# taz.de -- Imagekampagne wegen Nazis abgesagt: Das ist wohl doch nicht Thürin… | |
> Wegen der Nazi-Terrorbande hat Thüringen die Werbekampagne "Das ist | |
> Thüringen" abgesagt. Politiker bemühen sich um Schadensbegrenzung. | |
Bild: Nazi-Trio sticht Denker-Quartett. | |
Zahlreichen Bürgermeistern und Kommunalpolitikern in Thüringen galten die | |
zwei Millionen Euro für eine neue Imagekampagne des Landes schon länger als | |
falsch investiert. Wenn schon, dann eher für bekannte Marken wie die | |
Thüringer Rostbratwurst oder das "Grüne Herz Deutschlands", so die Kritik | |
im Frühsommer dieses Jahres. | |
Nun wird dieser Kritik entsprochen, allerdings aus einem makabren und ganz | |
anders gearteten Grund. Der zuständige Wirtschaftsminister Matthias Machnig | |
setzte die Kampagne wegen der aus Jena stammenden rechtsextremen | |
Terrorzelle und der zweifelhaften Rolle des Thüringer Verfassungsschutzes | |
vorerst aus. | |
Von der "Denkfabrik", so der Titel der Vorgängerkampagne, hatte sich das | |
Land schon 2009 verabschiedet. Dabei träfe einer der damaligen Werbesprüche | |
die gegenwärtigen Ermittlungen ungewollt genau: "Aus Thüringen kommt mehr | |
als man denkt." Ein Schelm, wer Arges dabei denkt! | |
## Eingeständnis eines braunen Thüringen? | |
Seit Ende August schaltete das Wirtschaftsministerium nun Anzeigen und | |
platzierte im Abendprogramm der ARD Werbespots. Unter dem Titel "Das ist | |
Thüringen" erfährt man zum Beispiel so wesentliche Neuigkeiten, dass der | |
Architekt der Brooklyn Bridge aus Mühlhausen stammte und dass Goethe etwas | |
mit Weimar zu tun hat. Insgesamt ein Mix aus Natur, Kultur, Köpfen, Sport | |
und Spitzenforschung, den die Hamburger Agentur KNSK für Thüringen-typisch | |
hält. | |
Nun aber kapituliert Wirtschaftsminister Machnig vor dem "schweren | |
Imageschaden für das Land", den die Entdeckung des Terror-Trios Thüringen | |
zugefügt habe. Zumindest bis Jahresende werden keine Anzeigen mehr | |
geschaltet. Eine Fortführung der Kampagne würde "kontraproduktiv" wirken, | |
sagte er der Thüringer Allgemeinen. Jetzt gehe es um schnelle und | |
umfassende Aufklärung. | |
Obschon die Aussetzung der Kampagne auch wie das Eingeständnis eines | |
braunen Thüringen gewertet werden könnte, äußerte | |
Linken-Fraktionsvorsitzender Dieter Hausold im Erfurter Landtag Verständnis | |
dafür, "dass derzeit andere Dinge wichtiger sind". Außerdem bewirkten | |
Kampagnen allein wenig, wenn nicht eine solide Wirtschaftspolitik dahinter | |
stünde. | |
## Kuriositäten des Föderalismus | |
Imagekampagnen einzelner Bundesländer gehören ohnehin eher zu den | |
Kuriositäten des föderalen Wettbewerbs. Als Kurt Biedenkopf 1992 | |
ausrief"„Sachsen können alles außer Hochdeutsch", pfiffen ihn 20.000 Lehrer | |
minutenlang aus. Keiner von ihnen kannte den Originalspruch aus | |
Baden-Württemberg. | |
Eben dieses Bundesland trieb Ende September dieses Jahres die jüngste Blüte | |
mit seinem Slogan "In Sachsen-Anhalt steht man früher auf. Bei uns bleibt | |
dafür niemand sitzen!". In Magdeburg spotteten einige daraufhin zurück, es | |
könnten wohl die Sitzblockaden von Stuttgart 21 gemeint sein. | |
Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hingegen freute sich, dass so die | |
schon beerdigte "Frühaufsteher"-Kampagne kostenlos aufpoliert wird. Denn an | |
deren Wirksamkeit glaubte kaum noch jemand in Sachsen-Anhalt. | |
In Thüringen aber, wo der Papst gern hinfährt, scheint der Glauben | |
unbesiegbar. Trotz der Erfahrungen mit der vorigen Kampagne. Auch nach neun | |
Jahren Laufzeit hatten 84 Prozent der Deutschen noch nie etwas von der | |
"Denkfabrik" Thüringen gehört. Erst der Terror von Rechts erschüttert nun | |
dieses Vertrauen in Selbstbestätigungskampagnen. | |
18 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
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