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# taz.de -- Tauziehen auf Kairos Straßen: Frühe Präsidentschaftswahlen gefor…
> Nach dem Rücktritt der Regierung lädt der Militärrat zu politischen
> Gesprächen. Bei den derzeitigen Auseinandersetzungen geht es darum, wann
> er seine Macht abgibt.
Bild: Demonstranten versuchen, sich vor den Gasgranaten der Polizei in Sicherhe…
KAIRO taz | "Dieses Land gehört den Ägyptern, es steht nicht zum Verkauf
und es braucht keine Wächter," heißt es auf einem Plakat auf dem
Tahrir-Platz. Letzteres ist ein klarer Hinweis darauf, was die dortigen
Demonstranten vom Obersten Militärrat halten, der seit dem Sturz Mubaraks
das Land kommissarisch verwaltet. Auch am Dienstag versammelten sich wieder
Zehntausende in der Kairoer Innenstadt, für den Nachmittag war eine
Großdemonstration angekündigt.
Hatten die Tahrir-Aktivisten im Februar die Armee noch als "Wächter der
Revolution" gefeiert, nachdem die Armee sich als Puffer zwischen die
Demonstranten und dem Polizeiapparat und den Schergen Mubaraks gestellt
hatte, hat das Militär einen Imageschaden genommen. Die Militärs haben es
geschafft, durch ständiges Treten auf die Bremse beim Wandel der
Institutionen, durch ein Ausufern der Militärgerichtsbarkeit bis hin zu
Vorwürfen der Folter im Stile des alten Regimes praktisch alle politischen
Gruppierungen gegen sich aufzubringen.
Vergangenen Freitag hatten sich erstmals wieder Islamisten, Säkularisten,
Liberale und Linke auf dem Tahrir-Platz versammelt mit der gemeinsamen
Forderung, das Militär aus der Politik zu verbannen.
Zentral ist dabei der Ruf nach frühen Präsidentschaftswahlen. Denn ginge es
nach dem Fahrplan des Militärs, würden diese frühestens Ende nächsten
Jahres, wahrscheinlich aber eher Anfang 2013 stattfinden. Erst dann würde
der Militärrat die Führung der Exekutive an einen zivilen Präsidenten
übergeben.
Der Rücktritt der Regierung am Dienstag abend entspricht nicht den
Forderungen der Demonstranten, denn auch die nächste würde wieder vom
Militärrat bestimmt. Das Szenario ist fast eine Kopie der Ereignisse vom
Februar.
## Militär will keine Macht abgeben
Damals hatte Mubarak in seinen letzten Amtstagen auch die Regierung
ausgewechselt, während die Menschen auf dem Tahrir seinen Rücktritt
forderten. Jetzt zieht der Militärrat eine Regierung ab, und die
Demonstranten fordern den Sturz des Rates. Auch eine in den Medien
diskutierte Möglichkeit, dass Muhammad El-Baradei an der Spitze einer
Regierung der nationalen Rettung ein Weg aus der Sackgasse sein könnte, hat
den Nachteil, dass das Militär weiterhin im Hintergrund die Fäden zieht.
Auch in anderer Hinsicht scheint das Militär aus dem Ende Mubaraks wenig
gelernt zu haben. Je mehr man auf die Leute auf dem Tahrir einprügeln
lässt, desto mehr Ägypter kommen auf den Platz. Der beste Ausweg für das
Militär wäre tatsächlich, ein frühes Datum für die Präsidentschaftswahlen
und damit für seinen Abgang aus der Politik anzusetzen.
Doch zunächst wird das Militär vermutlich erst einmal die Stärke des
Tahrir-Platzes testen, wohl auch in der Hoffnung, die Demonstranten
politisch spalten zu können. Einen ersten Erfolg kann es dabei verbuchen.
Die Muslimbruderschaft, Ägyptens größte Oppositionsgruppe, hat ihre
Mitglieder aufgerufen, nicht auf den Tahrir zugehen.
Stattdessen verhandelt sie mit der Militärführung, wie es weitergehen soll.
Ein alter Fehler der Bruderschaft, die immer hofft, durch Kooperation dem
Herrscher ein Zugeständnis abzuringen.
## Der Druck der Straße
Tatsache ist, dass die Militärführung noch nie durch Verhandlungen, sondern
lediglich durch Druck auf der Straße Konzessionen gemacht hat. Die
Muslimbrüder laufen mit dieser Strategie Gefahr, junge Mitglieder zu
verlieren, die trotzdem auf den Tahrir-Platz kommen.
Am schwierigsten ist die ägyptische öffentliche Meinung einzuschätzen, und
ob sie wie zu Zeiten des Sturzes Mubaraks noch vom Tahrir-Platz angeführt
wird. Bei Umfragen letzten Monat hatte noch eine Mehrheit der Ägypter dem
Militär als Institution sein Vertrauen ausgesprochen - das war vor der
neuen Welle der Demonstrationen.
Ein Teil der Ägypter macht das Militär für den mangelnden demokratischen
Fortschritt verantwortlich, ein anderer - auch geschürt von der staatlichen
Presse - glaubt, dass die Demonstranten für Anarchie, Instabilität und
wirtschaftlichen Stillstand verantwortlich sind. Die nächsten Tage werden
zeigen, wen die Ägypter als den Wächter ihrer Interessen ansehen - das
Militär oder den Tahrir-Platz.
22 Nov 2011
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
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