# taz.de -- Familienministerin und "Jungle World": Schröders Flirt mit Linksra… | |
> Wie Kristina Schröder einmal einer Zeitung ein Interview gab, die sie als | |
> linksextrem bekämpft wissen will. Und welches Geheimnis sie bislang | |
> verborgen hielt. | |
Bild: Im März 2006 gab Kristina Schröder, die damals noch Köhler hieß, der … | |
Verharmlost, unterschätzt und brandgefährlich findet Familienministerin | |
Kristina Schröder den Linksradikalismus. Dazu zählt sie offenbar auch die | |
Tageszeitung Neues Deutschland und die Wochenzeitung Jungle World; | |
zumindest werden diese Medien, [1][wie jüngst bekannt wurde,] in einer von | |
Schröders Ministerium geförderten und von einer "Zeitbild Stiftung" für den | |
Schulunterricht erstellten Broschüre als linksextrem eingestuft. | |
Im Vorwort schreibt die Ministerin: "Wir müssen gegenüber sämtlichen | |
extremistischen Tendenzen und Auffassungen wachsam sein und dagegen | |
vorgehen." Doch im März 2006 hat Kristina Schröder, die damals noch Köhler | |
hieß, selbst der Wochenzeitung Jungle World [2][ein langes Interview | |
gegeben.] | |
Wie konnte das der wachsamen Frau Schröderköhler passieren? Ich weiß es; | |
ich war dabei. | |
Am Anfang stand eine Bundestagsdebatte zum Thema Integration, die ich mit | |
meinem damaligen Kollegen Stefan Wirner im Fernsehen verfolgte. Genauer: | |
Wir schauten ab und zu hin, wie die immergleichen Leute die immergleichen | |
Reden hielten. Und dann kam sie. | |
Wow! Die Rede: in ihrem aufgeklärten Konservatismus relativ ernstzunehmen. | |
Die Rednerin: in ihrer juvenilen Biederkeit absolut hinreißend. Wir mussten | |
sie interviewen! | |
## "Jungs, ihr spinnt!" | |
Unter dem Spott einer Kollegin ("Jungs, ihr spinnt!") machten wir uns wir | |
uns an die Recherchen (Journalisten googeln nicht; sie recherchieren.) | |
Kristina Köhler, so recherchierten wir also, war blühende 28 Jahre alt und | |
"Berichterstatterin für Integration der CDU/CSU-Bundestagsfraktion". Sie | |
hatte dafür gesorgt, dass die antisemitische türkische Zeitung Vakit in | |
Deutschland verboten wurde. Und sie kam aus der hessischen CDU, die | |
jahrelang nur durch deutschnationale Hackfressen wie Alfred Dregger, | |
Manfred Kanther oder Roland Koch aufgefallen war. Wenige Tage später | |
erhielt ich einen Anruf aus dem Büro Köhler: | |
- "Vielen Dank für Ihre Anfrage. Aber wir müssen erst etwas klären: Ist | |
Ihre Zeitung linksextrem?" | |
- "Aber nie im Leben." | |
- "Und antideutsch?" | |
- "Aber nicht doch." | |
- "Können Sie das beweisen? Einer extremistischen Zeitung würde Frau Köhler | |
nämlich kein Interview geben." | |
- "Äh… die Jungle World ist links, aber nicht ähm… Erst neulich hat uns d… | |
Berliner Verfassungsschutz ein Interview gegeben. Mit Extremisten würden | |
die doch auch nicht reden." | |
- "Hm. Stimmt." | |
- "Sehen Sie." | |
- "Schicken Sie mir bitte den Link, dann vereinbaren wir einen Termin." | |
## Was Schröder ganz schlimm findet | |
Ich ließ dem Mann [3][das besagte Interview] mit dem Verfassungsschützer | |
(Thema: "Wie gefährlich sind eigentlich die Antideutschen?") zukommen und | |
verschwieg, dass ein beschäftigungsloses ostdeutsches Landesamt für | |
Verfassungsschutz die Jungle World einige Male als linksextremistisch und | |
antideutsch bezeichnet hatte. Bald darauf empfing uns Kristina tatsächlich | |
in ihrem Büro an der Spree. | |
Sie war ja so charmant. Aber wir versuchten, uns nicht über das | |
unvermeidliche Maß hinaus bezirzen zu lassen. Da sie gerade von den | |
Karnevalsfeiern in ihrem Wahlkreis zurückgekehrt war, hatten wir uns | |
folgende, lehrbuchmäßig überraschend-konfrontative Einstiegsfrage | |
ausgedacht: "Was mögen Sie lieber - den Berliner Karneval der Kulturen oder | |
den Rheinischen Karneval?" | |
Doch viel überraschender war ihre Antwort: "Ich verrate Ihnen etwas: Ich | |
finde Karneval ganz schlimm. Leider muss ich als Wiesbadener Abgeordnete | |
dahin. Das dürfen Sie aber nicht drucken; die reißen mir zuhause den Kopf | |
ab." Wir hielten uns daran - ein Fehler, der hiermit korrigiert sei. | |
Im weiteren Gespräch erzählte sie, dass keine Partei die Interessen von | |
Migranten besser vertritt als die CDU, die Kampagne gegen die doppelte | |
Staatsbürgerschaft eine prima Idee war und welche Dinge für Integration | |
zwingend sind ("Guten Tag sagen") und welche nicht ("Leberwurst essen"). | |
Immerhin verlief die Autorisierung des Interviews angenehm und frei von dem | |
Eifer, mit dem Mitarbeiter von Politikern oft versuchen, noch das letzte | |
halbwegs offene Wort zu streichen. | |
Gerne hätte ich nun Frau Köhlerschröder über dieses Interview interviewt. | |
Sie wollte nicht. "Man kann gar nicht wachsam genug sein", wird sie sich | |
vielleicht gedacht haben. | |
20 Dec 2011 | |
## LINKS | |
[1] /Neues-Deutschland-unter-Beobachtung/!83640/ | |
[2] http://jungle-world.com/artikel/2006/11/17097.html | |
[3] http://jungle-world.com/artikel/2005/46/16369.html | |
## AUTOREN | |
Deniz Yücel | |
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