# taz.de -- Kristina Schröder und der Linksextremismus: John Lennon? Nazis? Ni… | |
> Die SPD hatte Kristina Schröder gefragt, ob "Ton Steine Scherben" und | |
> John Lennon linksextremistisch seien. Nun antwortet ihr Ministerium und | |
> traut sich keine Einschätzung zu. | |
Bild: "Stellt euch vor, alle Menschen Leben in Frieden": War John Lennon Linkse… | |
BERLIN taz | Songtitel der Rockgruppe "Ton Steine Scherben" vermitteln | |
"nicht voraussetzungslos linksextremistisches Gedankengut" und sind in | |
"ihrer Interpretation grundsätzlich bedeutungsoffen und in der Rezeption | |
kontextabhängig". So steht es in einer Antwort des Familienministeriums auf | |
eine [1][Kleine Anfrage des SPD-Bundestagsabgeordneten Rolf Schwanitz]. | |
Allerdings würden Titel der "Scherben" oft auf Transparenten und in | |
Graffitis von der "linksextremistischen Szene" zitiert. | |
Schwanitz’ Frage, wie die Bundesregierung vor diesem Hintergrund John | |
Lennons "Power to the People" und Herbert Grönemeyers "Kinder an die Macht" | |
bewertet, bleibt indes leider unbeantwortet. Denn für den Inhalt der | |
[2][Broschüre "Demokratie stärken – Linksextremismus verhindern"], darunter | |
auch die Zuordnung einiger Titel der "Scherben", sei nicht die | |
Bundesregierung verantwortlich, sondern allein die Herausgeberin, die | |
Münchner Zeitbild-Stiftung. | |
Eine interessante Argumentation, wenn man bedenkt, dass das | |
Familienministerium [3][diese Broschüre mit rund 120.000 Euro gefördert | |
hat], Ministerin Kristina Schröder das Vorwort ge- oder wenigstens | |
unterschrieben hat und sie dieses Heft für den Schulunterricht empfiehlt. | |
## | |
"Nicht zuständig" lautet denn auch die Antwort auf die meisten Fragen der | |
SPD-Fraktion: Ob die Bundesregierung es für zulässig hält, dass in dieser | |
Broschüre als vermeintliches Beispiel für die tendenziöse Berichterstattung | |
linksradikaler Medien zwei Artikel aus den Tageszeitungen Junge Welt und | |
Berliner Morgenpost über Auseinandersetzungen am Ersten Mai in Berlin | |
gegenübergestellt werden, dabei aber unterschlagen wird, dass auch die | |
Morgenpost ausführlich über den Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray | |
berichtet hatte? Nicht zuständig. | |
Ob die Bundesregierung das in der Broschüre formulierte | |
Extremismuskriterium teilt, die Sozialdemokratie sei "nicht als | |
extremistisch einzustufen, da ihre politischen Ideen zur Emanzipation von | |
benachteiligten Menschen auch das Ziel anderer Gruppen in demokratischen | |
Gesellschaften ist"? Nicht zuständig. | |
## Eine "ideologische Kampfschrift" | |
Ob es die Bundesregierung vertretbar findet, dass Studienergebnisse des | |
Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen über Gewalt gegen | |
Polizisten verfälschend zitiert werden? Wie sie die Unterteilung in | |
"antidemokratische und demokratische Antifaschisten" findet? Wie sie die | |
wissenschaftliche Betreuung durch den Chemnitzer Politikprofessor Eckhard | |
Jesse bewertet? Nicht zuständig. | |
Kein Wunder, dass Rolf Schwanitz von einer "Bewertungsverweigerung" | |
spricht, die jedoch bei einer durch die Bundesregierung finanziell | |
geförderten und von ihr empfohlenen Publikation nicht akzeptabel sei. Dass | |
die meisten seiner 28 Fragen nur ausweichend oder gar nicht beantwortet | |
werden, sieht Schwanitz als "Eingeständnis, dass es sich bei der | |
Publikation nicht um ein fachwissenschaftlich fundiertes Magazin, sondern | |
eher um eine ideologische und parteipolitische Kampfschrift handelt". | |
Für diese "unseriöse", mitunter "absurde" und als Unterrichtsmaterial "im | |
höchsten Maße ungeeignete" Broschüre seien Steuergelder verschleudert | |
worden. Insgesamt erwecke die Bundesregierung den Eindruck, dass ihr diese | |
Publikation "geradezu peinlich" sei, freilich ohne dass sie sich davon | |
distanzieren würde. | |
## | |
Immerhin eines räumt das Familienministerium ein: Dass nämlich die in | |
dieser Broschüre getroffene Aussage, ein "beträchtlicher Teil" der | |
Brandanschläge auf Autos, die in den vergangenen Jahren in Berlin verübt | |
