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# taz.de -- Außenpolitikbeauftrage der EU Ashton: Und sie kann doch was
> Vor einem Jahr begann EU-Außenpolitikerin Catherine Ashton ihre Arbeit.
> Trotz Parallelstrukturen, Kommunikationswirrwarr und Eitelkeiten gewinnt
> sie an Profil. Eine Bilanz.
Bild: Sie sei unsichtbar, wurde Catherine Ashton vorgeworfen.
BRÜSSEL taz | Catherine Ashton führt einen komplizierten Titel. "Hohe
Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik" steht auf ihrem
Namensschildchen. Wer nimmt sich schon Zeit für so ein Wortungetüm? Der
König von Saudi-Arabien zum Beispiel. Er muss Ashton so nennen, wenn er auf
Staatsbesuch ist, und er tut es auch, weil es das Protokoll so verlangt.
Umgekehrt redet Ashton ihn mit "Eure Hoheit, Bewahrer der zwei Moscheen"
an.
Catherine Ashton wird überall in der Welt empfangen. Staatschefs und
-oberhäupter schütteln ihr die Hände, manchmal ist auch ein Handkuss drin.
Aber damit ist es auch schon vorbei mit den Streicheleinheiten. Baroness
Catherine Ashton, 55, in den Adelsstand erhobene Labour-Politikerin, muss
sich seit ihrer Ernennung zur verkappten EU-Außenministerin vor knapp zwei
Jahren harsche Kritik gefallen lassen.
Sie sei nicht kompetent, ja sogar unsichtbar auf der internationalen
Politikbühne, wurde ihr von verschiedenen Seiten, nicht zuletzt aus dem
Europäischen Parlament vorgeworfen. Mittlerweile arbeitet der Auswärtige
Dienst, sozusagen ihr Außenministerium, seit gut einem Jahr, und so langsam
gelingt es der Britin, echte Politik zu machen.
Erfolgreich vertrat Ashton die Europäische Union Ende September bei der
UN-Vollversammlung und gab dem Nahostquartett neue Impulse. Sie reiste
mehrfach nach Nordafrika und sorgte dafür, dass die EU in der libyschen
Rebellenhochburg Bengasi ein Büro eröffnet und damit ihre Unterstützung der
Rebellen klar gemacht hat.
## Zurückhaltendes Lob
"Sie hat sich inzwischen eingearbeitet. Sie könnte noch forscher auftreten,
aggressiver. Aber das ist nicht ihr Stil", sagt der Europa-Abgeordnete der
SPD, Wolfgang Kreissl-Dörfler, über Ashton. Auch der außenpolitische
Sprecher der konservativen Fraktion, Elmar Brok, hat mittlerweile Lob für
Ashton übrig: "Natürlich könnte sie noch mehr machen, aber sie macht ihre
Sache schon ziemlich gut."
Ashton hat Profil entwickelt, tritt selbstbewusster auf und gerade im
Umgang mit den Revolutionen in Tunesien, Ägypten und Libyen hat sie für die
EU-Politik Akzente gesetzt. Allerdings hat sie es nach wie vor schwer, sich
durchzusetzen. "Das Hauptproblem ist, dass ihr 27 Außenminister und
Regierungschefs Konkurrenz machen. Die Mitgliedsstaaten wollen nicht
wirklich etwas abgeben vom Kuchen, und wenn Angela Merkel Nein zu etwas
sagt, dann kann Ashton einen Handstand machen, und es passiert trotzdem
nichts", sagt EU-Parlamentarier Wolfgang Kreissl-Dörfler.
Ashtons Amt - Resultat des Vertrags von Lissabon - war von Anfang an
umstritten. Die Staats- und Regierungschefs hatten sich mit der britischen
Politikerin, die zuletzt Vorsitzende des Oberhauses gewesen ist, eine
Person ausgesucht, von der sie annahmen, dass sie den nationalen Diplomaten
keine allzu große Konkurrenz machen würde. "Joschka Fischer wäre ein
geeigneter Kandidat gewesen. Aber da hat Guido Westerwelle es mit der Angst
gekriegt. Den wollte er nicht neben sich haben", sagt Kreissl-Dörfler.
Deshalb muss Ashton den nationalen Diplomaten jeden Kompromiss abtrotzen.
Dabei geht viel Energie und Zeit verloren, die Ashton in ihre eigentliche
Arbeit investieren sollte. Denn zu tun gibt es genug. Sie muss sich um die
Revolutionen in Nordafrika kümmern, mehr Druck auf das Regime in Syrien
bewirken, den Nahost-Friedensprozess voranbringen, mit Serbien über das
Kosovo verhandeln und versuchen, die ehemalige ukrainische
Premierministerin Julia Timoschenko aus dem Gefängnis zu holen. Diesen
Anforderungen gerecht zu werden, ist praktisch unmöglich.
## Verteilt auf acht Standorte
Dazu kommt, dass der Auswärtige Dienst noch immer nicht voll funktionsfähig
ist. Einige Stellen sind nach wie vor unbesetzt. Die Behörde wird zu
gleichen Teilen von der EU-Kommission, dem Rat und mit nationalen
Diplomaten aus den Mitgliedsländern besetzt. "Die Menschen müssen sich erst
kennen lernen, aber auch die Datensysteme müssen angepasst werden. Das
dauert seine Zeit", sagt Ashtons Sprecher Michael Mann. Nicht einmal im
gleichen Gebäude sitzen die Mitarbeiter zurzeit, sondern sie sind über acht
Standorte in Brüssel verteilt.
Noch schwieriger ist die Kommunikation mit den Delegationen der
Europäischen Union in Drittländern. Dort gehört oft die Hälfte des
Personals zur Europäischen Kommission, die andere zum Auswärtigen Dienst.
"Es herrscht Misstrauen. Meine Kollegen bei der Kommission in Brüssel
wollen ihre Informationen nicht mit den Leuten vom Auswärtigen Dienst
teilen. Ich sitze zwischen den Stühlen, das kann sehr unangenehm sein",
sagt ein Mitarbeiter aus einer Delegation in Osteuropa, der anonym bleiben
will.
Wenn er von der Kommission aus Brüssel Informationen bekommt, weiß er, dass
sein Delegationschef, der nicht der EU-Kommission, sondern Ashton
unterstellt ist, die Informationen zwar bräuchte, Brüssel sie ihm aber
lieber vorenthalten würde. Er muss dann entscheiden, auf welche Seite er
sich stellt. "Das macht meine Arbeit kompliziert", sagt er.
Ab 2012 soll zumindest in Brüssel mehr Zusammengehörigkeitsgefühl
herrschen. Dann wird der gesamte Auswärtige Dienst in ein gemeinsames
Gebäude umziehen. Bis dahin soll die Informatik funktionieren und auch die
Kommunikation zwischen den Mitarbeitern. Und dann kann sich Ashton endlich
ganz auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren: Europas Außenpolitik
koordinieren. Das ist schwer genug.
29 Dec 2011
## AUTOREN
Ruth Reichstein
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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