# taz.de -- Eurokrise in Griechenland: Papandreou vor Vertrauensfrage | |
> Am Freitagabend stellt Regierungschef Papandreou die Vertrauensfrage. Ein | |
> mögliches Griechenland-Referendum in Deutschland beurteilen Politiker | |
> sehr unterschiedlich. | |
Bild: Regierungsschef George Papandreou "klebt nicht an seinem Stuhl". | |
ATHRN/BERLIN/SAARBRÜCKEN/MÜNCHEN dapd/afp/dpa | Nach der Absage der | |
Volksabstimmung über das Hilfspaket steht der griechische Regierungschef | |
George Papandreou steht nun selbst vor dem Aus. Er will sich am | |
Freitagabend im Parlament einer Vertrauensabstimmung stellen. | |
Papandreou forderte die Abgeordneten seiner sozialistischen Fraktion auf, | |
ihm das Vertrauen auszusprechen, damit er weiter für die Bildung einer | |
Übergangsregierung arbeiten könne. Papandreou allerdings hat im Parlament | |
wegen einer zunehmenden Zahl an Abweichlern keine Mehrheit mehr. Sollte | |
Papandreou die Vertrauensabstimmung verlieren, müssen binnen 30 Tagen | |
Wahlen stattfinden. | |
Papandreou hatte zuvor gesagt, die Absage des Referendums sei die | |
Voraussetzung dafür gewesen, dass Gespräche mit der oppositionellen Nea | |
Dimokratia (ND) zur Bildung einer Übergangsregierung zustande kommen. "Wir | |
werden jetzt verhandeln", sagte Papandreou. Der einzige Weg, damit | |
Griechenland im Euroland bleibt, sei die Einhaltung der Vereinbarungen mit | |
den Partnern in der EU. | |
Die innenpolitische Lage in Athen hatte sich immer weiter zugespitzt, | |
nachdem Papandreou eine Volksabstimmung über Milliardenhilfen und den dafür | |
nötigen Sparkurs angekündigt hatte. Versuche am Donnerstag, die Krise in | |
Griechenland durch einen Rückzug von diesem Plan wieder zu entschärfen, | |
schienen zunächst Wirkung zu zeigen. | |
Der angeschlagene Sozialist und die verfeindete konservative Opposition | |
gingen nach monatelangem Streit aufeinander zu, um eine Übergangsregierung | |
zu bilden. Am Abend aber forderte Oppositionschef Antonis Samaras im | |
Parlament den Rücktritt Papandreous. Der Regierungschef signalisierte unter | |
bestimmten Umständen seine Bereitschaft zum Rückzug. "Ich klebe nicht an | |
irgendeinem Stuhl", sagte er im Parlament. "Ich will nicht unbedingt wieder | |
gewählt werden." Papandreou warf Samaras aber vor, Forderungen zu stellen, | |
die nicht sofort umsetzbar seien. Das Land könne nicht so einfach auf | |
Anhieb ohne Regierung bleiben. | |
## Übergansregierung für ein halbes Jahr | |
Nach Informationen des Staatsfernsehens Net soll Papandreou eine politische | |
Regierung aus seiner sozialistischen PASOK und der ND anstreben, die für | |
etwa ein halbes Jahr die Geschicke des Landes in die Hand nimmt. Bei | |
hochrangigen ND-Quellen hatte es zunächst geheißen, die Übergangsregierung | |
solle aus Experten und nicht aus Politikern bestehen. "Diese Regierung wird | |
das Land nur solange führen, bis das Hilfspaket unter Dach und Fach ist. | |
Danach Neuwahlen", sagte ein Mitarbeiter der ND der dpa. Diese Wahlen | |
könnten im Dezember stattfinden. | |
In Athen galten zunächst mehrere Szenarien als möglich: Die beiden Parteien | |
könnten sich bis zu der für die Nacht zum Samstag angesetzten | |
Vertrauensabstimmung einigen. Dann wäre dies eine Abstimmung über die neue | |
Regierung. Als wahrscheinlicher galt aber, dass Papandreou das | |
Vertrauensvotum verliert, ohne, dass er sich zuvor mit der Opposition | |
einigt. Dann würde es Sondierungsgespräche unter Regie von Staatspräsident | |
Karolos Papoulias geben mit dem Ziel, eine neue Regierung zu bilden. | |
## "Regierung der Nationalen Rettung" | |
Auch zahlreiche Minister und Abgeordnete der sozialistischen | |
Regierungspartei PASOK forderten die Bildung einer "Regierung der | |
Nationalen Rettung". Mindestens zwei Abgeordnete erklärten nach Angaben des | |
staatlichen Fernsehens, sie wollten Papandreou das Vertrauen verweigern. | |
Demnach hätte Papandreou mit nur noch 150 Mandaten keine Mehrheit mehr im | |
Parlament. | |
Die ND unter Samaras hatte sich bisher strikt dem strammen und unpopulären | |
