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# taz.de -- Streit um Gebäudesanierungen: Gut gedämmt ist teuer vermietet
> Gebäude ordentlich zu renovieren ist billiger Klimaschutz. Die
> Bundesregierung will deshalb das Land durchsanieren lassen. Was kommt da
> auf Mieter zu?
Bild: Wenn Wärmedämmung mal so einfach wäre.
BERLIN taz | Der Deutsche Mieterbund kämpft normalerweise für niedrige
Mieten. Im Zuge der Energiewende steht Deutschland nun eine Welle an
Renovierungen ins Haus. Das sind also Arbeiten, bei denen mit kräftig
steigenden Kosten für die Mieter zu rechnen ist. Der Mieterbund ist nicht
gegen die Sanierungen, glaubt aber, dass diese ohne zusätzliche Kosten für
die Mieter möglich sind.
Allerdings: „Die Bundesregierung lässt uns komplett im Stich“, schimpft
Ulrich Ropertz, Sprecher des Mieterbundes. Derzeit laufen entscheidende
Verhandlungen in Berlin. Es geht um die Frage, inwiefern Hauseigentümer
künftig zum Energiesparen verpflichtet werden können und bis zu welcher
Höhe die Kosten auf Vermieter abgewälzt werden. Noch gilt eine Regelung aus
den 1970er Jahren: Ein Vermieter darf 11 Prozent der Sanierungskosten auf
die Jahresmiete umlegen – völlig unabhängig davon, wie viel Energie
eingespart wird. Eine antiquierte Regelung, findet Ropertz und fordert,
dass Sanierungen auch nachweislich Energie sparen müssen.
Das ist nur eine Detailfrage von vielen, die derzeit diskutiert werden.
Antworten sind dringend nötig. Zählt man den gesamten Energieverbrauch
Deutschlands zusammen, vom Auto bis zur Fabrik, geht davon 35 Prozent für
Raumwärme und warmes Wasser drauf. Eines der wichtigsten Anliegen in der
Energiewende ist deshalb die Gebäudesanierung. Die Bundesregierung will
erreichen, dass jährlich 2, bisher 1 Prozent, der Gebäude in Deutschland
gedämmt werden.
Das klingt zunächst wenig, ergibt aber bei 18 Millionen Wohngebäuden in
Deutschland im Jahr rund 360.000 Renovierungen, in Wohnraum ausgedrückt: 80
Millionen Quadratmeter. Wie viel das kostet, ist schwer zu beziffern. Der
Mieterbund geht von 300 Euro pro Quadratmeter aus, andere Studien kommen
zum Teil zu niedrigeren Durchschnittswerten. Allerdings stellen die
Sanierungen auch ein gewaltiges Investitionsprogramm dar, das für die
Staatskasse sogar Mehreinnahmen bedeuten kann.
## Heizöl soll um 24 Prozent teurer werden
Das Wuppertal Institut für Klimaforschung hat errechnet, dass Wärmedämmung
dem Land Wohlstand bringt wegen vermiedener Energie- und Umweltkosten, wenn
Treibhausgase eingespart werden. Deshalb sieht auch der Mieterbund die
Sache grundsätzlich positiv. So soll nach Angaben des Verbandes allein das
Heizöl in diesem Jahr um 24 Prozent teurer werden – bei den Preisen sollte
möglichst wenig davon verschwendet werden.
Was der Vermieter dadurch an Heizkosten einspart, könnte für die Sanierung
eingesetzt werden. So fordert auch der BUND, dass die Warmmiete durch die
Dämmung nicht steigen soll.
Die Formel lautet: Ein Drittel der Kosten solle der Eigentümer tragen,
schließlich steigert er den Wert seiner Immobilie. Ein Drittel können die
Mieter beisteuern, wobei die Warmmiete unverändert bliebe. Das letzte
Drittel müsste aus der Staatskasse in Form von Anreizen und
Förderprogrammen kommen. Der Bund hat über die staatseigene KfW-Bank
bereits ein Programm über 1,5 Milliarden Euro jährlich aufgelegt.
Eigentlich sollen Eigentümer zusätzlich einen Teil ihrer Sanierungskosten
von der Steuer absetzen können, doch ein entsprechendes Gesetz hängt seit
Monaten im Vermittlungsausschuss fest.
Der Deutsche Naturschutzring sieht ein weiteres Problem der schleppenden
Sanierungen: Finanzinvestoren. Deren kurzfristige Gewinnmaximierungsziele
blockierten die energetische Sanierung, die sich nur langfristig
amortisiert, sagt Generalsekretär Helmut Röscheisen.
Die Ursachen steigender Mieten sind momentan kaum in der Energiewende zu
finden. Der Immobilieneigentümerverband Haus & Grund hat kürzlich
errechnet, dass im Durchschnitt die Kaltmieten in Deutschland seit dem Jahr
2000 nicht gestiegen sind – rechnet man die Inflation mit ein. Steigende
Kaltmieten sind eher ein Problem einzelner Städte oder Stadtbezirke,
Warmmieten ein Problem der immer teurer werdenden fossilen Rohstoffe. Dass
sich Energiesparen lohnt, zeigt sich übrigens an anderer Stelle: Zwar ist
Strom in Deutschland dreimal so teuer wie in den USA. Dennoch zahlen die
Haushalte hierzulande nicht mehr für die Energie aus der Steckdose – weil
sie fast zwei Drittel weniger verbrauchen.
10 Jul 2012
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
Wärmedämmung
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