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# taz.de -- Barrosos Rede im EU-Parlament: Aus der Schockstarre aufgewacht
> Der Präsident der EU-Kommission gibt sich vor dem EU Parlament
> kämpferisch, fordert mehr Kompetenzen und schiebt die Schuld an der
> Euro-Krise den Regierungen zu.
Bild: Reift zur europäischen Führungsperson: Kommissionspräsident José Man…
BRÜSSEL taz | Der EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso ist aus der
Schockstarre aufgewacht. Vor dem Europäischen Parlament legte er am
Mittwoch erstmals seit Beginn der Eurokrise einen überzeugenden Auftritt
als Führungspersönlichkeit hin. "Ich bin verletzt, wenn uns andere mit
ihrer paternalistischen Art sagen, was wir zu tun haben. Wir müssen stolz
sein, Europäer zu sein. Wir schaffen das alleine", sagte Barroso mit Blick
auf die Kritik, die etwa US-Präsident Barack Obama am europäischen
Krisenmanagement geübt hatte.
Barroso schob die Verantwortung für den Stillstand in der EU den
Mitgliedsstaaten zu: "Es ist nicht Europa, das nicht liefert. Es sind die
Regierungen in einigen Hauptstädten", mahnte der Kommissionspräsident. Er
forderte, das Prinzip der Einstimmigkeit im Europäischen Rat endgültig
abzuschaffen.
"Sonst bestimmt immer der Langsamste, wie es in der Europäischen Union
vorangehen soll." Klare kämpferische Worte - das ist neu bei José Manuel
Barroso. Auch ihm hatten die Abgeordneten in den vergangenen Wochen immer
wieder Untätigkeit vorgeworfen. Diesen Eindruck wollte Barroso offenbar mit
allen Mitteln wettmachen.
Dafür schlug er gleich eine ganze Reihe von Maßnahmen vor. So fordert er
eine Art europäischen Finanzminister: "Wir brauchen eine Person, die die
Eurozone nach außen vertritt. Nur so bleiben wir glaubhaft." Bisher ist
zwar der Luxemburger Regierungschef Jean-Claude Juncker Sprecher der
Euroländer. Er hat aber zum Beispiel keinerlei Verhandlungsmöglichkeiten
mit Drittländern.
Außerdem schlug Barroso die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in
der EU vor. "Es ist ein Gebot der Fairness. Wenn Landwirte und Arbeitnehmer
für die Krise bezahlen, müssen sich auch Banken daran beteiligen."
Nach Berechnungen seiner Behörde könnte die neue Steuer rund 54 Milliarden
Euro im Jahr einbringen. Der Handel mit Anteilen und Anleihen würde mit
einem Steuersatz von 0,1 Prozent und Derivatkontrakte mit einem Steuersatz
von 0,01 Prozent besteuert werden.
## Neuer Name für Eurobonds
Darüber hinaus wiederholte Barroso sein Versprechen, dass die Kommission in
den kommenden Wochen einen Vorschlag für Eurobonds vorlegen werde. Er
taufte sie allerdings in Stabilitätsbonds um.
Die gemeinsamen Schuldenpapiere sollten zu mehr Disziplin in der
Gemeinschaft und nicht zu höheren Zinsen für die wirtschaftlich stabilen
Staaten führen, versprach Barroso. Auch eine Gesetzesvorlage zur
Regulierung von Rating-Agenturen will die Kommission bis zum Jahresende
vorlegen.
Auch die Abgeordneten leisteten am Mittwoch ihren Teil zur Reform des
Euroraums: Sie stimmten sechs Gesetzesentwürfen der Kommission zu, dem
sogenannten "Sixpack". Das Paket soll vor allem den Stabilitätspakt
stärken. Sanktionen können in Zukunft leichter beschlossen werden.
Deutschland und Frankreich allein können sie nicht mehr, wie 2003,
blockieren. In Zukunft sollen die Euro-Länder dazu verpflichtet werden, die
Staatsschulden kontinuierlich unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu
senken. Geschieht das nicht, muss das Land mit Sanktionen rechnen.
## Schuldenbremse für alle
Außerdem wird eine Art Schuldenbremse eingebaut: Die Staatsausgaben dürfen
von Jahr zu Jahr proportional nicht stärker wachsen als das potenzielle
Wirtschaftswachstum. Das heißt für Deutschland: Wird ein
Wirtschaftswachstum von 2 Prozent angenommen, dürfen auch die Ausgaben nur
um 2 Prozent steigen.
Die Sozialdemokraten und Grünen stimmten gegen den Vorschlag. Sie
kritisieren, dass damit nur gespart, aber kein Wachstum in der EU gefördert
wird.
Die EU-Parlamentarier forderten Barroso auf, nun auch entschlossen
gegenüber den Mitgliedsstaaten aufzutreten. "Durch das Nichthandeln der
Regierungen ist ein gefährliches Vakuum entstanden. Barroso hat spät
angefangen, aber hoffentlich nicht zu spät", sagte der Fraktionsvorsitzende
der Sozialdemokraten, Martin Schulz. Denn ohne die Zustimmung der
Regierungen wird keiner der Vorschläge je umgesetzt werden.
28 Sep 2011
## AUTOREN
Ruth Reichstein
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