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# taz.de -- An der syrisch-irakischen Grenze: Nachts wird geschossen
> Der Aufstand in Syrien sorgt für Unruhe an der gemeinsamen Grenze mit dem
> Irak und spaltet die Bevölkerung. Bagdad und Damaskus arbeiten gut
> zusammen.
Bild: Demonstration gegen das Assad-Regime in der Nähe von Homs.
KAIM taz | Wenn sich die Nacht über Kaim senkt, wird es unruhig in dieser
Stadt an der irakisch-syrischen Grenze. "Sobald es dunkel wird, gehen die
Schießereien los", sagt der Arzt Ghazi Latif Jassem. Die Grenzstadt im
Westen des Irak war einst eine Hochburg von sunnitischen Aufständischen und
Terroristen, doch die Schüsse gehen heute nicht auf ihr Konto. Sie kommen
von der anderen Seite der Grenze aus Syrien.
Dort liegt Abu Kemal, seit dem Sommer eine Hochburg des syrischen
Widerstands gegen das Regime von Baschar al-Assad.
Spätestens im Mai gab es in der Provinzstadt im äußersten Osten von Syrien
die erste größere Freitagsdemonstration gegen Assad. Er schickte Panzer und
ließ nach Angaben von Bewohnern den Strom und die Telefone abstellen,
Dutzende seien verhaftet worden. Ende Juni zog Assad die Panzer wieder ab,
nur um sie keine drei Wochen später zusammen mit Sondereinheiten erneut
loszuschicken. Nach der Tötung von fünf Demonstranten gingen in Abu Kemal
mehrere Tausend auf die Straße.
Die Stadt habe sich erhoben, sagt ein Syrer, der in Kaim untergetaucht ist.
Den Regimegegnern hätten sich damals auch Soldaten angeschlossen. Sie
gehörten zu den ersten Deserteuren, die mittlerweile mindestens zwei
Untergrundgruppen gebildet haben.
## Vergiftetes Verhältnis
"Auch die Zivilisten greifen zu den Waffen", sagt ein hochrangiger Offizier
der irakischen Grenzpolizei. Gemäß den Erkenntnissen der Iraker sind auf
der syrischen Seite mehrere hundert Soldaten und Angehörige von
Sondereinheiten stationiert. "Fast jede Nacht hören wir Explosionen von
Mörsergranaten und Kalaschnikowfeuer", sagt der Offizier.
Lange Zeit war das Verhältnis zwischen den beiden Ländern vergiftet.
Sunnitische Extremisten drangen über Jahre hinweg über Syrien in den Irak
ein, und Assad gewährte nicht nur irakischen Flüchtlingen, sondern auch der
untergetauchten Führung von Saddam Husseins ehemaliger Baath-Partei
Zuflucht. Die schiitisch dominierte Regierung machte Syrien für den Terror
im Irak verantwortlich.
Mittlerweile ist davon nichts mehr zu hören. Vor einem Jahr hätten Assad
und Ministerpräsident Nuri al-Maliki, ein Schiit, ihre Differenzen
beigelegt, sagt ein Maliki-Vertrauter. Syrien habe mehrere Baathisten an
die Iraker ausgeliefert. In der Abstimmung der Arabischen Liga über
Maßnahmen gegen Syrien hat sich der Irak enthalten, und Bagdad will die
verhängten Sanktionen nicht befolgen.
## Ein Grenzzaun trennt die Verwandten
Für den Arzt in Kaim ist es eine verkehrte Welt. "Unsere Regierung sollte
sich auf die Seite des syrischen Volkes stellen und nicht auf die des
Regimes", sagt Jassem. Wie der Arzt denken viele in der Kreisstadt mit
mehreren zehntausend Einwohnern.
Dabei geht es nicht nur um Politik, die Familien haben auf beiden Seiten
der Grenze Verwandte. Mittlerweile trennt sie ein Grenzzaun, den die
Amerikaner gebaut haben, um den Zustrom der Dschihad-Kämpfer zu
unterbinden. Die Schwesterstädte sind Teil des sunnitischen Kernlandes in
Syrien wie im Irak.
Genau das sei der Grund, warum sich Maliki hinter Assad gestellt habe, sagt
der Arzt. Zusammen mit dem schiitischen Iran wollten die irakischen
Schiiten mit aller Macht einen Regimewechsel in Syrien verhindern. Assad
gehört wie die Führung des syrischen Regimes der schiitischen Minderheit
der Alawiten an.
Im Irak kursieren Gerüchte, schiitische Milizionäre würden aufseiten von
Assads Truppen kämpfen. Wird Assad gestürzt, wird am Ende auch der hiesige
Pharao fallen", sagt Jassem.
## Entführt und gefoltert
Viele Kritiker werfen Maliki autoritäre Bestrebungen vor. Die Stimmung in
Kaim spiegelt jedoch den verbreiteten Unmut der Sunniten über ihre
Ausgrenzung wider. Früher lebte der Arzt mit seiner Familie in Bagdad, wo
er als Chirurg eine gut gehende Klinik führte. Doch dann wurde er zweimal
von schiitischen Extremisten entführt und schwer gefoltert. Mittlerweile
hat er sich ein schönes Haus in Kaim gebaut.
Überhaupt scheint es den meisten hier relativ gut zu gehen. Neue schicke
Villen säumen die staubigen Straßen. Wichtigste Einkommensquelle ist neben
dem Grenzhandel vor allem der Schmuggel. Am Grenzposten brüsten sich die
Wachen, dass sie alles unter Kontrolle hätten.
Doch die Einwohner sprechen eine andere Sprache. Die Wachen auf beiden
Seiten seien so korrupt, dass man alles schmuggeln könne. Momentan seien es
vor allem Zigaretten und Medikamente. In Zukunft könnten es auch Waffen
sein.
29 Nov 2011
## AUTOREN
Inga Rogg
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