# taz.de -- Das ist die Krise: Euro retten - aber sicher | |
> Warum mehr Geld besser ist als weniger Geld, und was die EZB tun sollte. | |
> Fragen und Antworten zur Eurokrise. | |
Bild: Ein bisschen mehr Geld müsste es schon sein, um die Anleger zu beruhigen. | |
Die Krise nervt. Wann ist sie endlich zu Ende? | |
Noch lange nicht. Die Krise wird sich weiter verschärfen. Denn keines der | |
Probleme ist gelöst. Die griechische Wirtschaft schrumpft so rasant, dass | |
selbst der vereinbarte Schuldenerlass von 100 Milliarden Euro nicht reichen | |
wird. Zudem dürfte auch Portugal einen Schuldenschnitt benötigen. Vor allem | |
aber hat sich die Eurokrise längst vom Rand in den Kern gefressen: Selbst | |
Italien und Spanien sind von der Pleite bedroht. | |
Gibt es jemanden, der von der Krise profitiert? | |
Einzelne Spekulanten können auch in einer Krise Gewinne erzielen. Wer zum | |
Beispiel bei der Börsenpanik am Dienstag Bankaktien gekauft hat, hat ein | |
gutes Geschäft gemacht - sofern er die Aktien am Donnerstag gleich wieder | |
verkauft hat. Doch selbst wenn einzelne Spekulanten gewinnen, verlieren in | |
einer Krise alle, Arbeitnehmer genauso wie Aktionäre, weil das | |
Volkseinkommen sinkt. | |
Warum ist Deutschland eigentlich nicht in der Krise? | |
Deutschland scheint es tatsächlich bestens zu gehen: Die Arbeitslosigkeit | |
sinkt und die Steuern sprudeln. Wie die Steuerschätzung am Freitag ergab, | |
ist allein für 2011 mit einem Plus von 17,5 Milliarden Euro zu rechnen. | |
Zudem bekommt Deutschland derzeit seine Staatskredite fast geschenkt - | |
gegenwärtig beträgt der Zinssatz 1,8 Prozent. Zugleich liegt die Inflation | |
hierzulande bei 2,5 Prozent. Die deutsche Staatsschuld baut sich also von | |
selbst ab. Dies ist ein Ergebnis der Eurokrise: Die Anleger flüchten aus | |
italienischen oder spanischen Staatsanleihen und legen ihr Geld lieber in | |
Deutschland an. Dafür nehmen die Investoren sogar in Kauf, dass sie Geld | |
verlieren, wenn sie Bundesanleihen kaufen. | |
Aber kann die Eurokrise später nach Deutschland kommen? | |
Vorboten einer Krise haben die Bundesrepublik bereits erreicht: Das | |
Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung rechnet damit, dass die deutsche | |
Wirtschaft im vierten Quartal stagniert. Als Exportnation kann sich | |
Deutschland nicht davon abkoppeln, dass mehrere Eurostaaten auf die Pleite | |
zusteuern. | |
Würde es helfen, wenn Griechenland den Euro verlässt? | |
Es gibt ein gutes Argument, warum es sinnvoll sein könnte, zur Drachme | |
zurückzukehren: Sie würde stark an Wert verlieren, so dass die | |
Wettbewerbsfähigkeit der Griechen schlagartig steigen und ihr Export | |
zulegen würde. Doch die Konsequenzen wären bitter, weil die Griechen ihre | |
Importe nicht mehr zahlen könnten - und diese sind meist existenziell. Dazu | |
gehören deutsche Krebsmedikamente, aber auch Nahrungsmittel. Griechische | |
Wirtschaftsexperten fürchten, dass sich ihr Land auf dem Niveau von | |
Albanien wiederfinden würde, wenn es die Drachme einführt. Dies erklärt | |
auch, warum 85 Prozent der Griechen im Euro bleiben wollen. | |
Und wenn Deutschland aus dem Euro aussteigt? | |
Nicht wenige Bundesbürger wünschen sich die D-Mark zurück. Auch einen | |
"Nord-Euro" würden sie akzeptieren, zu dem noch die Finnen, Niederländer, | |
Österreicher und Luxemburger gehören. Denn dann wäre man nicht nur die | |
Griechen los, sondern auch die Italiener. | |
Doch was so attraktiv klingt, wäre ein gigantisches Verlustgeschäft für | |
Deutschland. Der Kurs der neuen D-Mark würde rasant steigen, weil weltweit | |
alle Investoren in diesen vermeintlich sicheren Hafen drängen würden. Die | |
