# taz.de -- Finanzspritze von der EZB: Keine Lösung für Eurokrise | |
> Die 500-Milliarden-Spritze aus Frankfurt bringt nur kurzfristig | |
> Entlastung - für Banken und Unternehmen. Die überschuldeten Staaten aber | |
> schauen in die Röhre. | |
Bild: Noch leuchtet das Euro-Zeichen vor der EZB in Frankfurt/Main. | |
BRÜSSEL taz | Die Freude über das verfrühte Weihnachtsgeschenk währte nur | |
kurz. Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) am Mittwoch eine | |
Geldspritze von rund 500 Milliarden Euro an die europäischen Banken | |
verabreicht hatte, jubelten die Börsianer und der Euro notierte fester. | |
Doch am Donnerstag machte sich schon wieder Ernüchterung breit. Was von | |
Investoren zunächst als Zeichen für ein entschiedenes Vorgehen gegen die | |
Eurokrise gewertet worden war, wurde nun eher negativ interpretiert: als | |
Eingeständnis, dass die Krise doch viel größer ist, als es Bundeskanzlerin | |
Angela Merkel (CDU) und die anderen Euro-Chefs zugeben wollen. | |
Dabei ist die Idee, die hinter der bisher beispiellosen Intervention auf | |
dem Geldmarkt steckt, auf den ersten Blick bestechend. EZB-Chef Mario | |
Draghi wollte mit dem vorweihnachtlichen Sonderangebot - die Banken müssen | |
für dreijährige Kredite nur 1 Prozent Zinsen zahlen und weniger | |
Sicherheiten als üblich hinterlegen - gleich zwei Fliegen mit einer Klappe | |
schlagen. | |
Zum einen möchte er das Euro-System mit Liquidität versorgen, um ein | |
"Austrocknen" der Geldversorgung zu verhindern. Zum anderen will er einer | |
drohenden Kreditklemme vorbeugen - letztlich soll die Geldspritze an die | |
Banken bei den Unternehmen ankommen und die Konjunktur stützen. | |
Beides ist dringend nötig: Denn Italien, Spanien und Frankreich sind schon | |
in der Rezession angekommen. Und die Krise am Bankenmarkt sei bereits | |
genauso schlimm wie kurz nach dem Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers | |
im Herbst 2008, warnte die EZB Anfang dieser Woche. | |
## Drohener Crash abgewendet | |
Man habe es mit einer "systemischen Krise" zu tun, was nichts anderes | |
bedeutet, als dass das gesamte Euro-Währungssystem vom Zusammenbruch | |
bedroht ist. | |
Immerhin: Der drohende Crash ist mit der Geldspritze aus Frankfurt nach | |
Meinung der meisten Experten abgewendet - zumindest vorerst. Ob auch das | |
zweite Ziel erreicht wird, die Wirtschaft besser mit Geld zu versorgen, ist | |
jedoch fraglich. | |
Einige Branchen klagen bereits, weil die Geldinstitute knausriger geworden | |
seien. Die Banken entschuldigen sich mit dem Hinweis, dass sie künftig mehr | |
Eigenkapital vorhalten müssen, was die Kreditvergabe erschwere. Außerdem | |
müssen sie 2012 die riesige Summe von 725 Milliarden Euro refinanzieren - | |
auch das dämpft die Lust, Geld zu verleihen. | |
Ob die EZB-Spritze aus dieser Misere hilft, ist unter Experten umstritten. | |
Während die einen glauben, sie könne den Teufelskreis aus schlechten | |
Nachrichten und negativen Erwartungen brechen, geben sich andere skeptisch. | |
## Kalkül geht nicht auf | |
Ein Kredit komme nur zustande, wenn er angeboten und auch nachgefragt | |
werden, schreibt etwa Mark Schieritz auf dem Wirtschaftsblog "Herdentrieb". | |
Es sei jedoch weder sicher, dass die Banken nun günstigere Kredite | |
anbieten, noch dass die Kunden angesichts der unsicheren Wirtschaftslage | |
mehr Geld aufnehmen. | |
Noch fragwürdiger ist, ob die Banken künftig wieder mehr Staatsanleihen | |
kaufen und so zur Stützung überschuldeter Länder wie Italien beitragen. | |
Diese Hoffnung hatte Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy geäußert. | |
Doch zumindest in Rom dürfte dieses Kalkül nicht aufgehen. | |
Der Chef der italienischen Großbank Unicredit, Federico Ghezzoni, sagte, er | |
sehe derzeit keinen Sinn darin, Staatsanleihen zu kaufen. Wenn überhaupt, | |
werde Unicredit das EZB-Geld als Darlehen an die Unternehmen weitergeben. | |
22 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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