| # taz.de -- Grünes Konzept für neue Ökosteuern: Für eine ökologische Wahrh… | |
| > Grüne Abgeordnete wagen einen großen Wurf: Mit höheren Steuern auf Diesel | |
| > wollen sie Kindern kostenlosen Nah- und Fernverkehr ermöglichen. Und | |
| > Landwirte sollen belastet werden. | |
| Bild: Zurück zum Ursprünglichen: Eine Steuer auf Pestizide und Dünger soll d… | |
| BERLIN taz | Die Grünen diskutieren über eine umfassende ökologische | |
| Finanzreform und neue, anders gestaltete Ökosteuern. Ein Konzept aus der | |
| Bundestagsfraktion, das der taz vorliegt, schlägt vor, die Besteuerung von | |
| Dieselkraftstoff schrittweise zu erhöhen. Mit den Einnahmen von zwei | |
| Milliarden Euro im Jahr ließe sich ein kostenloses Nahverkehrsticket und | |
| eine Gratis-Bahncard 100 für Kinder und Jugendliche finanzieren, heißt es | |
| in dem Konzept. | |
| „Ein solches Projekt bringt eine doppelte Dividende für die Umwelt“, sagt | |
| die Abgeordnete und Mitverfasserin Lisa Paus. „Mehr Autofahrer wechseln auf | |
| lange Sicht zu effizienteren Fahrzeugen. Und Kinder lernen früh die Vorzüge | |
| von Bus und Bahn zu schätzen.“ Diesel wird in Deutschland bisher deutlich | |
| niedriger besteuert als Benzin. | |
| Das Papier haben drei Abgeordnete unterzeichnet – Paus, die im | |
| Finanzausschuss sitzt, der Energieexperte Oliver Krischer und die für | |
| Energiewirtschaft zuständige Ingrid Nestle. Sie wagen einen großen Wurf: | |
| Ihr Konzept weitet die alte Ökosteuer, die sich lediglich auf Strom und | |
| Kraftstoffe bezieht und dem Staat 18 Milliarden Euro jährlich in die Kassen | |
| spült, auf andere endliche Ressourcen aus. „Preise müssen die ökologische | |
| Wahrheit sagen“, sagt Paus. Deshalb seien neue Umweltverbrauchssteuern | |
| nötig. Die Einnahmen wollen die Grünen in ökologisch sinnvolle Maßnahmen | |
| stecken. Neben der Diesel-Besteuerung schlägt das Konzept drei Punkte vor: | |
| ■ Effizienzumlage auf Heizstoffe: Meint eine nach CO2- oder Energiegehalt | |
| gestaffelte Abgabe auf alle fossilen Heizstoffe. Das Konzept schlägt 0,2 | |
| Cent pro Kilowattstunde vor, dies würde einen Bewohner einer Single-Wohnung | |
| mit etwa 25 Euro pro Jahr zusätzlich belasten. Sie würde dem Staat | |
| Einnahmen von 1,7 Milliarden Euro im Jahr bringen. Das Geld wollen die | |
| Grünen nutzen, um Förderprogramme für die energetische Gebäudesanierung | |
| aufzustocken. | |
| ■ Steuer auf Pestizide und Dünger: Die Autoren schlagen vor, | |
| Verbrauchssteuern für Düngemittel und Pestizide oder eine | |
| Stickstoffüberschussabgabe einzuführen. Erfahrungen aus Dänemark und | |
| Schweden zeigten, dass mit solchen Abgaben der Einsatz von Pestiziden und | |
| Mineraldüngern deutlich verringert werde, argumentieren sie. Die Einnahmen | |
| von 1 Milliarde Euro im Jahr wollen sie verwenden, um Landwirte zu fördern, | |
| die von konventionellem auf ökologischen Anbau umstellen. | |
| ■ Förderabgabe auf heimische Rohstoffe: Die Grünen möchten die im Bergrecht | |
| verankerte Förderabgabe ausweiten. Bergbauunternehmen entrichten derzeit | |
| bereits eine Abgabe bei manchen Bodenschätzen, sie beträgt 10 Prozent des | |
| Rohstoff-Marktwertes. Diese müsse auch für bisher nicht erfasste Rohstoffe | |
| wie Kies, Sand oder Gesteine gelten, fordert ihr Konzept. Mit den – nicht | |
| näher quantifizierten – Einnahmen sollen dann günstigere Kredite für | |
| Effizienzmaßnahmen der Firmen bezuschusst werden. | |
| Mit ihrem Konzept bauen die Abgeordneten auf die Beschlusslage ihrer Partei | |
| auf. Beim Kieler Parteitag im November widmeten sich die Grünen den | |
| Finanzen, sie beschlossen etwa deutliche Steuererhöhungen für Gutverdiener. | |
| Außerdem, heißt es in dem entscheidenden Finanzantrag, werde man ein | |
| Konzept entwickeln, dass die ökologische Finanzreform fortführt. Genau das | |
| haben Paus und ihre Mitstreiter getan. Sie greifen vier Punkte auf, die | |
| schon in dem Parteitagsbeschluss genannt werden. | |
| ## Ob das Konzept ins offizielle Programm wandert, ist offen | |
| Paus findet deshalb, die Grünen müssten im Wahlkampf mit den neuen | |
| Ökosteuern werben. „Das Konzept sollte ein wichtiger Baustein für das | |