Folgen: Die deutschen Exporte würden einbrechen, die Arbeitslosigkeit würde | |
steigen und die Löhne müssten sinken. Zugleich wären alle deutschen Banken | |
sofort pleite, weil sie die Kredite abschreiben müssten, die sie nach | |
Italien, Spanien oder Frankreich vergeben haben. Denn diese Länder hätten | |
dann ja eine Schwachwährung und könnten die deutschen Darlehen nicht mehr | |
voll bedienen - jedenfalls nicht zu D-Mark-Preisen. | |
Diese Verluste lassen sich kaum kalkulieren. Aber vorsichtig geschätzt | |
würde Deutschland um mindestens 500 Milliarden Euro ärmer. Darum versucht | |
die deutsche Politik so hektisch, einen Euro-Crash zu vermeiden. Die DM | |
oder ein "Nord-Euro" sind keine gute Alternative. | |
Ist ein Euro-Crash denn noch zu vermeiden? | |
Ein paar gute Nachrichten gibt es immerhin: Griechenland und Portugal sind | |
zwar pleite, aber so klein, dass die Eurozone sie mitschleppen kann. | |
Gefährlich würde es nur, wenn Italien wackelt. Doch zum Glück ist das Land | |
überhaupt nicht konkursreif - stattdessen haben sich die Investoren in eine | |
irrationale Panik verrannt. | |
Silvio Berlusconi ist zwar ein Politclown. Aber er ist nicht Italien. Sieht | |
man sich die objektiven Daten an, dann ist festzustellen: Italien ist | |
gesund. Es hat zwar eine hohe Staatsverschuldung - doch diese Kreditlast | |
ist in den vergangenen zwanzig Jahren kaum gestiegen und wurde immer | |
pünktlich bedient. | |
Bis Mitte Juli waren die Investoren daher auch ganz gelassen - erst als ein | |
Schuldenschnitt für Griechenland beschlossen wurde, bildeten sich die | |
Anleger plötzlich ein, dass auch in Italien eine Pleite drohen könnte. | |
Dann ist Italien also sicher? | |
Finanzmärkte sind irrational und können sogar ein gesundes Land in die | |
Insolvenz treiben. Denn sobald die Anleger panisch sind, weigern sie sich, | |
die Kredite eines Landes umzuschulden. Damit tritt die Pleite ein, die die | |
Investoren so fürchten. Eine Prophezeiung erfüllt sich selbst. | |
Was muss passieren, um den Euro zu retten? | |
Damit die Eurozone überlebt, muss sich die Panik bei den Investoren legen. | |
Was wiederum bedeutet: Die Anleger müssen sicher sein, dass sie keine | |
Verluste erleiden, wenn sie italienische Staatsanleihen kaufen. Dieser | |
psychologische Zusammenhang ist auch den Politikern nicht entgangen. | |
Deswegen wurde auf dem G-20-Gipfel in Cannes beschlossen, dass der | |
Internationale Währungsfonds seine Kredite ausweitet. Italien kann 45 | |
Milliarden Euro bekommen, Spanien 23 Milliarden. | |
Diese Geste wird aber nichts nützen, denn selbst panische Anleger können | |
rechnen. Italiens Schulden summieren sich auf 1,9 Billionen Euro - da | |
können 45 Milliarden nicht beruhigen. Daher ist auch der europäische | |
Rettungsschirm gescheitert, obwohl er auf 1 Billion gehebelt wurde. Denn | |
selbst diese Summe reicht nicht aus, um die Schulden von Italien und | |
Spanien komplett zu garantieren. | |
Wenn der Euro gerettet werden soll, muss man die Bedürfnisse der Investoren | |
ernst nehmen, sonst werden sie sich nie beruhigen: Sie wollen eine | |
unbeschränkte Garantie. Sie wollen wissen, dass sie ihre Staatsanleihen | |
auch dann loswerden, falls ein Eurostaat in Schwierigkeiten gerät. Diese | |
Garantie kann glaubhaft nur eine einzige Institution aussprechen: die | |
Europäische Zentralbank (EZB). Sie könnte unbegrenzt Staatsanleihen | |
aufkaufen, weil sie unbegrenzt Geld drucken kann. | |
Droht eine Inflation, wenn man "Geld druckt"? | |
Davon ist nicht auszugehen. Die US-Notenbank kauft bereits amerikanische | |