Sparkurs Papandreous verweigert; er ist nötig, um im Gegenzug weiter | |
internationale Milliardenhilfen zu bekommen, ohne die Griechenland Mitte | |
Dezember pleite wäre. | |
In den griechischen Medien wurden bereits Namen möglicher Nachfolger | |
Papandreous gehandelt. Darunter ist der frühere Vizepräsident der | |
Europäischen Zentralbank, Lucas Papademos, wie der Athener | |
Nachrichtensender Vima 99,5 berichtete. | |
Am Vorabend hatten Deutschland und Frankreich den Druck auf Griechenland | |
massiv erhöht. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident | |
Nicolas Sarkozy forderten das griechische Volk auf, schnellstmöglich über | |
den weiteren Verbleib in der Eurozone zu entscheiden. Auch ein Austritt | |
Athens aus der Währungsunion ist kein Tabu mehr. Sollte das griechische | |
Volk die Auflagen und Forderungen des zweiten Hilfspakets ablehnen, werde | |
man dies akzeptieren. "Aber wir werden auch den Euro nicht aufgeben", sagte | |
die Kanzlerin. | |
## Nächste Zahlung vorerst blockiert | |
"Für uns zählen Taten, nichts anderes", sagte Merkel in Cannes mit Blick | |
auf die Ereignisse in Athen. Das Land müsse die Reform- und Sparbeschlüsse | |
des EU-Gipfels umsetzen. Es sei derzeit nicht ersichtlich, wie das | |
passieren könne. Auch die sechste Hilfszahlung in Höhe von acht Milliarden | |
Euro könne erst fließen, wenn Griechenland zu seinen Verpflichtungen stehe. | |
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat von Athen eine | |
"verlässliche Entscheidung" zum Verbleib in der Eurozone verlangt. In den | |
ARD-Tagesthemen sagte er am Donnerstagabend, die verabredeten Maßnahmen, | |
die Griechenland erfüllen müsse, könnten nicht nachgebessert werden. | |
Griechenland müsse zur Umsetzung bereit sein. | |
Wie es die Entscheidung treffe, ob durch Wahlen oder ein Referendum sei | |
"Sache des griechischen Volkes". Falls Athen die Beschlüsse der | |
Euro-Staats- und Regierungschefs nicht umsetze, müsse ein Weg gefunden | |
werden, um die "Ansteckungsgefahr" für den Euro als Ganzen zu vermeiden. | |
Wer die Beschlüsse der vergangenen Woche nicht umsetzen wolle, müsse die | |
Konsequenzen tragen, fügte Schäuble hinzu. | |
## Opposition spricht von Populismus | |
Die Opposition hält die Forderungen aus Union und FDP nach | |
Volksabstimmungen im Zusammenhang mit der Schuldenkrise in Griechenland für | |
unehrlich. Grünen-Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin kritisierte in der | |
"Saarbrücker Zeitung", CDU/CSU und FDP lehnten seit mehreren Wahlperioden | |
regelmäßig Anträge der Grünen ab, das Grundgesetz um Volksbegehren und | |
Volksentscheide zu erweitern. "Nun entdecken Nationalisten und Neoliberale | |
hierzulande plötzlich ihre Liebe zu Volksentscheiden", sagte Trittin. Er | |
kritisierte, mehr Bürgerbeteiligung nur dann zu fordern, "wenn es gegen | |
Europa oder den Islam geht, ist nicht demokratisch, sondern rechter | |
Populismus". | |
Der Linken-Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi zog die Ehrlichkeit der | |
Forderung nach Volksabstimmungen in Zweifel. Er erwarte, dass die Union | |
jetzt umgehend die Verständigung mit den anderen Parteien suche, um eine | |
Grundgesetzänderung zu erreichen, sagte er dem Blatt. Es sei höchste Zeit | |
für mehr Demokratie in Deutschland. | |
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Peter Altmaier, | |
lehnte Forderungen nach Volksabstimmungen über Fragen der Euro-Rettung ab. | |
Er sei der Auffassung, "dass gerade in schwierigen Zeiten wie dieser die | |
repräsentative Demokratie ihre Stärke" entfalte, sagte der CDU-Politiker | |
der "Süddeutschen Zeitung". | |
"Im Übrigen halte ich es für hochproblematisch, wenn wir die ohnehin | |
schwierige Lage, die durch die Ankündigung des griechischen Referendums | |
entstanden ist, mit der Forderung nach weiteren Referenden | |
verkomplizieren", fügte Altmaier hinzu. Der CSU-Außenpolitiker Thomas | |
Silberhorn und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hatten sich für | |
solche Volksentscheide ausgesprochen. | |
4 Nov 2011 | |
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