# taz.de -- Überwachung per "stiller SMS": Dein Handy als ganz persönlicher S… | |
> Allein in Nordrhein-Westfalen ortet die Polizei Tausende Mobiltelefone. | |
> Linke, Piraten und Grüne fürchten Missbrauch und fordern eine bessere | |
> richterliche Kontrolle. | |
Bild: Werden ganz einfach per "stiller SMS" geortet: Handys. | |
BOCHUM taz | Mobiltelefone werden von der Polizei offenbar weitaus öfter | |
geortet als bisher vermutet. Im Jahr 2010 wurden allein in | |
Nordrhein-Westfalen die Handys von 2.644 Anschlussinhabern lokalisiert. Um | |
deren Aufenthaltsort zu bestimmen, verschickten die Ermittlungsbehörden auf | |
Grundlage von 778 Ermittlungsverfahren über 250.000 sogenannte "stille | |
SMS". Das geht aus der Antwort des NRW-Innenministeriums auf eine kleine | |
Anfrage der Linkspartei hervor, die der taz vorliegt. Ermittlungsbehörden | |
aus anderen Bundesländern nennen keine vergleichbaren Zahlen. | |
Mit "stillen SMS" können Handynutzer bis auf wenige hundert Meter genau | |
lokalisiert werden. Über eine Software funkt die Polizei Mobiltelefone an, | |
ohne dass deren Besitzer es mitbekommen. Das Handy meldet den Kontakt an | |
die Telefonfirma, die die Koordinaten der entsprechenden Funkzelle an die | |
Ermittlungsbehörden weitergibt. | |
Erst im Sommer hat die taz aufgedeckt, dass die Polizei bei einer | |
Anti-Nazi-Demo in Dresden Tausende Handys überwacht hatte. Angesichts der | |
Zahlen aus NRW spricht die innenpolitische Sprecherin der Linken im | |
Landtag, Anna Conrads, von einer "neuen Dimension der diesjährigen | |
Datenschutzskandale". Die Piraten sind alarmiert: "Allein in NRW jeden Tag | |
sieben neue Überwachungen - das ist eindeutig zu viel", sagt deren | |
Landessprecher Achim Müller. | |
Zwar weist das NRW-Innenministerium Vermutungen zurück, im größten | |
Bundesland könnten BesucherInnen von Demonstrationen wie in Dresden | |
pauschal überwacht werden. "Wir nutzen die Handyortung durch stille SMS nur | |
bei Kapitalverbrechen wie Terror, Gewalttaten oder Drogenhandel", | |
versichert Alexander Priem, Sprecher von Innenminister Ralf Jäger (SPD). | |
"Auf Grundlage des Versammlungsgesetzes findet in NRW keine | |
Funkzellenauswertung statt." | |
Per Handy ausspioniert werden könnten DemonstrantInnen trotzdem, warnen | |
Linke wie der Aachener Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko: So habe die | |
Polizei in Dresden argumentiert, gegen Kriminelle vorgehen zu wollen - und | |
so die erforderliche richterliche Anordnung für ihren Spitzeleinsatz | |
erhalten. | |
"Eine Funkzellenauswertung aus kriminalistischen Gründen ist auch in NRW | |
möglich", räumt auch Jägers Sprecher Priem auf Nachfrage ein. Als | |
Kapitalverbrechen gilt etwa auch der Verdacht auf Brandstiftung - brennt | |
bei einer Demo ein Müllcontainer, können die Teilnehmer also schnell ins | |
Visier der Überwachungsbehörden geraten. Die genaue Zahl solcher | |
Funkzellenauswertungen will das NRW-Innenministerium nicht beziffern. | |
Linke und Piraten fordern jetzt eine verbesserte richterliche Kontrolle. | |
"Heute haben Richter nur wenige Minuten Zeit, um über die Rechtmäßigkeit | |
einer Telekommunikationsüberwachung zu entscheiden", sagt Pirat Müller. Es | |
müsse genauer definiert werden, bei welchen Straftaten die Handyortung | |
genau eingesetzt werden dürfe, fordert der innenpolitische Sprecher der | |
Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag, Matthi Bolte: "Die stille SMS | |
darf nicht zum Lieblingsspielzeug von Dorfpolizisten werden." | |
23 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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