# taz.de -- Kommentar zur Eurorettung: Nutzt die gekaufte Zeit! | |
> Das Parlament ist über Parteigrenzen hinweg zusammengerückt. In | |
> Krisenzeiten ist es wichtig, sich Zeit zu verschaffen. Doch es darf nicht | |
> dabei bleiben, nur Symptome zu bekämpfen. | |
Was sich am Donnerstag unter den Augen der Weltöffentlichkeit im deutschen | |
Parlament abgespielt hat, ist ein Durchbruch. Das Parlament ist in der Not | |
des Augenblicks mit klarer Mehrheit und über Partei- und Ideologiegrenzen | |
hinweg zusammengerückt. Wissend, dass derzeit gerade für Deutschland eine | |
Eurorettung die billigste Variante ist - wissend, dass ein Nein der | |
stärksten europäischen Wirtschaftskraft zur zumindest kurzfristigen Rettung | |
Griechenlands den gesamten Euroraum, ja die Weltwirtschaft in unabsehbare | |
Turbulenzen gebracht hätte. | |
Wer nach Finnland oder Österreich blickt, sieht: Dies ist nicht | |
selbstverständlich. Populistische Anti-EU-Polemik ist in Mode. Dieser | |
Versuchung haben SPD und Grüne widerstanden. Deutschland hat bis dato aktiv | |
keine wirklich großen Fehler gemacht, Bundeskanzlerin Merkel hat einmal | |
mehr bewiesen, dass an ihr derzeit kein Weg vorbeiführt. Ihr Kalkül ging | |
auf. | |
Ihre Profilierung als die Euro-Erklärerin, die unter der Kuppel von Günther | |
Jauch begann und unter der Kuppel des Reichstags beendet wurde, hat | |
funktioniert. Für diesen Moment. Mehr aber nicht. Mit den Milliarden, die | |
das Parlament bewilligt hat, werden keine dauerhaften Lösungen finanziert. | |
Die Politiker haben nur eines getan: Sie haben sich Zeit gekauft. | |
Wir wissen, dass es nicht nur um eine Schuldenkrise von verschiedenen | |
EU-Staaten geht. Wir haben es mit einer Finanzmarktkrise zu tun, die | |
dringend nach echten Regulativen schreit. Wo ist die unabhängige | |
europäische Ratingagentur? Warum dürfen immer noch die berüchtigten CDS | |
(Kreditausfallversicherungen) gehandelt werden, die in der | |
Staatsschuldenkrise wie Brandbeschleuniger wirken? Welch jämmerliches Bild | |
geben Politiker wie Ex-Wirtschaftsminister Brüderle (FDP) ab, der nicht | |
begreift, dass der deutsche Exportüberschuss Teil der Eurokrise ist? | |
In Krisenzeiten ist es wichtig, sich Zeit zu verschaffen. Es ist auch | |
richtig, in Ausnahmen teuer dafür zu bezahlen. Aber in einer weltweiten | |
Finanzmarktkrise ist diese Zeit irgendwann abgelaufen. Deutschland hat | |
bisher zwar noch keinen großen Fehler gemacht. Aber es hat auch längst noch | |
nicht das Nötige getan. Fehler kann man auch begehen, wenn man wichtige | |
Reformen verschleppt und es dabei belässt, Symptome zu bekämpfen. Das kann | |
sich weder Deutschland noch Europa auf Dauer leisten. | |
29 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Ines Pohl | |
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