Staatsanleihen auf - trotzdem liegt die Inflation in den USA derzeit bei | |
nur 3,9 Prozent. Vor allem aber: Wahrscheinlich müsste die EZB gar nicht so | |
viele Staatsanleihen aufkaufen. Um Investoren zu beruhigen, würde die | |
Ankündigung schon reichen, dass die Zentralbank unbegrenzt einspringt. | |
Eine unbegrenzte Garantie könnte sogar billiger sein als die jetzige | |
Lösung. Die EZB hat bereits Staatsanleihen von 173 Milliarden Euro im | |
Depot. Aber dies hat die Anleger überhaupt nicht beeindruckt, weil diese | |
Sondermaßnahme auslaufen soll. | |
Wo bleibt die Strafe für Schulden, wenn man "Geld druckt"? | |
Vor allem die deutsche Politik blockiert den Vorschlag, dass die EZB | |
unbegrenzt Staatanleihen aufkauft. Denn man fürchtet, dass dann viele | |
Eurostaaten hemmungslos Schulden machen, weil sie ja wüssten, dass eine | |
Gelddruckmaschine bereitsteht. Doch diese Sorge ist unbegründet, weil die | |
Macht der EZB enorm wäre. Sobald ein Euroland zu viele Schulden machen | |
würde, bräuchte die Zentralbank nur damit zu drohen, dass sie dessen | |
Staatsanleihen nicht mehr aufkauft. Sofort würden die Zinsen für dieses | |
Land astronomisch steigen - und es damit wieder gefügig werden. | |
4 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Streit der Woche: Müssen wir die Inflation fürchten? | |
Die Angst vor Geldentwertung diktiert die Finanzpolitik und verhindert | |
Lösungen in der Eurokrise. Erste Ökonomen fordern einen entspannteren | |
Umgang mit Inflation. | |
Wer bezahlt den Euro-Rettungsschirm: Eine Billion ist nicht leicht aufzutreiben | |
Noch immer ist unklar, wie der Euro-Rettungsfonds auf eine Billion Euro | |
gehebelt werden kann. Finanzinvestoren ignorieren den Rettungsschirm | |
bislang. In Brüssel beraten die Minister. | |
Kommentar Eurozone: Erst mal muss der Politclown weg | |
Berlusconi soll weg: Da sind sich alle in der Eurozone einig. Doch das ist | |
noch das geringste Problem. In größter Harmonie sparen die Euroländer sich | |
in die Rezession. | |
Sparda-Bank-Chef über Finanzwesen: "Das Alte muss zusammenbrechen" | |
Nur auf die Exportwirtschaft zu setzen, erinnert Sparda-Bank-Chef Helmut | |
Lind an die Monokulturen im Wald: Kommt der Sturm, knicken sie weg wie | |
Streichhölzer. | |
Politisches Gerangel in Griechenland: Papandreou sucht "Nationale Einheit" | |
Der griechische Premier hat die Vertrauensabstimmung zwar gewonnen, sein | |
Schicksal bleibt jedoch ungewiss. Die Opposition sperrt sich gegen eine | |
Regierung der "Nationalen Einheit". | |
Kommentar G-20-Gipfel: G-20-Führungsduo mit Schwächen | |
Angela Merkel und Nicolas Sarkozy dominieren den G-20-Gipfel. Aber das darf | |
nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie eigentlich zerstritten sind. | |
G-20-Gipfel in Cannes: Kernthemen aufgeschoben | |
In Cannes einigen sich die Staatschefs darauf, mehr IWF-Gelder für | |
Eurokrisenstaaten auszugeben. Entwicklungshilfeorganisationen sind | |
enttäuscht. | |
Plebiszite in der Eurokrise: Fragt doch mal das Volk | |
Mancher Koalitionär sucht jetzt Rat beim Volk. Die Idee für ein Plebiszit | |
klingt einfach, die Umsetzung ist schwierig. Auf lange Sicht könnte sie | |
sich aber durchsetzen. | |
Eurokrise in Griechenland: Papandreou vor Vertrauensfrage | |
Am Freitagabend stellt Regierungschef Papandreou die Vertrauensfrage. Ein | |
mögliches Griechenland-Referendum in Deutschland beurteilen Politiker sehr | |
unterschiedlich. | |
Inflationsangst in Deutschland: Soll ich noch schnell ein Auto kaufen? | |
Die spürbare Panik vor einer Entwertung des Euro ist unbegründet. Anders | |
als 1923 und 1948 sind die Ersparnisse auf der Bank sicher - wenn auch bei | |
Minizinsen. |