# taz.de -- Merkel und die Eurokrise: Demonstrative Gesten | |
> Bundeskanzlerin Angela Merkel versucht in Brüssel Stärke und Gelassenheit | |
> zu zeigen. Doch im EU-Parlament war man nicht so angetan von ihrem | |
> Besuch. | |
Bild: Alles im Griff: Angela Merkel und José Manuel Barroso. | |
BRÜSSEL taz | Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament | |
hat Angela Merkel bei ihrem Besuch am Mittwoch nicht überzeugt: "Ich bin | |
enttäuscht, weil sie weiterhin darauf besteht, dass die Wirtschafts- und | |
Währungspolitik von einem Exklusivenclub der Regierungschefs gemacht wird", | |
sagte Rebecca Harms nach ihrem Treffen mit der deutschen Bundeskanzlerin. | |
Angela Merkel war gestern zu Besuch in Brüssel – erst bei der Europäischen | |
Kommission, dann im Parlament. | |
Sie sei gekommen, um zeigen, dass Deutschland "die Europäische Union | |
stärken will", erklärte Angela Merkel nach ihrem Gespräch mit | |
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Der war auch ganz zahm, | |
bedankte sich bei der Kanzlerin für deren Unterstützung für die | |
Finanztransaktionssteuer und legte ihr beim Abgang von der Bühne im | |
Pressesaal freundschaftlich den Arm um die Schultern. | |
So viel Liebenswürdigkeit hatten die Fraktionschefs im Europäischen | |
Parlament nicht für die deutsche Kanzlerin übrig. "Ich habe heute nicht | |
viel Neues gehört. Die Mitgliedsstaaten sind nicht bereit, die Euro-Krise | |
tatsächlich anzugehen. Sie verlieren sich in halbherzigen Maßnahmen", sagte | |
der Vorsitzende der Liberalen Guy Verhofstadt. Auch Martin Schulz von den | |
Sozialdemokraten bescheinigte Angela Merkel einen "Zickzackkurs", wenn es | |
um die Rettung des Euro geht. "Allerdings habe ich das Gefühl, dass sie den | |
Ernst der Lage jetzt erkannt hat", sagte Schulz. | |
Neue Vorschläge legte die deutsche Bundeskanzlerin nicht vor. Ihr ging es | |
vor allem um einen Gedankenaustausch mit den Brüsseler Politikern. Und sie | |
mahnte zu Gelassenheit. | |
Dass der Internationale Währungsfonds das Rettungspaket für Griechenland | |
eventuell noch einmal überarbeiten will, brachte die deutsche | |
Bundeskanzlerin nicht aus der Ruhe: !Wir warten ab, was die Troika über die | |
griechischen Sparanstrengungen sagt und werden dann entscheiden. Es gibt | |
keine Notwendigkeit, alle fünf Tage neu zu diskutieren." Allerdings, räumte | |
die Kanzlerin ein, müssten die Hilfszahlungen eventuell an die | |
wirtschaftliche Lage Griechenlands angepasst werden. Dazu gehöre auch die | |
Beteiligung der privaten Gläubiger. | |
## Italien? Kein Problem | |
Auch die Herabstufung Italiens durch eine weitere Rating-Agentur war für | |
die Kanzlerin kein Grund zu neuer Besorgnis. "Italien muss die | |
Sparmaßnahmen umsetzen. So wird das Land das Vertrauen der Märkte zurück | |
gewinnen", war alles, was sie dazu nach ihren Gesprächen in Brüssel sagte. | |
Die Rating-Agentur Moody’s hatte ihre Bewertung für italienische | |
Staatsanleihen zuvor verschlechtert – von "Aa2" auf "A2". Es war bereits | |
die zweite Herabstufung innerhalb weniger Wochen. Im September schon bekam | |
Italien von der Agentur Standard Poor’s schlechtere Noten für die | |
Kreditwürdigkeit. Für Italien werde es immer schwieriger sich zu | |
refinanzieren, begründete Moody’s die schlechte Bewertung. | |
Sehr wohl ein Thema ist für die Kanzlerin dagegen die Kapitalisierung der | |
europäischen Banken. Über ein europäisches Programm könnte – so sagte sie… | |
schon beim nächsten EU-Gipfel in knapp zwei Wochen diskutiert werden. | |
Allerdings müssten zunächst die Nationalstaaten für ihre Banken sorgen. | |
"Nur wenn das nicht reicht, werden wir auf der europäischen Ebene | |
reagieren", sagte Merkel. | |
Sie war sichtlich gestärkt durch das positive Votum des Bundestages zum | |
EU-Rettungsschirm. Aber ob der tatsächlich kommt, ist weiterhin unsicher. | |
Merkel und Barroso forderten die Slowakei auf, dem EFSF schleunigst | |
zuzustimmen. In Bratislava steht – ähnlich wie zuvor in Berlin – die | |
Koalitionsmehrheit auf der Kippe. Auch die Opposition lehnt das | |
Rettungspaket dort bisher ab. Das Parlament soll voraussichtlich nächsten | |
Dienstag abstimmen. | |
Eines machte die Kanzlerin in Brüssel ganz unmissverständlich klar: Sie | |
will sich weder von der Europäischen Kommission noch vom Europäischen | |
Parlament in die Eurorettung rein reden lassen. "Haushaltspolitik ist | |
nationales Hoheitsgebiet. Da ist es kein Affront gegen eine | |
Gemeinschaftsmethode, dass wir das unter den Staats- und Regierungschefs | |
regeln", sagte Merkel. | |
Im Europäischen Parlament hat sie sich damit keine Freunde gemacht. "Der | |
Zusammenbruch der belgischen Bank Dexia zeigt doch, dass wir mit den | |
Stümpereien der Mitgliedsstaaten nicht weiter kommen", sagte Rebecca Harms. | |
Aber zu mehr Europa im Kampf gegen den Zusammenbruch des Euro wollte sich | |
Angela Merkel in Brüssel trotzdem nicht überreden lassen. | |
5 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Ruth Reichstein | |
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