| # taz.de -- Ökosteuer-Schonkurs für Unternehmen: Grüner Rabatt ohne Gegenlei… | |
| > Die deutsche Industrie wird bei der Ökosteuer weiter bevorzugt. Das | |
| > Finanzministerium will die seit über einem Jahrzehnt geltenden | |
| > Privilegien verlängern. | |
| Bild: Meint es gut mit der deutschen Industrie: Umweltexperte Wolfgang Schäubl… | |
| BERLIN taz | Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will die Industrie bei | |
| einer Novelle der Ökosteuer weiterhin schonen. Auch nach 2012 sollen | |
| Industrieunternehmen weniger Steuern auf Energie zahlen als private Kunden. | |
| Die Privilegien gelten seit 1999, als Rot-Grün die Ökosteuer einführte. | |
| Anlass für Schäubles Gesetzesänderung sind Auflagen der EU. Die stuft die | |
| Ökosteuer-Ausnahmen als Subvention ein, weshalb sie bis Ende des Jahres | |
| befristet sind. Den Fortbestand machen die EU-Wettbewerbshüter davon | |
| abhängig, dass die Unternehmen eine Gegenleistung erbringen – und zwar mehr | |
| Klimaschutz. | |
| Das erspart Schäuble den Betrieben allerdings mit einem simplen Trick: Sie | |
| erhalten die Steuernachlässe für Energieeinsparungen, die sie ohnehin | |
| erfüllen müssen. Schäuble verlangt von den Unternehmen, dass sie im Jahr | |
| mindestens 1,2 Prozent Strom und 0,9 Prozent Öl oder Gas einsparen. | |
| Der taz liegt ein entsprechender Gesetzentwurf des Finanzministeriums vor, | |
| nach dem das Strom- und das Energiesteuergesetz, vulgo Ökosteuer, geändert | |
| werden soll. Sie beträgt normalerweise ein Drittel des Nettostrompreises. | |
| Die neue europäische Energieeffizienzrichtlinie verlangt allerdings noch | |
| stärkere Energiesparziele, nämlich jährlich 1,5 Prozent. | |
| ## 2,3 Millarden Euro Steuereinahmen verschenkt | |
| Die Unternehmen erhalten also durch die Sparvorschriften des | |
| Finanzministers Steuervergünstigungen, ohne zusätzliche Gegenleistungen zu | |
| erbringen. Bisher musste die Industrie lediglich eine freiwillige | |
| Selbstverpflichtung erfüllen, um in den Genuss der Steuernachlässe zu | |
| kommen. | |
| Ohnehin sollen die Auflagen nur für jeden fünften der Betriebe gelten, die | |
| von Ausnahmen bei der Ökosteuer profitieren. Es handelt sich dabei um | |
| insgesamt 23.000 Unternehmen, die besondere Vergünstigungen über den | |
| sogenannten Spitzenausgleich erhalten. Der Steuerkasse entgingen dadurch | |
| allein im vergangenen Jahr 2,3 Milliarden Euro. | |
| Für fast 100.000 weitere Industrieunternehmen gelten nach einer Studie der | |
| Rosa-Luxemburg-Stiftung weitere Nachlässe. Sie summieren sich auf | |
| zusätzlich 2,2 Milliarden Euro pro Jahr. Die große Mehrzahl der Betriebe | |
| soll nach Schäubles Gesetzentwurf auch weiterhin keine Abstriche beim | |
| Verbrauch von Strom, Öl oder Gas machen müssen, um vom Ökosteuerrabatt zu | |
| profitieren. | |
| Ursprünglich war die Regel eingeführt worden, um eine Verlagerung von | |
| Industriebetrieben mit hohem Stromverbrauch ins Ausland zu verhindern. Die | |
| Grünen kritisieren, dass die Ausnahmen von der Ökosteuer auch Betriebe | |
| erhalten, bei denen gar keine Verlagerung ins Ausland droht. „Die | |
| entscheidenden Kriterien Energieintensität und internationale | |
| Wettbewerbsintensität spielen bei der Gewährung des Spitzenausgleichs keine | |
| Rolle“, sagt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Lisa Paus. | |
| 9 Mar 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Manuel Berkel | |
| ## TAGS | |
| Verbraucherschutz | |
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