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# taz.de -- Kolumne Buchmessern: Vom Autohersteller eingebimst
> Wie benutzerfreundlich sich Verlage in Frankfurt präsentieren, erzählt
> schon die Gestaltung ihrer Stände. Ein Rundgang am ersten Messetag.
Bild: Wilhelm Genazino im Jahr 2017
Der Suhrkamp-Stand ist neu - wollte man gerade schreiben, nachdem man
inmitten des Trubels des ersten Messetags seinen Laptop aufgeklappt hat,
weil man in solchen Berichten ja immer das Neue berichten soll. Da kommt
Wilhelm Genazino vorbei, mit irgendwie schwer wirkenden Tippelschritten und
nach Orientierung suchendem Blick. Manche Dinge bleiben auf der Messe zum
Glück halt auch immer gleich. Wahrscheinlich hat man diesen Schriftsteller
schon vor 10, 20 Jahren genauso am Würstchenstand vor dem zentralen Forum
entlanggehen sehen können, nur etwas weniger schwer tippelnd. Das Neue hebt
sich auf der Buchmesse ja immer nur vor dem Hintergrund der immer gleichen
Mischung aus Businesstalk, Trendsaufschnappen und Promigucken ab.
Der Suhrkamp-Stand ist aber wirklich ganz neu. Nicht nur durch sanft von
innen her glimmende Buchvitrinen optimiert wie der Aufbau-Stand, der schon
im vergangenen Jahr eine Neugestaltung erhielt und seitdem tapfer neues
Image kreiert. Und schon gar nicht nur notgedrungen abgespeckt wie der
Stand des Eichborn-Verlages, den es trotz Pleite immer noch gibt und der
auch ein paar schöne neue Bücher in Frankfurt präsentiert, von DBC Pierre
zum Beispiel und von Elmore Leonard. Sondern: ganz neu. Der Neuanfang nach
dem Umzug nach Berlin soll nun also auch auf der Messe markiert werden.
Der alte Suhrkamp-Stand hatte etwas von zurückhaltender Gediegenheit: hell,
weiß, aber Besucher auch auf Abstand haltend. Die neuen Bücher wurden vom
Druck weg als Museumsstücke präsentiert, man kam gar nicht an sie heran.
Das ist nun anders. Der neue Stand wirkt breiter, man kann stehen bleiben,
ein Buch in die Hand nehmen und darüber reden. Während der alte Stand nach
Konservierung der alten Bundesrepublik aussah, wirkt der neue eher
Berlin-mittig. Es gibt Metallregale, die etwas von lässigem
Werkstattcharakter verströmen; es sind die gleichen Regale, die auch im
Verlagsgebäude in der Berliner Kastanienallee herumstehen. Man kann auf
Sperrholzkästen sitzen, viele kleine Lampen, die gut in einen loungigen
Club passen würden, beleuchten das Ganze. Statt: Wir präsentieren Ihnen das
passende werthaltige Buch für Ihre Sammlung, nun also ein Schwenk hin zu:
Lassen Sie uns über das neue Programm reden! Nicht unsympathisch.
Wo gestaltungsmäßig der Hammer hängt, bekommt man von Audi eingebimst. Der
Autohersteller hat ein paar Sponsorengelder rübergeschoben und seinen Stand
von der Automesse IAA auf dem zentralen Messeplatz stehen lassen. Riesig,
weiß, von innen rot leuchtend - das Ding wirkt wie eine Mischung aus Ufo,
Ei und leicht deformierter Münchner Allianz-Arena. Wenn man es betritt,
empfangen einen suggestive Musik und an die Wand gemalte Sprüche wie: "Open
Talks & Collective Strorytelling". Mit dem Preis von drei Audi TT mit
Sonderausstattung hätte man den gesamten Eichborn-Verlag retten können.
Protzen können die Auto-Leute. Aber noch hakt es bei der Umwandlung von
wirtschaftlichem zu kulturellem Kapital. Bei der Pressekonferenz hat der
Audi-Vertreter 20 Minuten lang Eigen-PR betrieben, ohne den Brückenschlag
ins literarische Feld auch nur versucht zu haben. Die Kulturvertreter waren
verstimmt: Das sah eher nach Kolonisierung als nach gleichberechtigtem
Imagetransfer aus.
12 Oct 2011
## AUTOREN
Dirk Knipphals
Dirk Knipphals
## TAGS
Wilhelm Genazino
Schriftsteller
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