| Wahlprogramm 2013 sein.“ Doch ob das Konzept tatsächlich offiziell ins | |
| Grünen-Programm wandert, ist offen. Obwohl die Ökosteuer eine ureigene | |
| Erfindungen der Grünen ist, ist sie in der Partei inzwischen umstritten. | |
| Manche Spitzengrüne würden sich am liebsten leise von der Ökosteuer | |
| verabschieden. | |
| Prominentestes Beispiel ist Fraktionschef Jürgen Trittin. Er trimmt seine | |
| Partei zwar auf seriöse Haushaltspolitik, bevorzugt es aber, Reiche stärker | |
| zu belasten. Neuen Ökosteuern steht der Spitzenmann skeptisch gegenüber. Es | |
| war kein Zufall, dass der in Kiel beschlossene Finanzantrag zwar | |
| detaillierte Konzepte zu Spitzensteuersatz oder Vermögensabgabe enthielt. | |
| Bei Ökosteuern aber – neben dem wolkigen Prüfauftrag – nur kleinere | |
| Subventionskürzungen vorsah. „Trittin steckt immer noch die | |
| Fünf-Mark-pro-Liter-Debatte in den Knochen“, heißt es in der | |
| Bundestagsfraktion. | |
| ## Parteiinterne Kritik vorprogrammiert | |
| Er ist nicht der einzige. Viele Grünen-Strategen erinnern sich mit Grausen | |
| an die Wochen nach dem Magdeburger Parteitag 1998: Kurz vor der | |
| Bundestagswahl verabschiedete die Versammlung den Beschluss, fünf Mark | |
| seien ein angemessener Preis für den Liter Sprit. Die Bild-Zeitung | |
| schäumte, die Konservativen und der ADAC gossen Spott und Häme über die | |
| verrückten Ökos aus. Die Grünen holten nur ein mäßiges Ergebnis – auch w… | |
| es für die erste rot-grüne Regierung im Bund reichte. | |
| An dem neuen Konzept wird es deshalb parteiintern heftige Kritik geben. Die | |
| Initiatoren halten Ökosteuern jedoch für wichtige Bestandteile des grünen | |
| Instrumentenkastens und des Green New Deals. Sie setzen auf Zustimmung von | |
| der Parteibasis. Paus sagt: „Wir wünschen uns jetzt eine breite Debatte in | |
| der Partei.“ | |
| 28 May 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrich Schulte | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Moderne Wärmedämmung: Die Mär vom Schimmel im Passivhaus | |
| Um die Folgen gut gedämmter Häuser ranken sich viele Gerüchte. Aber gute | |
| Dämmstoffe sind nicht mehr gesundheitsschädlich. Bleibt der Brandschutz, | |
| aber auch da lernt man. | |
| Streit um Gebäudesanierungen: Gut gedämmt ist teuer vermietet | |
| Gebäude ordentlich zu renovieren ist billiger Klimaschutz. Die | |
| Bundesregierung will deshalb das Land durchsanieren lassen. Was kommt da | |
| auf Mieter zu? | |
| Bonuszahlungen auf Kosten der Steuerzahler: Topmanager müssen vor Grünen zitt… | |
| Die Grünen-Fraktion fordert, dass Konzerne Managergehälter nur noch bis | |
| 500.000 Euro von Einnahmen abziehen dürfen. Gleichzeitig will sie | |
| Mittelstand und kleine Firmen entlasten. | |
| Ökonomen fordern höhere Spitzensteuer: Halbe-halbe mit dem Staat | |
| Großverdiener sollen teilen: Ökonomen fordern höhere Steuern auf Einkommen, | |
| Vermögen und Erbschaften der extrem Reichen. Das soll die öffentlichen | |
| Haushalte sanieren. | |
| Benzinpreise bald im Netz vergleichbar: Billiger tanken dank Internetseite | |
| Der Autofahrerclub ADAC fordert die Veröffentlichung von Benzinpreisen im | |
| Netz in Echtzeit. Ziel ist es, den Wettbewerb der Tankstellen zu forcieren. | |
| Debatte Ölpreise: Zeitalter ohne Happy End | |
| Hohe Benzinpreise garantierten keinen schnellen Ausstieg aus dem Erdöl – im | |
| Gegenteil. Die Ölkonzerne verdienen so gut, dass sie noch mehr | |
| Ölkatastrophen in Kauf nehmen. | |
| Ökosteuer-Schonkurs für Unternehmen: Grüner Rabatt ohne Gegenleistung | |
| Die deutsche Industrie wird bei der Ökosteuer weiter bevorzugt. Das | |
| Finanzministerium will die seit über einem Jahrzehnt geltenden Privilegien | |
| verlängern. | |
| Subventionen für Industrie: Energiefresser werden bevorzugt | |
| Die Industrie lässt sich ihre Energiekosten mit knapp zehn Milliarden Euro | |
| subventionieren, zeigt eine Studie. Die Kosten tragen Steuerzahler und | |
| Kleinunternehmer. | |
| taz-Serie: Die Grenzen des Wachstums: Der Vater der Ökosteuer | |
| Ohne Wachstum geht es nicht, sagt Hans Christoph Binswanger. 1,8 Prozent | |
| sind aber genug. Das könne ohne zusätzlichen Verbrauch von Ressourcen | |
| umgesetzt werden. |