wurden, gehe auf "linksextremistische Gewalt" zurück, auf der polizeilichen | |
Eingangsstatistik beruhe. | |
Die aber ist eine reine Verdachtsstatistik, bei der schon eine polizeiliche | |
Vermutung für die Zuordnung einer Straftat ausreicht: "Insofern finden die | |
Prinzipien der Unschuldsvermutung sowie die Tatsache, dass ein | |
Ermittlungserfolg noch nicht vorliegt, grundsätzlich keine Berücksichtigung | |
bei der Erfassung in einer polizeilichen Statistik", heißt es in der | |
Antwort. In der Broschüre der Zeitbild-Stifung fehlt ein solcher Hinweis. | |
Aber selbst von dieser unredlichen Darstellung mag man sich im | |
Familienministerium nicht distanzieren. | |
## Rechtsextremismus: Nicht zuständig | |
Zuvor hatte das Ministerium auf eine [4][Kleine Anfrage des Abgeordneten | |
Jan Korte (Linkspartei)] erklärt, dass die [5][Tageszeitung] Neues | |
Deutschland und die [6][Wochenzeitung] Jungle World "gelegentlich Beiträge | |
mit linksextremistischen Bezügen" aufweise bzw. "regelmäßig unter anderem | |
Fragestellungen des linksextremistischen antideutschen Spektrums" | |
aufgreife. Ansonsten aber sei die Bundesregierung für die in der Broschüre | |
getroffenen Einschätzungen, na klar, nicht zuständig. | |
Weniger zuständig sieht man sich offenbar auch für Bekämpfung des | |
Rechtsextremismus: "Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass im Blick | |
auf die braune Terrorzelle aus Zwickau die Auseinandersetzung mit dem | |
Linksextremismus an den Schulen vordringlich ist?", wollte Rolf Schwanitz | |
wissen. Schröders Ministerium ließ diese Frage unbeantwortet. | |
Eine vom Familienministerium geförderte und mit einem Vorwort von Frau | |
Schröder für den Unterricht empfohlene Publikation zum Thema | |
Rechtsextremismus existiert übrigens nicht. Eingedenk der Qualität dieser | |
Broschüre muss man vielleicht sagen: Ist besser so. | |
11 Jan 2012 | |
## LINKS | |
[1] /Kristina-Schroeder-und-der-Linksextremismus-/!84505 | |
[2] /Neues-Deutschland-unter-Beobachtung/!83640 | |
[3] /Kristina-Schroeder-und-Linksextremismus/!85237 | |
[4] /Kristina-Schroeder-und-Linksextremismus/!85237 | |
[5] /Tageszeitung-Neues-Deutschland/!83937 | |
[6] /Familienministerin-und-Jungle-World/!84005 | |
## AUTOREN | |
Deniz Yücel | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Kristina Schröder | |
Kristina Schröder | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Familienministerium gegen Extremisten: Erst verstehen, dann vorbeugen | |
Dem Extremismus-Programm von Familienministerin Schröder fehlt die | |
Wissenschaftlichkeit, doch das will ihr Ministerium nicht einsehen. Die | |
Opposition fordert: abschaffen. | |
Familienministerium und die Extremisten: SPD-Gründer als Linksextremist | |
Eine Broschüre sollte Schüler über linken Extremismus aufklären. Doch jetzt | |
lehnt das Familienministerium die Verantwortung für das Werk ab. | |
Kristina Schröder plant Informationszentrum: Anti-Nazi-Bewegung nun Familiensa… | |
Familienministerin Schröder will ein "Informationszentrum gegen rechts" | |
gründen. Das Geld sei unnötig und würde anderswo gebraucht, kritisieren | |
Initiativen. | |
Kristina Schröder und Linksextremismus: Die Ministerin weiß von nichts | |
Das Familienministerium will nicht für die fragwürdige Extremismusbroschüre | |
verantwortlich sein. Dabei finanzierte es die Broschüre mit 120.000 Euro. | |
Kristina Schröder und der Linksextremismus: John Lennon im Bundestag | |
Die Extremismus-Broschüre aus dem Hause Schröder beschäftigt die | |
Opposition. Sie will nun wissen, ob die Bundesregierung „Ton Steine | |
Scherben“ und John Lennon für bedenklich hält. | |
Familienministerin und "Jungle World": Schröders Flirt mit Linksradikalen | |
Wie Kristina Schröder einmal einer Zeitung ein Interview gab, die sie als | |
linksextrem bekämpft wissen will. Und welches Geheimnis sie bislang | |
verborgen hielt. | |
"Neues Deutschland" unter Beobachtung: Wachsam nach allen Seiten | |
Für Familienministerin Kristina Schröder ist die Tageszeitung "Neues | |
Deutschland" ein linksextremes Blatt. Ihre Chefin Merkel trifft die | |
Redakteure trotzdem. |