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# taz.de -- taz-Serie: Die Grenzen des Wachstums: Der Vater der Ökosteuer
> Ohne Wachstum geht es nicht, sagt Hans Christoph Binswanger. 1,8 Prozent
> sind aber genug. Das könne ohne zusätzlichen Verbrauch von Ressourcen
> umgesetzt werden.
Bild: Das Wirtschaftswachstum basiert auf einer Verschuldung gegenüber der Nat…
FREIBURG taz | Ein Schneeballsystem kann nicht auf Dauer gut gehen, das ist
altbekannt. Für den Schweizer Wirtschaftswissenschaftler Hans Christoph
Binswanger ist die Wachstumsspirale der Wirtschaft auch nichts anderes als
ein Schneeballsystem, wie man es etwa von Kettenbriefen kennt: Die
Gewinnauszahlungen an frühere Investoren werden aus den Einzahlungen der
neuen Investoren gespeist - man zahlt alte Schulden mit neuen.
Allerdings entstehen in der Wachstumsspirale der Wirtschaft im Unterschied
zu einem Schneeballsystem reale Gewinne und Einkommenszuwächse. Das sei
aber nur möglich, sagt Binswanger, weil es zugleich eine andere Seite gibt,
die ausgebeutet wird: "Die Natur wird gezwungen, mitzuspielen."
Denn der Verbrauch der Natur ist gratis. Das Wirtschaftswachstum basiere
auf einer Verschuldung gegenüber der Natur - und die müsse der Profiteur
nicht begleichen: "Das macht es lukrativ, sich möglichst viele Ressourcen
der Natur anzueignen und produktiv zu verwerten; denn es entstehen
selbstverständlich dort die größten Gewinne, wo man etwas verkaufen kann,
das man nicht kaufen musste, das man einfach ohne Bezahlung in Besitz
nehmen konnte."
Nur aufgrund solcher Missverhältnisse - es gibt einen Leidtragenden, der
sich nicht wehren kann - konnte sich das ökonomische Schneeballsystem so
lange halten. Doch irgendwann werde eben auch die Natur nicht mehr
mitspielen können, weil deren Ausbeutung die physischen Grenzen der Erde
erreicht.
## Der Erfinder
Der Wirtschaftsprofessor aus St. Gallen klagt an: "Die Ressourcen kommen in
der klassischen Ökonomie nicht vor." Deshalb kämpft er schon lange dafür,
genau das zu ändern: Bereits in den achtziger Jahren trat Binswanger für
die Ökosteuer ein, er gilt heute als ihr Erfinder. Doch wo setzt man sie
an? Nur beim Energieverbrauch? Oder auch beim Landschaftsverbrauch, bei der
Flächenversiegelung? "Ich würde es bei der Energie belassen", sagt
Binswanger, "ansonsten wird es sehr kompliziert".
Zugleich denkt er in Sachen Wachstum klassisch, denn er hält die Ökonomie
für instabil, wenn sie nicht quantitativ wächst. Global brauche man etwa
1,8 Prozent Wachstum, um das bestehende Wirtschaftssystem am Laufen zu
halten. Ein Wachstum in dieser Größe, das deutlich hinter dem globalen
Wachstum der letzten Jahre zurückbliebe, könne aber ohne steigenden
Ressourcenverbrauch organisiert werden, ist er überzeugt. Dazu müsse der
Verbrauch von Natur und Rohstoffen anders als heute einen angemessenen
Preis bekommen.
Allerdings findet seine Position in der Politik kaum Gehör. In Deutschland
haben selbst die Grünen nach ersten bescheidenen Anfängen einer
ökologischen Steuerreform nach ihrem Regierungsantritt 1998 heute kaum mehr
die Courage. Binswanger erklärt die Trägheit der Politik mit der
Gewohnheit: "Seit über 200 Jahren versucht man immer mehr Arbeit durch
Energie zu ersetzen, das ist ganz selbstverständlich geworden."
Und wenn die Abkehr von der alten Lehrmeinung nicht gelingt? Dann drohe der
Menschheit die Existenzgrundlage zu entschwinden. Einerseits rein physisch,
weil es an guter Luft, sauberem Wasser, schönen Landschaften, Artenvielfalt
und einem menschenverträglichen Klima fehle. Zugleich aber auch ökonomisch,
weil die Wirtschaft in Turbulenzen gerate - ein System, das sich immer mehr
von limitierten Naturressourcen abhängig macht, müsse irgendwann
kollabieren. Prinzip Schneeballsystem eben.
30 Dec 2011
## AUTOREN
Bernward Janzing
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