizressort von der SPÖ bekommen hat, war
das zunächst ein ungeliebtes Kind, dessen Personal schmal gehalten wurde.
Als dann der Druck größer geworden ist, hat man beschlossen, die doch
auszubauen und mit besseren Kompetenzen auszustatten.
SPÖ und ÖVP haben in über 60 Jahren die Republik untereinander aufgeteilt
und können so ausscheidende Regierungsmitglieder mit ausreichend
Versorgungsposten abfinden. Die FPÖ kann das bisher nicht bieten. Ist das
ein Grund, warum die meisten Korruptionsfälle in diesem Lager zu finden
sind?
Ja, da dürfte schon was dran sein. Wenn man weiß, man hat nur wenig Zeit,
geht man schon besonders rücksichtslos und, im Nachhinein betrachtet, dumm
vor.
Vieles hat ein "Geschmäckle", ist aber nicht verboten.
Das ist das Grundproblem. Skandale werden einfach ausgesessen. Ich denke da
an Exfinanzminister Karl-Heinz Grasser, der sich seine Homepage mit 283.000
Euro von der Industriellenvereinigung finanzieren ließ und dann für
Vorträge Honorare von 7.000 Euro kassiert hat.
Das ist im Grunde alles unvereinbar. Dann hat er versucht, die Voestalpine
an seinen ehemaligen Arbeitgeber Frank Stronach zu verkaufen. Das wurde
verhindert, weil Voestalpine es an die Öffentlichkeit brachte.
Wieso gibt es keine Rücktrittskultur?
Parteien, die lange an der Regierung waren, wissen auch, dass sie solche
Fälle hätten. Nicht unbeträchtliche Teile der Parteienfinanzierung laufen
in einer unkontrollierbaren Grauzone. Parteifunktionäre lernen, am Rande
der Legalität zu operieren. Die Hemmschwelle, sich selbst was Gutes zu tun
und mit abzukassieren, ist stark herabgesetzt.
Warum ist die Gesetzeslage in Österreich denn so lasch?
Die Gesetze werden von Abgeordneten beschlossen, die sehr strikt an der
Leine ihrer Parteien hängen. Für die Wiederwahl sind sie auf diese
angewiesen. Faktisch sind die wenigsten an Gesetzgebung interessiert, viel
weniger als in Deutschland. Der Schwerpunkt ist die Wahlkreisbetreuung.
In Deutschland ist immer wieder das Bundesverfassungsgericht
dazwischengefahren und verlangte Offenlegung von Spenden. In Österreich
fehlen Kontrolleure.
Aber die Stimmung für eine Gesetzesänderung war noch nie so günstig wie
jetzt?
Seit Herbst 2009 ist Bewegung reingekommen. Die politische Klasse steht
unter Druck - wie noch nie.
27 Sep 2011
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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