# taz.de -- Streit um Kruzifix im Ministerium: Besuch mit dem Kreuz im Rücken | |
> Im Besucherraum des Verbraucherministeriums gibt es ein Kruzifix. Eine | |
> Gruppe Grünen-Besucher fordert Ministerin Ilse Aigner (CSU) nun zum | |
> Abhängen auf. | |
Bild: Freie Dekoration: Ministerin Ilse Aigner übte schon auf der Grünen Woch… | |
BERLIN taz | Die Gäste staunten nicht schlecht. Der Referent des | |
Bundesverbraucherministeriums hatte die Gruppe, die der hessische | |
Grünen-Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour aus seinem Wahlkreis nach | |
Berlin geladen hatte, in einen Besucherraum geführt. Dort hing gut sichtbar | |
ein Kreuz, etwa 30 cm groß. Waren sie in einem christlichen Ministerium | |
gelandet? Gab es nicht so etwas wie ein staatliches Neutralitätsgebot? | |
Sonja Arnold und Andrea Wacker-Hempel, zwei Grünen-Politikerinnen, die an | |
dem Besuch teilnahmen, verfassten einen Brief an Verbraucherministerin Ilse | |
Aigner (CSU): Der Besucherraum sei ja „auch öffentlich“ und müsse deshalb | |
religiös neutral gehalten werden. Man bitte deshalb „nachdrücklich darum, | |
dass das Kreuz aus dem Raum entfernt wird“. | |
Das Ganze erinnert an den Kruzifixstreit in Bayern: In bayerischen | |
Klassenzimmern hängt nämlich ebenfalls oft ein Kreuz. 1995 hatte das | |
Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass ein Kreuz abgehängt werden müsse, | |
wenn ein Kind oder seine Eltern es verlangen. Doch jedes Mal, wenn Einzelne | |
das Abhängen fordern, erhebt sich in der katholischen Bevölkerung ein Sturm | |
pro Kruzifix. | |
Auch Wacker-Hempel hat in ihrem Offenbacher Kreistag schon einen | |
Kruzifixstreit erlebt: 2003 urteilte der Hessische Verwaltungsgerichtshof, | |
dass im Kreistagssaal ein neu aufgehängtes Kruzifix wieder entfernt werden | |
müsse. Auch Aigner solle sich an das Neutralitätsgebot halten, so | |
Wacker-Hempel zur taz: „Schließlich bezahlen wir sie mit unseren | |
Steuergeldern. Es kommen ja auch andersgläubige BesucherInnen in diesen | |
Raum. Das ist einfach unhöflich.“ | |
## Antwort in schönstem Juristendeutsch | |
Das Ministerium verweist auf die Antwort des Innenstaatssekretärs Ole | |
Schröder auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei, der das Kreuz ebenfalls | |
negativ aufgefallen war. In schönstem Juristendeutsch heißt es: Das Kreuz | |
„beeinträchtigt die Religionsfreiheit nicht, solange es nur beiläufig von | |
einer unbestimmten Allgemeinheit wahrgenommen wird.“ | |
Schließlich hänge es, so präzisiert das Ministerium, an der hinteren Wand, | |
„im Rücken der Besucherinnen und Besucher“. Die also dürfen sich nicht | |
umdrehen und keinesfalls alle zugleich das Kreuz bemerken? | |
„Wir haben im Ministerium viele Besucherräume“, orakelt Sprecher Holger | |
Eichele und will damit wohl sagen, dass andersgläubige Besuchergruppen in | |
anderen Räumen empfangen werden können. Und die Bundesregierung betont, | |
dass Ministeriumsräume nach Belieben ihrer ChefInnen behängt werden dürfen: | |
„Das Ministerium ist ein Dienstgebäude und kein öffentlicher Raum“, so ein | |
Sprecher zur taz. „Jeder Minister kann es dekorieren, wie er es für richtig | |
hält“. | |
26 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
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