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# taz.de -- CSU-Parteitag in Wildbad Kreuth: Das Tal der Tränen
> Hier werden Partnerschaften gekündigt und Ministerpräsidenten gestürzt:
> bei der CSU-Klausur in Wildbad Kreuth. Auch dieses Jahr?
Bild: Liebe und Intrige: Jedes Jahr im Januar wird dieses Tal zur Bühne.
Helmuth von Moltke war ein „Saupreiß“, ein preußischer
Generalfeldmarschall, aber das hat Franz Josef Strauß nicht davon
abgehalten, ihn zu zitieren. „Getrennt marschieren, vereint schlagen“
müssten die beiden christlich-sozialen Schwesterparteien, forderte Strauß
1976. Gerade hatte die Union bei der Bundestagswahl mit ihrem Kandidaten
Helmut Kohl knapp gegen den amtierenden Bundeskanzler Helmut Schmidt, SPD,
verloren.
Einen Monat später, bei ihrer Klausurtagung in Wildbad Kreuth, einem
oberbayerischen Luftkurort südlich des Tegernsees, votierten die Mitglieder
der CSU-Landesgruppe für den sogenannten Kreuther Beschluss. Die seit 1949
bestehende Fraktionsgemeinschaft mit der CDU im Bundestag sollte nicht
fortgeführt werden und die CSU künftig bei Bundestagswahlen als
eigenständige Partei antreten.
Auch wenn der Trennungsbeschluss nur einen Monat hielt, spukt seither in
der Tagungsstätte der Hanns-Seidl-Stiftung, in der sich sowohl die
CSU-Landesgruppe als auch die CSU-Landtagsfraktion alljährlich nach den
Feiertagen zu politischen Beratungen zurückziehen, der sogenannte Geist von
Kreuth.
„Kreuth macht immer wieder deutlich, dass es keinen Bindestrich gibt, keine
CDU-CSU, sondern zwei Parteien: CDU und CSU“, schreibt Edmund Stoiber in
seinen jüngst erschienenen Memoiren. Jedes Jahr frieren Scharen von
JournalistInnen vor dem meist tief verschneiten ehemaligen Kurbad, in der
Hoffnung, es könnte mal wieder etwas Spektakuläres geschehen, während die
Politiker hinter verschlossenen Türen tagen.
## Zwei Parteien, zwei Straßen
Abgeschieden ist es dort in Kreuth. Nur zwei Straßen führen hinein in das
kleine Tal und von dort auch wieder hinaus. Ein Ort zum Konspirieren. Am 8.
Januar 2002 erklärte die CSU-Landesgruppe den damaligen Parteivorsitzenden
Edmund Stoiber zum Kanzlerkandidaten der Union – obwohl auch Angela Merkel
gern angetreten wäre. Drei Tage später stimmte Merkel, damals
CDU-Vorsitzende, Stoibers Kandidatur zu.
Als die CSU-Landtagsfraktion Stoiber fünf Jahre später in einem politischen
Intrigenspiel stürzte, ging es auch um Macht – um die in der Partei. Man
vereinbarte Stoibers Nachfolge, hinter seinem Rücken. Stoiber konnte nur
noch abdanken. Dass während dieser schicksalhaften Tagung Orkan „Kyrill“
übers Land zog und die Bilder aus dem oberbayerischen Idyll mit
unheilvollen schwarzen Wolken untermalte, hat den Mythos vom „Kreuther
Geist“ wohl noch verstärkt.
Wenn sich die JournalistInnen neben den üblichen Frotzeleien des
Ministerpräsidenten auch in diesem Jahr wieder etwas Bedeutungsvolles
erhoffen, ist sicher: Die Schwesterpartei CDU hat diesmal außer einem neuen
Vorstoß der Landesgruppe zu wenig realistischen EU-Reformen kaum etwas zu
befürchten. Horst Seehofer wird nicht müde, die laut Umfragen auch in
Bayern recht beliebte Kanzlerin zu loben.
Trotzdem gärt es mal wieder gehörig in der Partei. Nicht wenige in der CSU
sind unzufrieden mit Seehofers Führungsstil. Zwar sind seine
Sonnenkönig-Allüren für niemanden neu. Und auch, dass er sein
Spitzenpersonal gern mal abkanzelt, wenn ihm die Schlagzeilen nicht passen,
ist bekannt. Die verbalen Gemeinheiten jedoch, die er kürzlich bei der
Weihnachtsfeier der bayerischen Landtagspresse den JournalistInnen in den
Block diktierte, waren dann doch ein wenig zu viel.
## Lästereien und Aufstände
Den Finanzminister traf es besonders hart: Markus Söder sei „vom Ehrgeiz
zerfressen“, habe „charakterliche Schwächen“ und leiste sich zu viele
„Schmutzeleien“, lästerte Seehofer – und erntete damit vor allem
Unverständnis und Ablehnung von der Landtagsfraktion, statt dem sonst
[1][nicht sonderlich beliebten Söder] zu schaden.
Was, wenn der nun in bewährter Kreuther Tradition den Aufstand probt? Auch
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer – von Seehofer als „Zar Peter“
tituliert – ist sauer. Vergangene Woche stellte er in einem großen
Interview Seehofers Machtanspruch infrage und rief
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner als kommende
Ministerpräsidentin und Nachfolgerin für den Parteivorsitz aus.
Bayerns Finanzminister Söder schielt bereits auf ein Ende der Ära Seehofer.
Er hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er den Ministerpräsidenten einst
beerben will. In der kommenden Legislaturperiode würde er gern den
Fraktionsvorsitz der CSU übernehmen, heißt es. Weil aber auch Aigner für
diesen Posten gehandelt wird, ist Söder mit ihr eine mächtige Konkurrentin
erwachsen, seit Seehofer die Ministerin als Trumpf für die Landtagswahl
nach Bayern holte. Im Gegensatz zu Söder ist sie in der Partei und bei den
Wählern beliebt.
Eine Machtrochade, die Seehofer aus dem Weg räumt, könnte unter Umständen
für alle drei von Nutzen sein, denn dann gäbe es wieder einiges an Posten
zu vergeben. Eines sollte Seehofer also dieses Jahr in Kreuth ganz bestimmt
nicht tun: vorzeitig abreisen. Diesen Fehler hat Stoiber damals begangen.
## Ämterteilung in Abwesenheit
Was dann tatsächlich geschah, ist nicht zweifelsfrei zu sagen. Es gibt
mehrere Erzählungen, die nebeneinander existieren. Fest steht: In Stoibers
Abwesenheit verständigen sich Erwin Huber und Günther Beckstein auf eine
Ämterteilung: Huber wurde Parteichef, Beckstein Ministerpräsident. Wer
weiß, vielleicht sind Söder, Ramsauer und [2][Aigner] zu Ähnlichem fähig?
So kurz vor der Landtagswahl, bei der die CSU keine schlechten Chancen hat
zu gewinnen, wäre das eine gelungene Überraschung. Weitaus wahrscheinlicher
ist, dass die Geschmähten die Unflätigkeiten des Ministerpräsidenten still
über sich ergehen lassen und ihre Rachegelüste für die kommende
Legislaturperiode aufsparen. Auch Ilse Aigner wird vermutlich lieber
abwarten, bis ihre Zeit durch Seehofers Gnaden gekommen ist. Aber wer
vermag schon zu sagen, was der „Geist von Kreuth“ alles bewirken kann?
7 Jan 2013
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## AUTOREN
Marlene Halser
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Kristina Schröder
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