# taz.de -- Debatte um Strompreise: Die Lüge der unsozialen Energiewende | |
> Wer ist schuld an hohen Strompreisen? Die Energiewende, sagen die einen. | |
> Geschenke an die Industrie, sagen die anderen. Die Sozialverbände suchen | |
> nach Lösungen. | |
Bild: Strom wird immer teurer – die Frage ist nur: Warum? | |
BERLIN taz | In dieser Woche begehrte der energiepolitische Sprecher der | |
Union im Bundestag, Josef Göppel, auf: „Bei der Debatte über | |
Strompreiserhöhungen lohnt es sich, einen Blick auf die Entwicklung der | |
letzten zwölf Jahre zu werfen“, schrieb er seinen Parteikollegen. Es folgte | |
eine kurze Exkursion zu den Kosten erneuerbarer Energien und das Fazit: Ein | |
Großteil der Strompreiserhöhung geht nicht auf ihre Kappe. | |
In Deutschland ist eine Debatte um die sozialen Kosten der Energiewende | |
entbrannt. Teile der Union machten die Solarförderung als Ursache aus. | |
Angesichts von Medienberichten über immer mehr Haushalte, denen der Strom | |
abgestellt würde, wurde Kritik an den erneuerbaren Energien laut. | |
Peter Blenkers, Energieexperte beim Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen, | |
hält diese Debatte für unsachlich. „Es ist unsinnig, die momentan hohen | |
Stromkosten hauptsächlich der Energiewende anzulasten.“ Das Problem sei | |
vielmehr, dass höhere Kosten sofort an Verbraucher weitergegeben würden. | |
„Kostensenkungen wandern dagegen in die Taschen der Stromanbieter“, sagt | |
er. | |
Während Rösler die angeblich hohen Stromkosten für die energieintensive | |
Industrie beklagt, ist die von der Umlage für den Ökostrom von 3,59 Cent | |
pro Kilowattstunde größtenteils befreit. „Tatsächliche oder vermeintliche | |
Kosten für die Energiewende werden den privaten Haushalten aufgebürdet, | |
während die Industrie geschont wird“, beschwert sich Blenkers. | |
Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband klagt angesichts dieser | |
Gerechtigkeitslücke nicht die Energiewende an. Nach seinen Schätzungen | |
wurden zwar 200.000 Hartz-IV-Empfängern wegen unbezahlter Stromrechnungen | |
der Saft abgeknappst. „Aus der Diskussion, woher der hohe Strompreis kommt, | |
halten wir uns aber heraus“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, | |
Ulrich Schneider. | |
## Lösungsvorschläge statt Schuldzuweisungen | |
Stattdessen arbeite man mit den Verbraucherschutzverbänden an einer Lösung, | |
wie soziale Probleme wegen hoher Strompreise gemildert werden könnten: | |
Demnächst will man gemeinsam einen Vorschlag vorlegen, nach dem der Staat | |
mit dem Wohngeld auch die Energiekosten für sozial Schwache wieder mit | |
übernehmen soll – für die Heizkosten ist die Regel erst 2009 abgeschafft | |
worden. | |
Andere Vorschläge seien hingegen nicht praktikabel: „Stromanbieter zu | |
Sozialtarifen zu verpflichten, halte ich dagegen für viel zu kompliziert. | |
Da kann man gleich dem Bäcker nebenan erklären, dass er spezielle | |
Brötchenpreise für Hartz-IV-Empfänger einführen muss“, sagt Schneider. | |
Doch auch Teile der Industrie ärgern sich über die Regierung: Der | |
Mittelstand etwa ist nicht einverstanden damit, dass nur die Großindustrie | |
von der Umlage befreit wird – und nicht auch kleine Betriebe mit hohen | |
Stromkosten. Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische | |
Wirtschaft, kritisiert, „dass die Bundesregierung die guten langfristigen | |
Perspektiven der Energiewende nicht ausreichend hervorhebt. Wir können eine | |
ebenso sichere und stabile Stromversorgung wie heute haben, die zudem noch | |
günstiger ist“, sagte Ohoven der taz. | |
Zu erklären sind die Stromsteigerungen in den letzten Jahren aus | |
verschiedenen Blickwinkeln. Tatsächlich sind die eigentlichen Kostentreiber | |
fossile Energieträger wie Gas oder Kohle. Während die Kosten für Solar- und | |
Windstrom seit Jahren sinken, zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamts: | |
Steinkohle kostet heute mehr als doppelt so viel wie noch im Jahr 2000, | |
Erdgas fast dreimal so viel. | |
13 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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