# taz.de -- Nach Stuttgart 21-Abstimmung: Kretschmann pocht auf "Kostendeckel" | |
> Die Grünen in Baden-Württemberg wollen jetzt den S21-Bau "konstruktiv" | |
> begleiten. Vor allem die Kosten sollen im Blick behalten werden. | |
Bild: Stuttgart 21-Gegner wollen auch nach der Volksabstimmung weiter gegen den… | |
STUTTGART dpa/dapd | Nach der Schlappe der Stuttgart-21-Gegner bei der | |
Volksabstimmung beraten die grün-rote Koalition und die Bahn an diesem | |
Montag über Konsequenzen. Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann | |
will das Milliarden-Bahnprojekt trotz großer Vorbehalte nun durchsetzen | |
helfen. | |
Am späten Sonntagabend forderte er die Bahn auf, zu erklären, ob sie die | |
Zusatzkosten übernimmt, wenn Stuttgart 21 teurer werden sollte. "Der | |
Kostendeckel bleibt. Wir werden nicht mehr bezahlen als unser Anteil an den | |
4,5 Milliarden Euro ist." Er wolle sich nicht von der Bahn erpressen | |
lassen. | |
Der Konzern reagierte gelassen. Falls Mehrkosten entstünden, werde man sich | |
verständigen, sagte Projektsprecher Wolfgang Dietrich. "Alle wollen das | |
Projekt: die Bürger, die Parteien, die Bahn - da wird man eine Lösung | |
finden." | |
Dietrich fügte hinzu: "Auch das Land muss seinen Beitrag leisten, wenn mehr | |
Kosten kommen sollten." Der Bahn-Vorstand will an diesem Montag in Berlin | |
über das weitere Vorgehen informieren. Am Abend kommen die S21-Gegner zur | |
"Montagsdemonstration" zusammen. | |
## Wahlbeteiligung bei 48,3 Prozent | |
Sie hatten am Sonntagabend eine herbe Niederlage einstecken müssen. Die | |
Mehrheit von 58,8 Prozent stimmte gegen einen Ausstieg des Landes. Nur 41,2 | |
Prozent waren für eine Kündigung der Finanzierungsverträge mit der Bahn. | |
Die Wahlbeteiligung lag bei 48,3 Prozent. Grünen-Bundeschef Cem Özdemir | |
räumte die Niederlage ein. | |
"Aber die Auseinandersetzung um einen anderen Umgang mit den Bürgern bei | |
Konflikten um Großprojekte werden wir gewinnen", sagte er der Stuttgarter | |
Zeitung. | |
Auch nach der verlorenen Volksabstimmung über den Ausstieg aus "Stuttgart | |
21" wollen einige der Gegner des milliardenschweren Bahnprojekts weiter | |
demonstrieren. "Ein vergoldetes Stück Blech wird nicht Gold, bloß weil eine | |
Mehrheit das sagt", erklärte der Schauspieler Walter Sittler als | |
prominenter "Stuttgart 21"-Gegner am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". Er | |
wolle "mit allen legalen Mitteln, die zur Verfügung stehen" weiter | |
protestieren. | |
Der eingefleischte S21-Gegner und Verkehrsminister Winfried Hermann sieht | |
sich jetzt Rücktrittsforderungen gegenüber. Kretschmann versuchte noch am | |
Abend, eine solche Diskussion im Keim zu ersticken. "Ich wüsste nicht, | |
warum er zurücktreten soll. Er hat einen harten Job gehabt, bisher den | |
härtesten in der Regierung." Hermann sei eine ganz starke Persönlichkeit, | |
er stehe voll hinter ihm. | |
## Nicht mehr zahlen, als das, was zugesagt sei | |
Hermann sieht es nun vielmehr als seine Aufgabe an, den Bau des Bahnhofs | |
weiter "kritisch-konstruktiv" zu begleiten. Dazu gehöre auch ein striktes | |
Kostencontrollin, sagte er im SWR. Der Bahnhof dürfe nicht teurer als die | |
bislang veranschlagten 4,5 Milliarden Euro werden. | |
In jedem Fall werde das Land nicht mehr zahlen als das, was bisher zugesagt | |
worden sei, sagte Hermann. Es werde seine Aufgabe sein, dem Projekt zu | |
einer guten oder besseren Lösung zu verhelfen. | |
Der Politikwissenschaftler Wolfgang Seibel sieht für Hermann keine andere | |
Lösung als den Rückzug. "Wenn Herr Hermann noch etwas demokratisches Ethos | |
hätte, müsste er zurücktreten", sagte der Professor an der Konstanzer | |
Universität. Da sich Hermann als S21-Gegner profiliert habe, sei es eine | |
Frage des politischen Anstandes, dass er den Hut nimmt. | |
Dass das Ergebnis des Volksentscheids dem Image der Grünen schadet, denkt | |
Seibel nicht. "Die Grünen in Baden-Württemberg werden geprägt durch | |
Winfried Kretschmann. Kretschmann versucht jetzt klugerweise staatsmännisch | |
aus dem Ergebnis das Beste zu machen." Der Tübinger Politikwissenschaftler | |
Hans-Georg Wehling sieht in Kretschmann sogar einen der Gewinner der | |
Volksabstimmung. "Er hat sich als guter Demokrat profiliert", sagte Wehling | |
der dpa. | |
## "Wichtiges Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland" | |
In Sachen Winfried Hermann ist Wehling anderer Meinung als Professor | |
Seibel. "Er hat blitzschnell umgedacht und betont, dass er das Votum der | |
Bürger akzeptieren werde. Viele, die ihn vorher für einen verbohrten | |
Betonkopf hielten, haben ihn plötzlich ganz anders erlebt." Trotzdem sei | |
der Verkehrsminister die größte Schwachstelle der Regierung. "Da kann die | |
Opposition weiter bohren." | |
Die Sprecherin des Aktionsbündnisses gegen S21, Brigitte Dahlbender sagte, | |
nach der Montagsdemonstration seien vorerst keine weiteren Kundgebungen | |
geplant. Erst müsse beraten werden, wie es weitergehe. Das Ergebnis werde | |
sicherlich den Widerstand verändern, meinte Dahlbender. CDU-Fraktionschef | |
Peter Hauk forderte die Grünen auf, sich aus dem Aktionsbündnis | |
zurückzuziehen. Hauk sagte der dpa, für die Partei sei die Grundlage für | |
ihr Engagement entfallen. | |
Baden-Württembergs Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) will den Schwung des | |
Referendums nutzen und für mehr direkte Demokratie sorgen. "Es muss um ein | |
Bündel an Maßnahmen geben, solche Großprojekte transparent zu machen und | |
die Bürgerbeteiligung voranzutreiben", sagte Wolf. | |
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) begrüßte das Ergebnis der | |
Volksabstimmung: Dies sei "ein wichtiges Signal für den Wirtschaftsstandort | |
Deutschland", erklärte Ramsauer am Sonntagabend in Berlin. "Große | |
Infrastruktur-Projekte müssen auch weiter möglich sein, deshalb freue ich | |
mich über das grüne Licht für das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21". | |
28 Nov 2011 | |
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